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Nations League: Leidenschaft alleine reicht nicht | ABC-Z

Revierverhalten in der 72. Minute. Brian Brobbey, der Brocken aus Amsterdam, lag jaulend auf dem Boden. Die Deutschen nahmen ihm seine Schmerzen nicht ab und fuchtelten ihre Beschwerde über diese angebliche Larmoyanz in die Luft. Joshua Kimmich rannte hin, beugte sich über ihn, wollte ihm eine Ansage machen. 

Da ging Jurriën Timber dazwischen und schob Kimmich zur Seite. Ein Ersatzspieler verscheuchte den Kapitän. Ihm fehlt wohl noch Kampfgewicht und Einschüchterungskraft für dieses Affenfelsengehabe. Kimmich zog ab.

An Temperament mangelte es nicht in der Johan-Cruyff-Arena, wo das Dach geschlossen war, auf das der Herbstregen unaufhörlich trommelte. Zwei Mannschaften gingen leidenschaftlich zu Werke. Es war ein intensives, abwechslungsreiches Nations-League-Spiel zwischen den Niederlanden und Deutschland. War es jedoch wirklich so gut, wie es die Beteiligten empfanden? 

Es war nicht das Ergebnis von 2:2, es war die wilde, unsortierte Spielweise, die Zweifel lässt, ob Deutschland auf dem besten Weg ist, eine neue Mannschaft zu finden, die das Fernziel WM-Titel 2026 mit guten Aussichten angehen kann.

Die deutsche Abwehr war gar nicht da

Am Anfang des Spiels ein Schocker. Deutschland lag so früh zurück wie seit fünfzig Jahren nicht. Im WM-Finale 1974 war es ebenfalls die Niederlande, die nach gut einer Minute in Führung ging. Damals zwang Johan Cruyff mit einem seiner fantastischen Dribblings Uli Hoeneß dazu, ihn im Strafraum zu fällen. 

Das Gegentor in der 2. Minute 2024 war peinlich für die Beteiligten und den Trainer. Die deutsche Abwehr hätte gar nicht foulen können, denn sie war gar nicht da. Jonathan Tah hatte sich weglocken lassen, Nico Schlotterbeck fühlte sich für die Situation offenbar nicht zuständig, so war das Zentrum verwaist. Noch dazu kam Robert Andrich zu spät. 

Ein simpler Pass und Tijjani Reijnders, nicht der schnellste Fußballer des Kontinents, lief alleine aufs deutsche Tor. In Gedanken sah mancher deutscher Fan in diesem Moment vielleicht den Torwart dem Gegner entgegenrennen, doch im Tor steht nicht mehr Manuel Neuer, sondern Marc-André ter Stegen. Reijnders’ Schuss ging auch noch durch seine Beine. 

Die Defensive sah auch danach schlecht aus. Tah war lange nicht mehr so unterlegen wie im dauerhaften Zweikampf mit Brobbey. Ronald Koeman lobte seinen Stürmer, Typ Arschrausschieber, Tah habe gegen ihn “viele Fehler gemacht und große Probleme gehabt”. Es war keine zwanzig Minuten gespielt, da hatte Tah bereits viermal gefoult. Die fällige Gelbe Karte hätte er früher bekommen können. 

Deutschland spielte offensiv, aber nicht gut abgesichert. Oranje hätte die Führung ausbauen können. Denzel Dumfries schüttelte Schlotterbeck nach einem Freistoß ab, wie der Bäcker das Mehl von der Schürze. Sein Kopfball ging vorbei. Bei einem Konter von Xavi Simons war erneut von einer Abwehr nichts zu sehen. Sein Schuss aber geriet zu mittig.

Weil der Teufel es so wollte

Dass sich das Ergebnis noch in der ersten Halbzeit drehen sollte, war Glückssache. Matthijs de Ligt, für den der FC Bayern mal 80 Millionen Euro zahlte, war auch nicht unbeteiligt. “Das 1:1 bekamen wir geschenkt”, sagte Julian Nagelsmann über den Fehlpass seines Ex-Spielers im Spielaufbau. Jamal Musiala warf sich dazwischen, Florian Wirtz’ Schuss wurde pariert. Der Abpraller fiel, weil der Teufel es so wollte, zu dem bis dahin irrelevanten Deniz Undav. Ausgleich. 

Das zweite Tor war ebenfalls durch den Zufall begünstigt. Andrichs Diagonalpass kurz vor der Pause war eigentlich ein wenig zu scharf, doch David Raum grätschte hinein, wie wohl nur er das machen würde. Mit seiner unorthodoxen Art überraschte er die Gegner. Und so blockte de Ligt, obwohl gut positioniert, Undavs Pass nicht. Der verlässliche Kimmich hatte die Situation erahnt und leichtes Spiel. Man durfte die Führung unverdient nennen. Nagelsmann sagte nach dem Spiel: “Wir lagen völlig verdient 2:1 vorne.” 

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