Neue Jahresausstellung Fotoclub Grafing: Facettenreiches Seherlebnis – Ebersberg | ABC-Z

Fotos machen? Kann doch jeder – meint man. Macht auch jeder. Nur angeschaut werden sie nach dem Posten bei Instagram meist nicht mehr. Anders beim Fotoclub „Blende 85567“ aus Grafing. Zehn Jahre gibt es ihn nun und für die Jahresausstellung, die diesmal unter dem Motto „Licht und Schatten“ steht, durchforsten die Ausstellenden sehr genau ihre Archive oder produzieren gezielt neue Bilder. Gerne auch solche, die ihren Bezug zum Thema erst auf den zweiten Blick offenbaren. „Man darf den Leuten ruhig etwas zumuten“, sagt Ulrike Hohnheiser, die wie immer für die Hängung verantwortlich zeichnet und lacht. „Sonst können wir ja gleich Katzenbilder zeigen.“
Das aber sind es definitiv nicht – weder in Sachen technische Raffinesse noch, was das Sujet anbetrifft. Lediglich eine Handvoll tierische und menschliche Geschöpfe haben es unter die 58 höchst abwechslungsreichen Exponate geschafft, die von den 26 teilnehmenden Mitgliedern gemeinsam ausgewählt wurden.

Einige der Fotos sorgen instantan für Fernweh. So geht es mit Sigrid Bathke in „Different Direction of Vision“ nach Südindien, Franz Vielhuber lädt ein zum „Nachtfischen“ auf einen See in Burma, während Anna Singer mit dem an Caspar David Friedrich erinnernden „Am Abgrund“ aus dem bolivianischen Sol de Mañana auf 4850 Meter Höhe für Nervenkitzel sorgt. Lieber würde man da schon mit Andreas Seidl an den friedlichen „Canal du Midi“ fahren, sich der dramatischen schottischen Wetterlage aus Knut Bartschs „Could be Worse“ aussetzen oder mit Carsten Heinelt im „Monument Valley“ den überwältigenden Sonnenaufgang auf sich wirken lassen.

Dass es auch in Deutschland genügend sehenswerte Szenarien gibt, beweist Hubert Brunner. Fast mystisch ist die Stimmung, die er im „Morgenlicht“ auf dem Jüdischen Friedhof in Bayreuth eingefangen hat, wohin er vor einiger Zeit gezogen ist. Lebensfreude pur verbreiten die Breisacher Kinder in Bernhard Pietzners „Wasserfontänen im Gegenlicht“.

Mehr Geduld dürfte Hermann-Josef Olma für sein Bild von der Dohle „Auf Beobachtungsposten“ benötigt haben. Einfacher war es da sicher für Annelies Grasenack, die für „Haarig“ einer Küchenschelle besonders nahekam.

Ebenfalls unbewegt und überdies immer zur Hand waren die „Klammern“ von Cornelia Schmieg – für ihr zweites Hobby, das Nähen, hat sie solche immer parat. Gleiches dürfte für einen Alltagsgegenstand gelten wie die „Brille im Schatten“ von Rainer Hergenröther. Mit seinem „Auf dem Grün“ zeigt das älteste Mitglied des Vereins, das früher viel Golf gespielt hat, dass der Kontext mancher Aufnahmen sich erst durch den Schatten erschließen.

Andere wiederum bleiben rätselhaft – wie „Farbwechsel“ von Reiner Hulla, entstanden in einem begehbaren Zylinder. Oder sind Interpretationssache wie Ulrike Hohnheisers „Unheimliche Begegnung“ zwischen Mann und Frau unter einem Torbogen. Ganz genau hinschauen muss man auch bei Ciro Maddalunos „Die innere Kraft“, denn auf diesem Schachbrett ist manches anders, als es bei flüchtiger Betrachtung scheint.
Architektonische Strukturen liefern eindrucksvolle optische Effekte – wie in Alex Pelkas „Licht und Schatten im Hofgarten“ oder „Fenster“ von Anke Heinrich, seit Februar zweiter Vorsitzender des Vereins. Kirchenmusiker Stefan Krischke wiederum hat sich auf der „Baustelle Basilika Weingarten“ umgesehen, während sich Franz Hohnheiser – ohne Stativ! – in die „Krypta von San Paragorio“ begab.

Manche Aufnahmen sind bei geführten Exkursionen entstanden oder beim „Abendspaziergang“, wie das gleichnamige Bild von Barbara Seidl. Andere, wie „Grüne Borstenhirse“ von Johannes Schmieg, wurden sorgsam komponiert und in Szene gesetzt. Wo hier die Schönheit von Unkraut zur Geltung kommt, wird es dort kurios: Dank Langzeitbelichtung scheint in Jürgen Gramitzkys „Der Schatten im Dunkeln“ ein einsamer Geisterfuß die Zisterne in Kopenhagen erkunden zu wollen. Völlig unerwartet kommt auch die Hand des Mannes in Stefan Pionteks „Geschichtsunterricht“, die dem „nicht perfekten perfekten Bild“ das besondere Etwas verleiht.

Geschichten hinter den Fotos gibt es viele – gerne erzählen die Vereinsmitglieder davon. Manchmal geht es um das Motiv; so stammt das „Kristallglas“ von Marion Wolf-Kipfelsberger aus der urgroßelterlichen Brauerei Koepff in Weingarten. Oder die komplette Arbeitsweise hat einen besonderen Hintergrund. Student Niclas Wisbrun etwa hat eine Kamera von seinem Opa geerbt und fotografiert rein analog, teilweise mit längst abgelaufenen Filmen. Welche Farben dadurch entstehen, sieht man bei „Verlassen“, dem Blick in einen leer stehenden Laden.
Von der besonderen Verbundenheit zwischen den Mitgliedern des Fotoclubs und anderen örtlichen Vereinen zeugt schließlich „Großer Reifen“ von Theresia Lohmeyer. Dass es sich dabei um ein Mitglied von Movimento handelt, ist jedem klar, der aus der Gegend stammt.

Vielleicht findet ja auch das unbenannte Mädchen den Weg in die Ausstellung, zu der auch die AV-Schauen (Dauer insgesamt: etwa 20 Minuten) im Rückgebäude gehören – inklusive einem von Johannes Schmieg erstellten Zusammenschnitt aus den „Bildern des Monats“. Mehr davon – und vom Clubleben gibt es auf der Website.
Wer dabei Lust bekommt, selbst mitzumachen, muss aktuell leider auf die Warteliste. „Wir hatten zahlreiche Zugänge in den vergangenen zwei Jahren, auch junge Leute“, erklärt Piontek. Der kontinuierliche Strom an Anfragen sei „ein Zeichen dafür, wie der Club nach außen strahlt und das in Zeiten, da die meisten Vereine über Nachwuchssorgen klagen.“ Um alle angemessen ausstellen zu können, sei aber bei jetzt 36 Mitgliedern zwischen 20 und 80 Jahren Schluss. Andererseits ist Fluktuation nie ausgeschlossen. Bis wieder ein Platz frei wird, kann man ja weiter Handyfotos machen.
„Licht und Schatten“: Ausstellung des Fotoclubs „Blende 85567“ . Vernissage am Donnerstag, 6. März, um 19.30 Uhr. Zu sehen ist die Ausstellung bis zum 6. April während der regulären Öffnung und zudem Samstag, 8. März, sowie Samstag, 15. März, jeweils von 14 bis 18 Uhr; Sonntag, 9. März, und Sonntag, 16. März, jeweils von 12 bis 18 Uhr. Zu Sonderöffnungszeiten: Kaffee, Kuchen und eine AV-Schau. Der Eintritt ist frei. Museum der Stadt Grafing, Bahnhofstraße 10, Grafing.