Neue Form des Magnetismus – Revolutioniert das die Elektronik? | ABC-Z
Berlin. Altermagnete vereinen das Beste aus zwei Welten und könnten Türen öffnen zu völlig neuen Technologien.
Eine Entdeckung in der Welt der Physik könnte das Verständnis von Magnetismus revolutionieren. Jahrtausende lang kannte die Menschheit nur zwei Formen des Magnetismus: Ferromagnetismus und Antiferromagnetismus. Doch bereits 2020 machte ein Team um den Festkörperphysiker Libor Šmejkal von der Johannes Gutenberg-Universität Mainz eine erstaunliche Entdeckung: den Altermagnetismus. Diese neue Art von Magnetismus vereint Eigenschaften von beiden bisher bekannten Formen und könnte die Grundlage für revolutionäre Technologien bilden.
Diese Materialien, die lange Zeit übersehen wurden, zeigen ein unerwartetes Verhalten von Elektronen, das die Grenzen des bisher Bekannten sprengt. Forscher haben im vergangenen Jahr unabhängig voneinander den experimentellen Nachweis für die Existenz von Altermagneten erbracht, was nicht nur die Grundlagen der Physik herausfordert, sondern auch das Potenzial hat, in der Praxis überaus nützlich zu sein. Die Entdeckung dieser „dritten Form“ des Magnetismus könnte einen Paradigmenwechsel in der Materialwissenschaft und Technologie einleiten.
Revolution im Magnetismus: Altermagnete vereinen viele Eigenschaften
Diese neue Kategorie weist eine faszinierende Kombination von Eigenschaften auf. „Altermagnete verbinden quasi die Eigenschaften von Ferromagneten und Antiferromagneten“, erklärte Hans-Joachim Elmers, Festkörperphysiker an der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz, im vergangenen Jahr gegenüber dem Magazin „Spektrum der Wissenschaft“.
Altermagnete erzeugen wie Antiferromagnete kein äußeres Magnetfeld, besitzen jedoch Merkmale von Ferromagneten. Šmejkal und sein Team machten ihre Entdeckung durch ein spezielles Experiment, das Hall-Experiment genannt wird. Dabei wird untersucht, wie ein Magnetfeld den Stromfluss in einem Leiter beeinflusst. Normalerweise lenkt eine Kraft, die Lorentzkraft, den Strom in einem Magnetfeld ab. Das ist seit dem 19. Jahrhundert bekannt.
Edwin Hall fand jedoch heraus, dass diese Ablenkung auch ohne äußeres Magnetfeld auftreten kann, wenn der Leiter selbst magnetisch ist. Dieses unerwartete Verhalten wird „anomaler Hall-Effekt“ genannt. Šmejkals Team beobachtete diesen Effekt in einem Material, das eigentlich nicht magnetisch sein sollte. Das war der erste Hinweis auf die Existenz von Altermagneten.
Diese überraschende Entdeckung revolutioniert die Magnetforschung
2020 machte Šmejkals Team die Entdeckung: Sie beobachteten den anomalen Hall-Effekt in Rutheniumoxid, einem Material, das man bisher für antiferromagnetisch hielt. „Das war sehr überraschend, schließlich ging man bis dahin davon aus, dass der Hall-Effekt durch diese gegensätzlichen magnetischen Momente kompensiert wird“, erklärte Šmejkal. Diese Beobachtung deutete darauf hin, dass einige Materialien, die man bisher als Antiferromagnete eingestuft hatte, tatsächlich eine neue Form des Magnetismus aufweisen könnten – den Altermagnetismus.
In den darauffolgenden Jahren erkannten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, dass viele vermeintliche Antiferromagnete in Wirklichkeit altermagnetisch sein könnten. Der Physiker Igor Mazin fasste die Erkenntnisse so zusammen: „Fachleute erkannten, dass Altermagnete zwar einige ihrer Schlüsseleigenschaften mit Antiferromagneten teilen, dass sie aber noch mehr mit Ferromagneten gemeinsam haben.“ Altermagnete zeigen nicht nur den anomalen Hall-Effekt, sondern auch andere elektronische Eigenschaften, die typisch für Ferromagnete sind. Interessanterweise sind ihre atomaren Spins jedoch wie bei Antiferromagneten in entgegengesetzte Richtungen ausgerichtet.
Altermagnete weisen eine einzigartige Ordnung auf, die sie von Antiferromagneten unterscheidet. In Altermagneten haben Elektronen, die sich in die gleiche Richtung bewegen, auch den gleichen Spin. „Dieses Ordnungsphänomen hat nichts mit der räumlichen Ordnung zu tun – also mit dem Aufenthaltsort der Elektronen –, sondern nur mit den Richtungen der Elektronengeschwindigkeiten“, erklärt Elmers. Diese besondere Eigenschaft verleiht Altermagneten Merkmale, die man sonst nur von Ferromagneten kennt.
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Altermagnetismus bestätigt: Drei Forscherteams revolutionieren Magnetphysik
Drei Forschergruppen konnten die Existenz von Altermagneten experimentell nachweisen:
- Elmers‘ Team untersuchte am Deutschen Elektronen-Synchrotron in Hamburg eine dünne Schicht Rutheniumdioxid. Sie bestrahlten das Material mit Röntgenlicht, um Elektronen herauszulösen und deren Geschwindigkeit und Spin zu messen. Die Ergebnisse, veröffentlicht am 31. Januar 2024 in „Science Advances“, bestätigten die altermagnetischen Eigenschaften von Rutheniumdioxid.
- Zwei weitere Gruppen, geleitet von Tomas Jungwirth und Chang Liu, untersuchten Mangantellurid und Manganditellurid. Mit Hilfe der winkelauflösenden Fotoelektronenspektroskopie konnten sie altermagnetische Eigenschaften in diesen Materialien nachweisen. Ihre Ergebnisse erschienen am 14. Februar 2024 in „Nature“.
Die Physikerin Carmine Autieri kommentierte: „Die beiden Gruppen haben unterschiedliche experimentelle Ansätze und Analysemethoden verwendet und konnten Aufschluss über die komplexen magnetischen Strukturen dieser Materialien geben.“
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Die Schlüsseltechnologie für schnellere Elektronik?
Der neu entdeckte Altermagnetismus könnte viele neue technische Möglichkeiten eröffnen. Besonders in der Spintronik, einer Technologie, die Informationen durch die Ausrichtung von Teilchen überträgt, könnten Altermagnete sehr nützlich sein.
Autieri erklärt einen wichtigen Vorteil: „Ferromagnete können magnetische Streufelder induzieren, die die Leistung des Materials beeinträchtigen, aber diese Felder treten bei Antiferromagneten nicht auf.“ Altermagnete bieten somit die Vorteile von Ferromagneten, ohne deren störende Magnetfelder zu erzeugen.
Ein weiterer Pluspunkt ist, dass Altermagnete möglicherweise schnellere elektronische Bauteile ermöglichen könnten. Autieri ist überzeugt: „Diese neu entstehenden Konzepte werden vermutlich bald integraler Bestandteil von Physiklehrbüchern sein.“
lkg