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Neuer Vorwurf zur Abschiebung: Messerangreifer sollte in Haft – warum es nicht dazu kam | ABC-Z


Neuer Vorwurf zur Abschiebung

Messerangreifer sollte in Haft – warum es nicht dazu kam

Wer trägt eine Mitschuld an der Messerattacke in Aschaffenburg? Das Innenministerium zeigt erneut auf Bayern, weil die Abschiebung des späteren Täters scheiterte. Wie sich herausstellt, kam ein weiteres Instrument nicht zum Greifen. Der Mann hätte hinter Gitter kommen sollen.

Der Verdächtige von Aschaffenburg hätte eigentlich Ende Dezember 2024 für mehr als einen Monat ins Gefängnis kommen sollen – trat diese Ersatzfreiheitsstrafe aber laut Staatsanwaltschaft Schweinfurt nie an. Grund dafür sei die gesetzliche Regel, dass ein Gericht bei zwei verschiedenen Verurteilungen unter bestimmten Bedingungen eine sogenannte Gesamtstrafe bilden muss, teilte die Staatsanwaltschaft mit. Erst dann sei klar, wie lang der Verurteilte tatsächlich in Haft muss – oder wie viel Geld er zahlen muss. Mehrere Medien hatten zuvor über den Vorgang berichtet.

Im Fall des Verdächtigen von Aschaffenburg war der Mann an zwei verschiedenen Gerichten zu Geldstrafen verurteilt worden. Die erste Geldstrafe zahlte er nicht, weshalb er am 23. Dezember 2024 eine Ersatzfreiheitsstrafe von 40 Tagen antreten sollte – was er aber nicht tat.

In der Zwischenzeit sei zudem das zweite Urteil mit Geldstrafe rechtskräftig geworden, sagte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft. Deshalb habe das Amtsgericht Schweinfurt erst über eine Gesamtstrafe entscheiden müssen – was aber „unter anderem wegen zwingend erforderlicher Zustellungen und Übersetzungen“ bisher nicht erfolgte. So blieb der 28-Jährige bis zum 22. Januar auf freiem Fuß – was aber mit Blick auf die Gerichtsverfahren auch der Fall gewesen wäre, wenn er seine Geldstrafen wie gefordert bezahlt hätte.

Innenministerium: Bayern rechtzeitig zu Abschiebung informiert

Derweil streiten der Bund und Bayern weiter darüber, an welcher Stelle es mit Blick auf die Abschiebung des Afghanen Versäumnisse gab. Das Bundesinnenministerium wies Kritik aus Bayern zurück, die dortigen Behörden seien nicht rechtzeitig über die angeordnete Abschiebung des mutmaßlichen Täters von Aschaffenburg informiert worden. Ein Sprecher von Ministerin Nancy Faeser trug Informationen des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bamf) vor: Demnach wurde die Abschiebung des Mannes am 19. Juni 2023 angeordnet und dies zwei Tage später und damit „sieben Wochen vor Fristablauf“ an die Ausländerbehörde in Unterfranken weitergegeben.

Ende Juli dann sei die Ausländerbehörde über die Unanfechtbarkeit der Entscheidung informiert worden, führte der Sprecher die Angaben des Bamf aus, das dem Innenministerium unterstellt ist. Im August sei schließlich die Überstellungsfrist abgelaufen und Deutschland für den Asylantrag zuständig geworden. Der Tatverdächtige hätte gemäß des europäischen Dublin-Verfahrens nach Bulgarien abgeschoben werden müssen.

Nach dem Attentat hatte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann von der CSU dem Bamf vorgeworfen, eine mögliche Abschiebung des 28-jährigen tatverdächtigen Afghanen nach Bulgarien verhindert zu haben. Die angeordnete Abschiebung sei den dafür zuständigen bayerischen Behörden um Wochen verspätet mitgeteilt worden. Damit sei die Abschiebung innerhalb der vorgegebenen Frist nicht mehr möglich gewesen.

„Lücken im System“

Der als psychisch krank geltende mutmaßliche Täter war am Mittwoch in einem Park in Aschaffenburg mit einem Messer auf eine Kindergartengruppe losgegangen. Ein zwei Jahre alter Junge starb. Ein 41 Jahre alter Passant, der helfen wollte, wurde ebenfalls tödlich verletzt. Drei weitere Menschen wurden verletzt.

Regierungssprecher Steffen Hebestreit warnte vor einem „Fingerzeigen“ im Nachgang der Tat. Vorfälle wie in Aschaffenburg und in Magdeburg, Solingen und Mannheim im vergangenen Jahr zeigten, „wo Lücken im System sind“ und „die Umsetzung von bestehenden Regelungen nicht gut laufen“. Dabei müssten alle etwas tun. Sowohl der Bund als auch die Länder und die für die Ausländerbehörden zuständigen Städte und Gemeinden müssten „ihre Hausaufgaben machen“. Das sei „ein gemeinsames Unterfangen“. Der konkrete Fall in Aschaffenburg wird nach Angaben des Bundesinnenministeriums derzeit umfassend aufgeklärt.

Söder sieht Bund in Verantwortung

Neue Schuldzuweisungen kommen von Bayerns Ministerpräsident Markus Söder. Der CSU-Politiker sieht in der nicht stattgefundenen Überstellung des Afghanen eher ein Politik- als ein Behördenversagen. „Wir haben jetzt so viele Fälle gehabt – Mannheim – Solingen – Magdeburg. Wenn das in so vielen Bundesländern ist, kann es ja nicht sein, dass die ganzen Behörden in Deutschland schlafen“, sagte Söder bei einem Treffen mit seinen Amtskollegen aus Thüringen und Sachsen, Mario Voigt und Michael Kretschmer, im oberfränkischen Kronach.

Falsch seien vor allem die Rahmenbedingungen. Es kämen zu viele Menschen ins Land, zum Teil völlig unkontrolliert. Er kritisierte, dass in jüngster Zeit nur ein Abschiebeflug nach Afghanistan stattgefunden habe. Die Straftäter hätten auch noch ein Handgeld erhalten. „Völlig absurde, verzerrte Maßstäbe“, sagte Söder. Der Bund habe drei Jahre lang nichts getan, um Abschiebung besser zu organisieren.

Union hofft auf Unterstützung aus politischer Mitte

Kretschmer betonte, Personen, die straffällig geworden sind, müssten ihren Schutzstatus verlieren, im Zweifel auch ihre deutsche Staatsangehörigkeit. Mit Blick auf Anträge zur Verschärfung der Migrationspolitik, die die Union in der kommenden Woche in den Bundestag einbringen will, unabhängig davon, wer ihnen zustimmt, sagte Kretschmer: „Es ist die Stunde der Wahrheit.“ Söder betonte, die Zustimmung der AfD sei nicht notwendig, wenn SPD und Grüne sich zu einer härteren Gangart in der Asylpolitik entschließen würden.

CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt forderte SPD, Grüne und FDP auf, den Vorschlägen von Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz zur Migration kommende Woche im Bundestag zuzustimmen. „Wir brauchen eine Vollbremsung bei der Migration“, sagte der CSU-Politiker. „Wir wollen in der Mitte der demokratischen Parteien eine Veränderung der Migrationspolitik erreichen“, betonte er zu der Debatte, ob die Union auch eine Mehrheit mit AfD, BSW und FDP riskieren würde. Dies wäre eine Premiere im Bundestag, vor der die SPD bereits warnte, weil dies ein „Dammbruch“ bedeuten würde.

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