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Nato-Gipfel in Den Haag: Auf der Schleimspur Richtung 5 Prozent | ABC-Z

Den Haag taz | Nato-Generalsekretär Mark Rutte hat es geschafft. Sein erster Gipfel als Chef des Bündnisses endet mit einem Erfolg: Die Mitgliedsstaaten einigten sich in Den Haag auf eine historische Erhöhung der Verteidigungsausgaben. Bis 2035 sollen diese auf fünf Prozent der Wirtschaftsleistung jedes Landes steigen – mehr als das Doppelte des bisherigen Zwei-Prozent-Ziels. Dabei sollen, wie vorab bereits angekündigt, 3,5 Prozent für klassische Militärausgaben und 1,5 Prozent für weitere kriegsrelevante Investitionen zur Verfügung gestellt werden.

In ihrer Abschlusserklärung bekräftigten die 32 Mitgliedsstaaten ihre Treue zur „stärksten Allianz in der Geschichte und dem transantlantischen Bund“. Doch bis zuletzt herrschte große Unsicherheiten darüber, wie stark das Bündnis wirklich ist.

Das Ergebnis zeigt, dass Rutte die Mitglieder an einen Tisch vereinen konnte. Dafür nutzte er seine zwei bekannten Gesichter: das für die ernsten Anlässe, angesichts derer er die Menschen zum Zusammenhalt aufruft, und das des jovialen, scherzenden „Jedermanns Freund“. Wenige Spit­zen­po­li­ke­r*in­nen sind so zugänglich wie er, seine Persönlichkeit ist einnehmend, Allüren sind ihm fremd.

„Menschen verbinden ist seine Stärke“, bilanzierte ein Kommentator des niederländischen TV-Senders NOS am zweiten Gipfel-Tag, kurz bevor Rutte die offizielle Besprechung der Re­gie­rungs­che­f*in­nen eröffnete.

Trump veröffentlicht unterwürfige SMS von Rutte

Wie gut Rutte seine Aufgabe bisher meistert, zeigte sich an seinem Umgang mit US-Präsident Trump. Es galt, ihn bis zum Ende des Gipfels in Den Haag zu halten.

Tatsächlich gelang es Rutte, Trump zu umgarnen. Bei einem gemeinsamen Auftritt mit dem US-Präsidenten betonte er die Einheit der nord­amerikanischen und europäischen Nato-Partner. Trump lobte daraufhin: „Mark und ich hatten von Anfang an ein großartiges Verhältnis.“ Das klang, zumindest für den Moment, anders als die Panik, die Europa zu Jahresbeginn erfasst hatte.

Dabei zeigte sich Rutte gegenüber „Mister President, Dear Donald“ bisweilen auffallend unterwürfig. Das offenbarte eine von Trump veröffentlichte SMS, in der Rutte ihm überschwänglich dankte. Trump habe die Europäer dazu gebracht, erst die alte Zwei-Prozent-Norm zu erfüllen und nun die neuen Ziele von 3,5 beziehungsweise 5 Prozent zu akzeptieren.

Als Trump bei dem gemeinsamen Auftritt in schnoddriger Beiläufigkeit gegen seinen Vorgänger Joe Biden und die Medien New York Times und CNN austeilte, wirkte Rutte sichtlich unwohl, doch er lachte auch dies weg. Dieser Moment verdeutlichte, dass höhere Verteidigungsausgaben allein die Konflikte und Herausforderungen der transatlantischen Beziehungen nicht lösen können.

Zudem muss sich erst noch zeigen, wie sich diese Erhöhung in der Praxis durchführen lässt. Beginnen werden die Diskussionen darüber in den Mitgliedsstaaten mit den Haushaltsplänen für 2026, die spätestens in der zweiten Jahreshälfte aufgestellt werden.

Spanien und Belgien gegen die 5 Prozent

Der spanische Premier Pedro Sánchez blieb unerwartet ruhig. Vor dem Gipfel äußerte er sich kritisch über die geplante Fünf-Prozent-Marke. Dass die Erklärung nun von „Alliierten“ spricht, die sich zu höheren Ausgaben verpflichten, und nicht mehr von „wir“, dürfte ihm helfen, Spanien aus der Pflicht zu nehmen. Sánchez betonte selbst, dass er sein Land nicht in der Vorreiterrolle der Nato sehe. Er werde versuchen, auch mit 2 Prozent des Brutto­inlandsproduktes die Vorgaben der Nato für die Aufrüstung zu erfüllen. Dies sei machbar. Das spanische Militär habe ihm versichert, dass es diesen Anforderungen mit 2 Prozent des BIP gerecht werden könne.

Auch Belgien, wo das Nato-Hauptquartier gelegen ist, wird sich äußerst schwer tun. Premier Bart De Wever erklärte in Den Haag, dass „5 Prozent unseres BIP für Verteidigung nicht leicht“ seien. Seine Regierung hatte sich Anfang des Jahres verpflichtet, den Haushalt des hochverschuldeten Landes zu sanieren. Die sozial­demokratische Partei Vooruit, einzige linke Kraft in De Wevers Fünf-Parteien-Koalition, bezeichnete das Ziel als „Wahnsinn“.

Die baltischen Staaten und Polen hingegen begrüßen die Beschlüsse. Sie waren jahrelang die mahnenden Kräfte, die die Bedrohung Russlands vor der eigenen Haustür spürten. Bereits jetzt befinden sie sich auf dem Weg zu Ausgaben, die weit über 2 Prozent liegen. Im polnischen Budget für das Jahr 2025 etwa sind umgerechnet 44 Milliarden Euro für Rüstung und Verteidigung vorgesehen. Dies entspricht rund 4,7 Prozent des polnischen Bruttoinlandsprodukts und stellt einen neuen Rekord dar.

Aus deutschen Regierungskreisen hieß es, man sei mit dem Gipfelverlauf zufrieden. Kanzler Friedrich Merz sprach von einem „historischen Gipfel“. Die Nato habe sich darüber verständigt, dass sich die Bedrohungslage verändert habe. „Russland bedroht nicht nur die Ukraine, Russland bedroht den gesamten Frieden, die gesamte politische Ordnung unseres Kontinents.“ Merz fügte hinzu, dass „es bitte niemand wagen soll, die Nato anzugreifen, und zwar an keiner Stelle“. Er wolle weiterhin die Bundeswehr zur stärksten Armee Europas machen. Dafür hat Deutschland in dem bereits am Dienstag von seinem Kabinett beschlossenen Haushalts­entwurf Ausgaben für 2025 von 2,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) verankert. Bis 2029 sollen sich die Ausgaben mehr als verdoppeln, auf 153 Milliarden Euro. Zu diesem Zeitpunkt wären etwa 3 Prozent des BIP erreicht. Die Nato-Partner lobten Deutschlands Anstrengungen.

In der Nebenrolle: die Ukraine

Auch wenn die höheren Verteidigungsausgaben aufgrund der russischen Bedrohung beschlossen wurden, spielte die Ukraine und ihre Unterstützung durch die Nato kaum eine Rolle. Während die Abschlusserklärung im vergangenen Jahr noch den Absatz beinhaltete, dass der Weg der Ukraine in die Nato „unumkehrbar“ sei, fehlt ein solches Bekenntnis diesmal. Die Ukraine wird nicht einmal erwähnt.

Merz versicherte zwar, die Nato stehe weiter an der Seite des „geschundenen Landes“. Doch eine Mitgliedschaft der Ukraine war kein Thema. Stattdessen äußerte Merz die Hoffnung, die USA würden weitere Sanktionen verhängen.

Ein vereinbartes Treffen zwischen US-Präsident Trump und dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj fand am Nachmittag statt. Laut dem ukrainischen Sender Suspilne soll das Treffen nach 50 Minuten geendet haben. Die Staatschefs hätten über eine Feuerpause gesprochen, der ukrainische Präsident bezeichnete das Gespräch als substanziell. In einer dem Gespräch folgenden Pressekonferenz thematisierte Trump erneut, wie bereits in den Gesprächsrunden zuvor, den laut ihm beendeten Krieg zwischen Iran und Israel. Vorige Berichte des US-Geheimdienstes, die vermuten lassen, dass der US-Angriff die iranischen Atom­anlagen nicht zerstörte, dementierte Trump. „Man hatte einen großen Sieg dort und einen großen Sieg.“

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