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Neue TV-Doku über Fußball-Nationalmannschaft: Wohlfühlstimmung statt Graugänse – Sport | ABC-Z

Erwartungsvoll sahen die Münchner Premierengäste ihrem Kinoerlebnis entgegen, da betrat zum kurzen Vorstellungsgespräch einer der Hauptdarsteller die Bühne vor der Leinwand – und hatte nichts Besseres zu tun, als den bösen Schluss des Films zu verraten. Joshua Kimmich hat zwar nicht ausgeplaudert, dass der Platzwart der Mörder sein werde, doch es genügte, dass er unsensibel das Unhappy End des EM-Ausscheidens vorwegnahm.

Und indem er den Ausgang der Erzählung bekannt machte – „wir scheiden aus“ –, hatte er die Wahrheit benannt, die im Kinopublikum keiner hören wollte. Ja, kann denn nicht wenigstens der Film ein gerechtes Ende nehmen, wenn schon die Wirklichkeit so viel Unglück bringt? Kann nicht wenigstens auf der Leinwand des Münchner Arri-Theaters Cucurella für sein schändliches Handspiel bestraft werden und die deutsche Nationalelf per Elfmetertor ins Halbfinale einziehen?

„90 schöne Wohlfühlminuten“ – so lautet die programmatische Inhaltsangabe des Regisseurs Tom Häussler für seinen Film „Unser Team“, der am Samstagabend auf RTL zu sehen ist. Er zeigt den Weg der Nationalmannschaft durch die Europameisterschaft, von den Anfängen im Trainingslager in Thüringen bis zum bitteren Abschied vom Turnierquartier in Herzogenaurach. Die Trauer der Beteiligten am Ende der Erzählung will zwar zur Wohlfühlinszenierung nicht passen, das Bemühen des Regisseurs und der Autoren ging jedoch nicht so weit, dass sie die wahre Geschichte umgeschrieben haben. Ohnehin ist die tränenreiche Nacht nach dem 1:2 gegen Spanien eine erstklassige dramaturgische Vorlage. Die Bilder von den fassungslos leeren Gesichtern der Spieler und die gedämpften Originaltöne vom fränkischen Schauplatz gehören zu den interessantesten Elementen des Films.

Zur Münchner Vorführung am Donnerstagabend erschien außer Teamkapitän Kimmich und Bundestrainer Julian Nagelsmann eine dritte tragende Figur des Films, die nicht unbedingt auf der Besetzungsliste zu erwarten war. Anton Schmaus, von den Nationalspielern während der sechs Wochen währenden EM-Reise „Schmausi“ gerufen, tat sich beim Turnier nicht nur als Koch hervor, sondern auch als Kabinenredner vor dem Spiel gegen Spanien. Eine verblüffende und witzige Passage. Dass Nagelsmann den Küchenchef mit der Motivationsansprache vor diesem großen Match beauftragte, das ist ein aufschlussreiches Detail zur Arbeit des Trainers und eine echte Enthüllung – allerdings so ziemlich die einzige, die der Film zu bieten hat. Wie Nagelsmann im Alltagsbetrieb vorgeht, wie er zum Team und zu den einzelnen Akteuren spricht, das wird ansonsten nur in ausgesuchten Momenten mit geringem Tiefgang illustriert.

Antonio Rüdiger hat Angst vor Haustieren, Manuel Neuer macht Seniorengymnastik

Nach dem Desaster mit der Dokumentation „All or Nothing“ zur WM in Katar 2022, die den Bundestrainer Hansi Flick in einzelnen Szenen so gnadenlos wahrheitsgemäß abbildete, dass sie ihn bloßstellte, hat der DFB diesmal darauf geachtet, dass die genehmen Eindrücke entstehen. Bei der Katar-WM hatte der Verband, von Geldnot geplagt, seine Einspruchsrechte an Amazon verkauft, jetzt machte er seinen Einfluss geltend. Das Ergebnis ist ein Film, der die Spieler von ihrer liebenswerten Seite zeigt und das Camp als Großfamilien-WG beschreibt, aber hier musste wohl auch keine Zensur geübt werden. Dass diese Mannschaft anders als ihr Vorgänger bei der WM 2022 ein intaktes Innenleben hatte, das konnte jeder spüren, der ihren Sommer verfolgt hat.

Nun gibt es die passenden Bilder dazu, die manches erklären und die Spieler persönlich näherbringen: Einem Mann, der so viel gute Laune verbreitet wie David Raum, verzeiht man nun gern technische Schwächen bei der Ballannahme. Robert Andrichs Coolness gleicht allemal aus, was er mit dem ständigen Wechsel der Frisuren anrichtet. Antonio Rüdiger hat Angst vor Haustieren, Manuel Neuer macht selbstironische Scherze über seine Seniorengymnastik, Niclas Füllkrug hat auch intern so viel Schlaues mitzuteilen wie er es extern tut – an solchen beiläufig dokumentierten Vorgängen kann man seine bescheidene Freude finden.

Andererseits trägt der Film nicht umsonst den Namen „Unser Team“. Über den journalistischen geschweige denn künstlerischen Ansatz ist mit dem Titel schon fast alles gesagt, er setzt die Richtlinie. Es ist eine gute Idee, die Wirkung der deutschen Spiele ins Land zu untersuchen und exemplarisch zu beleuchten, wie im Frauenknast, im Kranken- und im Konzerthaus Länderspiele geguckt werden. Aber am Ende erschöpft einen die Redundanz der Bekenntnisse zur deutschen Identität, das Reden über die Einheit von Volk und Fußballern und das ständige Schwelgen in Emotionen. Ein paar Wohlfühlminuten weniger und stattdessen zusätzliche Zeit für den sportlichen und geistigen Diskurs, das hätte der Sache entschieden gutgetan.

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