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Neuer Aesop-Duft von Celine Barel: „In Grasse wurden Parfümeure wie Filmstars behandelt“ | ABC-Z

Weihrauch, Vanilleschote und Kardamom: Celine Barels neuester Duft „Above Us, Steorra“ für Aesop riecht wie eine fast vergessene Erinnerung – oder doch eher wie eine Sternschnuppe? Wir sprachen mit der Parfümeurin, die Düfte für Loewe, Lancôme, Jo Malone und Aesop, aber auch für Prominente wie Shawn Mendes oder Jessica Simpson kreiert hat, über Unterschiede zwischen Celebrity-Düften und Nischenmarken – und die Frage, wie man aus einem simplen Haiku Inspiration für einen Duft zieht.

Frau Barel, jüngst haben Sie Ihren dritten Duft für Aesop vorgestellt. Gehören Sie zu den Parfümeurinnen, die gern wissen, wie Ihr Parfüm ankommt?

Ich verfolge tatsächlich immer, wie meine Düfte aufgenommen werden. Das Ziel eines Parfüms ist es schließlich, Emotionen zu wecken. Parfüm ist flüssige Emotion! Mein neuer Aesop-Duft vermittelt eine klare Botschaft. Er transportiert eine Stärke und Kohärenz, egal ob man den Duft selbst mag oder nicht.

Der Name „Above Us, Steorra“ unterscheidet sich von den vorherigen, simpleren Namen der Aesop-Düfte. Was hat es damit auf sich?

Aesop bezieht sich als Marke immer stark auf Literatur und Philosophie. In diesem Fall wollten sie sich dem Thema Schicksal annehmen – und der Frage, ob man dem Unbekannten vertrauen sollte, so wie die Philosophen in der Antike, die zum Himmel blickten und die Sterne nach Anweisungen befragten. „Steorra“ bedeutet im Altenglischen „Stern“, „Above Us“ kam als eine Art Einladung hinzu, nach oben zu schauen und Dinge zu hinterfragen. In einer Welt, die immer stärker von Megalomanie geprägt ist, in der Menschen also nur noch an sich selbst denken, ist es wichtig, Dinge in Relation zu setzen und vielleicht auch an etwas zu glauben, das größer ist als das eigene Ich. Ich finde, „Above Us“ betont, wie klein wir im Universum sind.

Bisher wirkten Aesops Düfte eher erdverbunden – mit holzigen Noten, die an einen Waldbesuch erinnerten. Schaut die Marke jetzt also in den Himmel?

Ja, aber es gibt weiterhin eine starke Erdverbundenheit. Auch dieser Duft ist durchaus harzig und holzig. Er lädt dazu ein, über die sinnlichen Noten wie Vanilleschote mit sich selbst in Verbindung zu treten. Die holzigen Noten stehen für Erdung, die Gewürze und markanten Zutaten wie Kardamom hingegen haben gleichzeitig etwas Himmlisches und Feuriges.

Aus Grasse: Parfümeurin Celine BarelAesop

Für Ihren vorherigen Aesop-Duft „Aurner“ bekamen Sie als Briefing ein Lied, einen kleinen Gegenstand und ein Gedicht. Was war es diesmal?

Das Foto einer sternenklaren Nacht mit einer Sternschnuppe, das Haiku „Shooting Star“ der japanischen Dichterin Mayuzumi Madoka, in dem es um das Vertrauen in die Liebe geht, außerdem verschiedene Bernsteine. Ein Haiku ist kurz und prägnant. Es hat mich inspiriert, mir eine Formel auszudenken, die ebenso präzise und ausdrucksstark ist.

Lesen Sie selbst Gedichte?

Ich liebe Lyrik, besonders die des 19. Jahrhunderts – Baudelaire, Verlaine, Rimbaud, Charles Cros. Ich mag, wie die Romantik in der Literatur sich von Emotionen tragen lässt. Sie ist bildhaft, aber auch sinnlich – es war eine Zeit der Entdeckung, die sich in Kunst und Dichtung widerspiegelt. Erstmals fand man neue, exotische Blumen, Gewürze, Amber, Moschus!

Wie geht Ihr Prozess weiter, nachdem Sie das Briefing erhalten haben?

Ich bekomme vorgegeben, wie die Stimmung des Dufts sein soll. Ist er kalt, warm oder kontrastreich? Ansonsten bin ich fast völlig frei. Ich habe Synästhesie und sehe den Duft, bevor ich überhaupt mit der Formel beginne. Ich habe das Ergebnis also vor Augen, danach greife ich auf Erinnerungen und Erfahrungen zurück, um etwas Neues zu schaffen – wie den Geruch einer Sternschnuppe. Dieses Mal hatte Aesop mich allerdings mit der Ansage überrascht, dass sie einen Amber-Duft wollten. Amber ist ein sehr klassischer, süßer Akkord – eigentlich nicht Teil von Aesops olfaktorischer DNA. Ich musste einen Duft erschaffen, der die Werte der Marke nicht verrät. Dafür habe ich einen klassischen Akkord namens „Amber 83“ (Anm. d. Red.: Eine Duftkomposition, die es schon seit dem Anfang des 20. Jahrhunderts gibt) in seine Einzelteile zerlegt. Ich habe alle süßen, pudrigen Elemente entfernt und ließ ein Gerüst aus Harzen und Hölzern stehen. Dann habe ich die minimale Schwelle an Süße gesucht, die nötig war, damit der Duft noch als Amber gilt. Ich habe alles Überflüssige entfernt. „Above Us, Steorra“ ist ein dekonstruiertes Amber, befreit von Süße und Pudrigkeit.

Bei Kardamom und Vanille denkt man allerdings instinktiv eher an Opulenz als an Reduktion.

Ja, wahrscheinlich ist es Aesops opulentester Duft geworden – aber es ist eine minimalistische, elegante Opulenz. Kein traditioneller Amber-Duft, sondern eine Rebellion gegen das Bekannte. Ich habe die Codes neu gebogen, um sie Aesop-kompatibel zu machen.

Sie wurden in Grasse geboren, dem Herzen der Parfümerie. Wie hat das Ihren Weg geprägt?

In Grasse wurden Parfümeure wie Filmstars behandelt, und es war eine eigene Welt und ein Beruf, der nicht selten vom Vater an den Sohn weitergegeben wurde. Ich war schon als Kind fasziniert von Parfümwerbung, habe aber zuerst Wirtschaft studiert und dann Praktika bei Chanel, Dior und letztlich dem IFF (International Flavors & Fragrances) gemacht – dort entdeckte ich die kreative Seite der Parfümerie. Als das IFF eine Parfümschule in Italien eröffnete, witterte ich meine Chance. Ich habe mich zwei Jahre lang auf die Aufnahmeprüfung vorbereitet und jeden Abend nach der Arbeit geübt. Und wurde aufgenommen.

Sie haben Düfte für Loewe komponiert, aber auch Celebrity-Parfüms für Shawn Mendes oder David Beckham entwickelt. Wie ist es, ein Promi-Parfüm zu kreieren?

Es ist das komplette Gegenteil von der Arbeit mit einer Marke wie Aesop. Ein Celebrity-Duft zielt darauf ab, ein möglichst breites Publikum zu erreichen. Prominente sind selten Duftexperten – manche der größten Stars tragen Düfte, die Sie sehr überraschen würden (lacht). Meist arbeitet man daher auf ein sogenanntes „Best Tester“-Ergebnis hin – also auf einen Duft, der für einen bestimmten Markt oder eine Zielgruppe optimiert ist. Es ist selten, dass man etwas Originelles oder Gewagtes versucht. Außerdem haben Prominente oft eine große Entourage mit eigener Meinung – am Ende einigt man sich auf einen Kompromiss. Jemand mit einer starken, mutigen Vision ist selten dabei.

Aesop ist doch auch eine große Marke. Muss der Duft nicht ebenfalls vielen gefallen?

Natürlich – aber Aesop hat eine starke Persönlichkeit. Die Marke weckt Emotionen durch intellektuelle und ästhetische Werte. Sie begann als elitäre Nischenmarke – nicht für jeden gedacht. Prominente können es sich nicht unbedingt leisten, Trendsetter zu sein, wenn sie damit Menschen verschrecken könnten. Ein Celebrity-Duft muss massenkompatibel sein. Das ist schwierig – Deutsche und Amerikaner haben zum Beispiel völlig unterschiedliche Duftvorlieben! Amerikaner wollen frisch und sauber riechen, wie gerade aus der Dusche gestiegen. Die Deutschen mögen cremige, kontrastreiche, umhüllende Düfte.

Auf welche Düfte könnten Sie selbst nicht verzichten?

Ich liebe, wie es riecht, nachdem es auf dem Land geregnet hat, dann ist alles ganz satt und frisch. Ich mag auch den Duft von Feigenbäumen, Rosmarin, Basilikum, Kiefer und geschnittenem Gras. Den Geruch des salzigen Mittelmeers. Und natürlich den Duft eines geliebten Menschen.

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