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Neuer Geschäftsführer: Warum Hertha mit Görlich bewusst einen anderen Weg geht | ABC-Z

Neuer Geschäftsführer

Hertha BSC geht mit Peter Görlich bewusst einen anderen Weg


Di 05.08.25 | 20:37 Uhr | Von Marc Schwitzky

Bild: IMAGO / Fotostand | Bild: IMAGO / Fotostand

Hertha BSC hat mit Peter Görlich seinen neuen Geschäftsführer gefunden. Ein recht unbekannter Name im Fußball. Dass es nicht jemand wie Rangnick oder Kahn wurde, sagt viel darüber aus, wohin Hertha will. Von Marc Schwitzky

“Wir lassen uns nicht treiben”, hatte Fabian Drescher in Bezug auf die Suche nach einem neuen Geschäftsführer gebetsmühlenartig wiederholt. Der Präsident von Fußball-Zweitligist Hertha BSC sollte Recht behalten: Erst drei Monate, nachdem sich der Hauptstadtklub und der damalige Amtsinhaber Thomas E. Herrich getrennt hatten, wurde dessen Nachfolger verkündet. Am Dienstagvormittag gab Hertha bekannt, mit Peter Görlich offiziell fündig geworden zu sein. Er tritt zum 1. September an und bildet ein Team mit Ralf Huschen.

Es ist ein Name, der nur bei den wenigsten Fußball-Beobachtern ein Licht aufgehen lassen wird. Görlich ist trotz seiner 58 Lebensjahre ein recht unbekannter Akteur im Fußballgeschäft – zumindest oberflächlich. Für Drescher ist er allerdings aufgrund seiner “Expertise, strategischen Herangehensweise und Leidenschaft (…) die fachlich und menschlich die ideale Besetzung für Hertha BSC”. Eben jene Attribute hat Görlich auf einigen beruflichen Stationen, aber vor allem bei der TSG 1899 Hoffenheim unter Beweis gestellt.

Görlich hat Hoffenheim entscheidend weiterentwickelt

Görlich war von 2015 bis 2021 Geschäftsführer bei den Sinsheimern. Sein damaliger Aufgabenbereich wurde unter “Sport, Strategie, Innovation, Kommunikation, Marketing und Sponsoring” gefasst. Als studierter Sportwissenschaftler und Master of Business Administration hatte er die Funktion, Hoffenheim als Gesamtkonstrukt weiterzuentwickeln.

Görlich, der zuvor beruflich viel im Gesundheitswesen tätig war, schob viele unterschiedliche Dinge im Klub an. Er brachte eine starke Unternehmenssicht nach Hoffenheim, sodass er die Abteilung besser verzahnte und sie im Bundesliga-Vergleich überaus modern aufstellte.

Hoffenheim war unter ihm einer der führenden Klubs in Sachen Nachhaltigkeit, effizienten Strukturen und sportwissenschaftlichem Arbeiten. Die TSG agierte zu seiner Zeit höchst innovativ, richtete damals noch neuartige Trainings- und Analysezentren ein, die heutzutage zum Standard vieler nachahmender Vereine gehören.

Ein guter Stratege, Entwickler und Kommunikator, dem sein sportwissenschaftlicher Ansatz in Bezug auf Trainingsmethodik und der medizinischen Abteilung des Klubs zugute kam. Görlich ist in seiner Expertise bemerkenswert breit aufgestellt. Nicht ohne Grund gehörte er der DFL-Taskforce “Zukunft Profifußball” an. Er gilt als sehr gut vernetzt.

Mangelnde sportliche Kompetenz?

Trotz dieser Vita gibt es teilweise Zweifel an Herthas Wahl. Schließlich hatte Präsident Drescher vor Kurzem noch gesagt, der neue Geschäftsführer müsse “schon ein erhebliches Maß an Sportkompetenz mitbringen”. Wären dann die ebenfalls gehandelten Ralf Rangnick, Jonas Boldt oder Oliver Kahn nicht die weitaus logischeren Kandidaten gewesen?

Das mag auf den ersten Blick stimmen. Der zweite verrät, dass Görlichs sportliche Kompetenz womöglich unterschätzt wird. Der 58-Jährige besitzt eine A-Trainerlizenz – die dritthöchste im Fußball. Er versteht das Spiel also. Darüber hinaus war Görlich vor seiner Zeit als Hoffenheims Geschäftsführer der Leiter des Nachwuchsleistungszentrums der TSG – diese gilt heute als eine der besten des Landes. Sie hat nicht nur viele Spieler, sondern auch Trainer wie einen gewissen Julian Nagelsmann. hervorgebracht.

Görlichs Haltung zu Berateragentur Rogon

Als Görlich im Oktober 2015 als Geschäftsführer bei Hoffenheim anheuerte, stand der Klub auf Rang 18 der Bundesliga. Er schaffte anschließend Strukturen, die nicht nur zum Klassenerhalt führten, sondern unter anderem auch zu Platz vier, drei und sechs in den weiteren Jahren. Görlich mag zwar nicht der Typ Kaderplaner wie ein Boldt oder Rangnick sein, aber jemand, der Strukturen und Bedingungen schafft, die sportlichen Erfolg fördern. Eine größere sportliche Kompetenz als Vorgänger Herrich hat er allemal.

Peter Görlich (l.) mit Hoffenheims Mäzen Dietmar Hopp (m.) im Gespräch. (Foto: IMAGO / Fotostand)Peter Görlich (l.) mit Hoffenheims Mäzen Dietmar Hopp (m.) im Gespräch. (Foto: IMAGO / Fotostand)

Dass seine Zeit bei Hoffenheim überhaupt endete, lag an einem Disput mit TSG-Mäzen Dietmar Hopp. Görlich hatte sich damals entschieden gegen die undurchsichtigen wie dicken Verflechtungen zwischen Hoffenheim und der Berateragentur Rogon, die immer mehr Macht im Klub anhäufte, positioniert – und überwarf sich so mit den Verantwortlichen, die ihn dafür schassten.

Eine Thematik, die auch bei Hertha für Zündstoff sorgen könnte. Es stehen mit unter anderem Fabian Reese und Michael Cuisance mittlerweile sechs Profi-Spieler bei Rogon unter Vertrag. Der Einfluss wächst immer stärker – das kann zu problematischen Abhängigkeitsverhältnissen führen. Ein Umstand, der bereits von der organisierten Fanszene massiv kritisiert wird.

Sportdirektor Weber wird gestärkt

Nun soll Görlich zusammen mit Co-Geschäftsführer Huschen Hertha ähnlich voranbringen wie einst Hoffenheim. Neben sportlicher Expertise hatten sich die Berliner laut Präsident Drescher “vor allem Kompetenzen im strukturellen Bereich” gewünscht. “Dass wir die Möglichkeit haben, eine Struktur zu entwickeln, die nachhaltig und vorausschauend ist, so dass Hertha BSC mal auf Strecke planen kann und nicht nur auf Sicht.”

Dieser Plan soll auch weiterhin Sportdirektor Benjamin Weber enthalten. Der 45-Jährige wird intern geschätzt. Dass mit Görlich kein Boss mit eigenem großem sportlichem Geltungsdrang gekommen ist, der sich vor allem in konkreten Spielertransfers widerspiegelt, kann als Vertrauensbeweis an Weber verstanden werden.

Hertha will keinen neuen Alleinherrscher

Die Entscheidung pro Görlich markiert zudem, dass Hertha bewusst einen etwas anderen Weg geht als von vielen erwartet. Das Präsidium scheint grundsätzlich in das seit wenigen Jahren mühsam aufgebaute Organigramm und Personen wie Weber oder Huschen zu vertrauen. Mit Görlich hat der Hauptstadtklub sich gegen die Ernennung eines neuen starken Manns, wie es einst Michael Preetz oder Fredi Bobic waren, entschieden.

Auch deshalb scheiterten vermutlich die Verhandlungen mit Personen wie Boldt oder Rangnick, die den Verein wohl auf links gekrempelt hätten – ein radikaler Ansatz, mit dem Hertha in den letzten Jahren keinerlei gute Erfahrungen gemacht hatte.

Es soll keinen Alleinherrscher mit großem Namen an der Hanns-Braun-Straße geben, sondern Teamplayer. Hertha will sich – nun auch durch Görlichs Hilfe – neu aufstellen, dabei aber nicht das eigene Gesicht verlieren.

Hertha-Präsident Fabian Drescher (l.), Geschäftsführer Ralf Huschen und Sportdirektor Benjamin Weber kriegen nun Zuwachs durch Peter Görlich. (Foto: IMAGO / Matthias Koch)Hertha-Präsident Fabian Drescher (l.), Geschäftsführer Ralf Huschen und Sportdirektor Benjamin Weber kriegen nun Zuwachs durch Peter Görlich. (Foto: IMAGO / Matthias Koch)

Ist Hertha zu viel für Görlich?

Eine große Frage bleibt aber: Wird Görlich, der bislang nur die Unternehmenswelt und das beschauliche Sinsheim kennt, mit der Wucht und Aufmerksamkeit eines so großen Traditionsvereins wie Hertha zurechtkommen? Oder wird sie ihn eiskalt erwischen? Allein die Suche nach einem Geschäftsführer mit all ihren Richtungsänderungen und den ständigen Durchstechereien von Interna hat gezeigt, dass es bei den Blau-Weißen wohl nie komplett ruhig zugehen wird.

Dass es mit Görlich etwas weniger hektisch zugehen könnte, zeigt allein dessen Anstellung. Denn für diese mussten sich Präsidium und Aufsichtsrat einig werden – ein Zustand, der in all den Monaten zuvor nie erreicht werden konnte und für einige Medienberichte gesorgt hatte. So liegen in Görlich große Hoffnungen – sowohl der Gremien als auch der Fans.

Sendung: rbb24 inforadio, 05.08.2025, 22 Uhr

Beitrag von Marc Schwitzky


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