Nemec und Wachtveitl: So feiern die Tatort-Stars Weihnachten | ABC-Z

Die sozialkritische Erzählung über den alten Geizhals Ebenezer Scrooge, der am Vorabend des Weihnachtsfests von vier Geistern heimgesucht wird und durch sie seine Menschlichkeit wiederentdeckt, ist ein Klassiker. Der Regisseur Martin Mühleis hat aus “A Christmas Carol” von Charles Dickens mit dem Komponisten Libor Šíma ein musikalisches Bühnenmärchen geschaffen. Miroslav Nemec und Udo Wachtveitl bringen diese Weihnachtsgeschichte mit dem Sagas Streichquintett an den Feiertagen auf das Podium der Isarphilharmonie.
AZ: Herr Nemec, Herr Wachtveitl, was zieht Sie nach England? Wenn ich mich nicht täusche, haben Sie da auch schon mal ermittelt.
MIROSLAV NEMEC: Ja, im “Tatort: Mord unter Misteln” an Weihnachten 2022. Mit “A Christmas Carol” sind wir im London des 19. Jahrhunderts, seit fast neun Jahren immer zur Weihnachtszeit. Mittlerweile sind fast 100 Vorstellungen zusammengekommen, im Prinzregententheater, in der Isarphilharmonie, in Berlin, Hamburg, Zürich, Wien und vielen anderen Orten.
UDO WACHTVEITL: Der Regisseur Martin Mühleis hat das für uns gefunden, erfunden und bearbeitet. Libor Šíma hat die Musik geschrieben – und Birte Horst hat die besondere Lichtinszenierung entwickelt.
Was ist denn auf der Bühne außer zwei Stühlen?
WACHTVEITL: Wir (lacht). Und wir stehen, spielen und tanzen sogar einmal. Außerdem fünf wunderbare Musikerinnen. Stühle gibt’s keine. Die Geschichte beginnt im Kontor mit Scrooge und seinem Mitarbeiter Bob Cratchit an zwei Stehpulten. Das ist praktisch der Ausgangspunkt für die ganze Erzählung und den Besuch der Geister.
Was machen dabei die Musiker?
NEMEC: Das sind Musikerinnen, fünf hervorragende Streicherinnen, die als Engel auf der Bühne sitzen und die Geister dabei unterstützen, Scrooge zu einem guten Menschen zu machen.
Normalerweise nehmen Sie böse Menschen einfach fest.
WACHTVEITL: Da haben Sie völlig recht. Aber wir sind ja nicht in die Schauspielerei gegangen, um 35 Jahre nur zu fragen: “Wo waren Sie Dienstagnacht?”
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Das verstehe ich. Was ist denn die schauspielerische Herausforderung an dieser Weihnachtsgeschichte?
WACHTVEITL: Dass wir zwischen so vielen verschiedenen Figuren hin- und herwechseln – unterstützt von der Musik und verschiedenen Lichtstimmungen.
NEMEC: Bei Scrooge ist es natürlich die Entwicklung und sind es seine verschiedenen Erfahrungsebenen, die er mit den Geistern durchläuft – vom bärbeißigen Geizhals, zum ängstlichen Gastgeber seiner nächtlichen Besucher, vom peinlich Berührten bis hin zum frohen Geläuterten. Ein Riesenspaß.
WACHTVEITL: Der Reiz ist die Bandbreite. Einer der Geister ist ein alter Geschäftsfreund, dann gibt es Scrooge’s fröhlichen Neffen und viele andere mehr. Darunter eine junge Frau, mit deren Geschichte erzählt wird, dass Scrooges Leben auch hätte anders verlaufen können, wenn sie ihn nicht verlassen hätte, weil er kaltherzig und egoistisch geworden war. In diesen Figuren kann man schauspielerisch relativ viel Zunder geben.

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Kostüme gibt es nicht?
NEMEC: Wir tragen sozusagen ein Universalkostüm, das den Zuschauer ins 19. Jahrhundert versetzt. Für alles andere sorgen unsere Stimmen, die Atmosphäre des Texts und die Musik.
Ist die Größe der Isarphilharmonie ein Problem für Sie als Schauspieler?
WACHTVEITL: Wir waren mit Dickens auch schon in der noch größeren Alten Oper in Frankfurt. Das ist vor allem eine Frage, wie man sich auf den Raum einstellt. Ich möchte auch noch den Zuschauer in der letzten Reihe persönlich ansprechen.
“Die Familie ist für mich eigentlich der Kern von Weihnachten”
Sie werden aber verstärkt?
NEMEC: Anders geht es nicht. Die moderne Technik erlaubt uns feinere Modulation zwischen Piano und Forte, besonders in großen Konzertsälen.
Mir geht Weihnachten eher auf die Nerven. Wie sieht das bei Ihnen aus?
WACHTVEITL: Ich bin aus Weihnachten ausgetreten. Aber ich kriege natürlich die jahreszeitliche Stimmung mit. Stille, Licht, Besinnlichkeit, das berührt mich auch. Aber mit diesem ganzen Rummel habe ich nicht viel am Hut.

© picture alliance/dpa/Bavaria Fiction GmbH/BR
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Wie feiert man Weihnachten in Kroatien, Herr Nemec?
NEMEC: Im sozialistischen Jugoslawien gab es offiziell kein Weihnachten. Es gab ja auch keinen Gott, sondern nur die Partei. Die Leute sind aber trotzdem in die Mitternachtsmette gegangen. Meine Tante war in der Partei. Deshalb konnte sie eigentlich nicht zur Kirche gehen. Der Rest der Familie war natürlich da, obwohl wir im Jahresverlauf keine regelmäßigen Kirchgänger waren.
WACHTVEITL: Aber es war jetzt nicht gerade Dissidententum, in die Mette zu gehen?
NEMEC: Meine Tante wäre, wenn sie in der Kirche gesehen worden wäre, vermutlich von der Partei verwarnt worden. Mehr nicht. So streng war das damals in Jugoslawien nicht. Es gab vermutlich auch nicht so viele Spitzel wie in der DDR (lacht).
WACHTVEITL: Hat die Tante dann heimlich zu Hause Weihnachtslieder gesungen?
NEMEC: Das haben wir alle. In Deutschland habe ich wegen meiner Töchter einen Tannenbaum. Ich versuche, das Fest möglichst nicht materiell anzugehen, sondern als Familienfest, bei dem man gemeinsame Lebenszeit verbringt. Die Familie ist für mich eigentlich der Kern von Weihnachten.
Und was machen Sie als Weihnachtsmuffel, Herr Wachtveitl?
WACHTVEITL: Ich bin mit meiner Mutter, die jetzt im 90. Lebensjahr steht, bei der Familie meines Patensohnes. Wir essen zusammen. Meine Mutter lässt sich auch nicht davon abhalten, Geschenke zu machen, obwohl da vor Jahrzehnten mal ein Waffenstillstandsabkommen geschlossen wurde, an das sie sich nicht hält, weil sie das Auspacken liebt.

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Essen Sie an Weihnachten kroatisch, Herr Nemec?
NEMEC: Wir sind zu deutschen Traditionen übergegangen. Es gibt Raclette, weil da alle am Tisch sitzen können und niemand ständig in die Küche muss, während man(n) isst und redet.
Jetzt sitzen wir hier im Tal bei englischem Tee. Haben Sie eine Affinität zu Großbritannien?
NEMEC: Ich habe ein Faible für englische Autos, früher bin ich TVR und Jaguar gefahren.
WACHTVEITL: Ich hatte mal einen Triumph, aber den konnte ich im Gegensatz zu dir selbst reparieren, wenn er Probleme mit der Elektrik hatte (lacht).
NEMEC: Und ich habe mal in England gedreht. Das Essen in Exeter war damals aber nicht nach meinem Geschmack.
WACHTVEITL: Das kann ich für mich so nicht bestätigen. In London kann man sehr gut essen.
NEMEC: Auch das englische Frühstück nehme ich von meiner Kritik aus (lacht).

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Sind “Tatort”-Fragen erlaubt? Oder gehen Ihnen die auf die Nerven?
NEMEC: Am 26. Dezember wird Folge 98 ausgestrahlt. Nr. 99 und 100 werden im Frühjahr gesendet.
WACHTVEITL: Die sind ein guter Ausstieg geworden, weil vieles von dem, was uns ausgemacht hat, wieder zum Tragen kommt. Auch einige Figuren, die uns begleitet haben, tauchen wieder auf.
NEMEC: Auch privat tauchen wir auf. Aber mehr verraten wir nicht.
“Der Tatort war immer nur ein Teil unseres Lebens”
Als Polizeibeamter geht man in Pension, als Schauspieler eher nicht.
WACHTVEITL: Viele Leute denken ja, man ist “Tatort”-Kommissar, so wie man Trambahnfahrer oder Handchirurg ist. Und dann kommt der Tag, an dem man aufhört. Die “Tatorte” haben uns drei bis vier Monate im Jahr beschäftigt. Also waren wir acht Monate im Jahr “Tatort”-frei. Da haben wir andere Sachen gedreht oder hatten Bühnenauftritte. Insofern ist der Schnitt gar nicht so groß.
NEMEC: Der “Tatort” war immer nur ein Teil unseres Lebens, auch wenn uns die Leute natürlich in erster Linie als Münchner Kommissare kennen. Uns ist natürlich schon bewusst, dass das durchaus von Vorteil für uns ist, weil man uns kennt und sich dadurch auch andere Angebote bieten.

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Habe ich eine wichtige Frage vergessen?
WACHTVEITL: Die Frage: Wie leben Sie gerade?
Und?
WACHTVEITL: Ich habe heute mit viel Freude eine elektronische Zündung in mein Motorrad eingebaut.
NEMEC: Bei mir ist heute ein Hochleistungsreiniger gekommen. Ich habe ihn vor einem Jahr an Weihnachten als Geschenk bekommen und ihn nach Kroatien mitgenommen. Aber er hat nicht funktioniert und musste umgetauscht werden. Heute kam er endlich. Was soll ich bei dem Wetter mit dem Hochdruckreiniger machen?
WACHTVEITL: Gestern waren wir verabredet, um Vorabexemplare eines Buchs über Batic und Leitmayr zu signieren. Aber die Bücher kamen nicht. Dann haben wir halt Autogrammkarten unterschrieben.
NEMEC: (lacht) So hat man immer zu tun. Zu Weihnachten ist das Buch aber verbindlich in den Läden!
Isarphilharmonie, 25. 12., 19 Uhr, 26. 12., 15 und 19 Uhr, Restkarten bei Münchenticket und Telefon 93 60 93. Der “Tatort: Das Verlangen” am 26. 12. um 20.15 Uhr in der ARD, das “Buch Nemec & Wachtveitl: Das Münchner Kult-Duo” von Stefanie Thyssen bei Gmeiner (192 S., 28 Euro)





















