Neue Kniearthrose-Leitlinie 2025: So bleiben Sie länger mobil und schmerzfrei | ABC-Z

Millionen Deutsche leiden unter Kniearthrose – jetzt geben neue Leitlinien Hoffnung! Was steckt hinter dem Paradigmenwechsel? Welche Therapien helfen wirklich, was wird überholt? Und: Warum innovative Methoden wie Stammzelltherapie noch fehlen.
Gonarthrose – eine Volkskrankheit auf dem Vormarsch
Kniearthrose betrifft heute über 5 Millionen Deutsche, Tendenz steigend. Besonders Menschen über 60 trifft es: Fast jede zweite Frau und ein Drittel der Männer in dieser Altersgruppe leiden an Knieschmerzen, Bewegungseinschränkungen und damit oft an verlorener Lebensqualität. Jährlich müssen bundesweit mehr als 190.000 künstliche Knie eingesetzt werden – Tendenz steigend. Umso wichtiger sind klare Empfehlungen zur Vorbeugung und Behandlung.
Dr. Markus Klingenberg ist ein erfahrener Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie, spezialisiert auf arthroskopische Eingriffe und Fußchirurgie. Er leitet die Abteilung für Arthroskopie an der Beta Klinik in Bonn. Er ist Teil unseres EXPERTS Circle. Die Inhalte stellen seine persönliche Auffassung auf Basis seiner individuellen Expertise dar.
Neue Leitlinie Gonarthrose: Paradigmenwechsel für Patienten
Mit der S3-Leitlinie „Prävention und Therapie der Gonarthrose“ kommt 2025 ein grundlegender Wandel: Betroffene werden von reinen Behandlungsobjekten zu aktiven Gestaltern ihrer Gesundheit! Erstmals steht Ihre Eigenverantwortung im Fokus. Prävention, Beratung und Aufklärung haben einen neuen Stellenwert. Bewegung und Gewichtsmanagement sind Eckpfeiler der Therapie – und nicht länger Nebenschauplätze.
Bewegung – der neue Goldstandard
Die Leitlinie macht deutlich: Regelmäßige, individuell angepasste Bewegung ist das A und O! Sie hält nicht nur Muskeln und Gelenke fit, sondern bremst nachweislich das Fortschreiten der Krankheit. Die klare Empfehlung: Starten Sie mit physiotherapeutisch angeleitetem Training, das Sie später eigenständig fortführen – auch wenn’s zu Beginn knackig ist. Vorübergehende Schmerzen kann man dabei akzeptieren, denn sie nehmen mit der Belastbarkeit ab.
Aktiv werden – noch bevor Beschwerden auftreten!
Ein wichtiger Unterschied: Bewegungstherapie wird nun auch präventiv empfohlen und ist nicht erst sinnvoll, wenn die Arthrose schon voll ausgebrochen ist.
Gewicht runter – Knie entlasten
Jedes Kilo zu viel belastet Ihr Knie. Schon fünf Kilo weniger senken das Risiko messbar. Die Leitlinie empfiehlt gezieltes, alltagstaugliches Gewichtsmanagement – gemeinsam mit Ärzten und Ernährungsberatern.
Medikamente: Less is more
Die neuen Empfehlungen setzen auf Schmerzmittel zur äußerlichen Anwendung (topische NSAR) wie schmerzstillende Cremes als erste Wahl. Tabletten (orale NSAR) sollen möglichst kurz und vorsichtig eingesetzt werden. Paracetamol oder schwache Opioide empfiehlt die Leitlinie nur noch im Notfall. Von Glucosamin-Präparaten wird abgeraten – für die knorpelschützende Wirkung fehlt ein sicherer Nachweis.
Injektionen: Was ist sinnvoll?
Bei Spritzen ins Knie differenziert die neue Leitlinie: Für Hyaluronsäure bleibt die Beweislage unklar, für Kortison-Injektionen wird eine Einzelfallentscheidung empfohlen. Neu ist: PRP (plättchenreiches Plasma) kann für bestimmte Patienten infrage kommen, wenn andere Methoden nicht helfen.
OP nur im Notfall – und dann richtig!
Arthroskopien (Gelenkspiegelungen mit „Spülung“) werden bei gesicherter Kniearthrose klar nicht empfohlen. Auch für gelenkerhaltende Operationen gibt es strengere Kriterien. Wer ein künstliches Kniegelenk braucht, soll umfassend beraten werden – inklusive realistischer Erwartungsabklärung. Kliniken mit viel Erfahrung sind Pflicht: Je mehr OPs, desto bessere Ergebnisse, so die Leitlinie.
Physiotherapie – mehr als Massage
Physiotherapie ist jetzt endlich zentrale Therapie. Wichtig: Nicht bloß passive Maßnahmen, sondern gezielte Bewegung und Eigentraining! Manuelle Therapie ist laut Leitlinie allein nicht zu empfehlen, sondern nur als Ergänzung. Elektrotherapien (wie Ultraschall/TENS) helfen laut Studien zu wenig – sie werden nicht mehr empfohlen.
Nachhaltigkeit zählt
Ein Novum: Die Leitlinie sieht die Umwelt mit in der Verantwortung. Zum Beispiel sollen Diclofenac-Cremes nicht im Abfluss landen, da sie unsere Gewässer belasten.
Wichtige Neuerungen im Überblick:
- • Frühes aktives Training, auch ohne Beschwerden
- • Topische NSAR vor Tabletten
- • Arthroskopie nur in Ausnahmefällen
- • Volle Aufklärung und Risikomanagement vor HTE-OP
- • Zentralrolle der Eigenaktivität und Prävention
- • Nachhaltigkeit im Gesundheitswesen
Aber: Innovationen draußen
Als erfahrener Orthopäde und Sportmediziner muss ich kritisch anmerken: Trotz umfassender Modernisierung bleiben innovative Therapien wie Stammzellbehandlungen oder intraossäre Injektionen weiterhin außen vor. Dabei zeigen neuere Studien, dass z. B. die Stammzelltherapie (mit mesenchymalen Stammzellen) bei vielen Patienten zur Linderung führt, die ihr künstliches Knie noch hinauszögern wollen. Auch die intraossäre Therapie, wie sie bei speziellen Schmerzformen immer häufiger eingesetzt wird, hat in spezialisierten Zentren ihren Stellenwert bewiesen. Diese werden aber nicht empfohlen – es fehlt (noch) die breite wissenschaftliche Bestätigung.
Fazit: Hoffnung und Herausforderung
Die neue Leitlinie nimmt Betroffene endlich ernst, setzt auf Aktivität und Prävention statt auf passive „Behandlung“ und Chirurgie. Für Patienten heißt das: Trainieren, abnehmen, aktiv bleiben – das ist der Leitfaden für möglichst lange schmerzfreie Mobilität. Wer es trotzdem mit schweren Symptomen zu tun hat, sollte offen mit seinem Facharzt auch über innovative (noch nicht von allen Kassen erstattete) Therapien sprechen.
Für Millionen Menschen mit Kniearthrose bedeutet die neue Leitlinie: Mehr Eigeninitiative, mehr Wissen, mehr Zukunft!