Neue Studie: Corona-Folgen und Preiserhöhungen verstärken psychischen Druck |ABC-Z

Existenzängste und Schulden, aber auch eine graue, laute Wohnumgebung – diese Faktoren belasten die Psyche. Laut einer Untersuchung des Robert-Koch Instituts und der Charité in Berlin nehmen depressive Stimmung und Interessenverlust vor allem in einkommensschwachen Gruppen zu. Die Studie „Einkommen, Bildung und depressive Symptome in Zeiten multipler Krisen“ wird am Freitag im Fachjournal „Internationales Ärzteblatt“ veröffentlicht.
In den ersten beiden Corona-Jahren, also 2020 und 2021, sei diese Form von Belastung in allen sozioökonomischen Gruppen angestiegen, hieß es. Seit 2022 sei der Anstieg jedoch bei ärmeren Menschen besonders ausgeprägt. Ausgewertet wurden laut Angaben die Daten von insgesamt 94.274 Personen, die telefonisch befragt worden waren. Dabei ging es um gedrückte Stimmung und Interessenverlust, zwei Kernsymptome von Depressionen, nicht um eine klinischen Diagnose.
Not durch steigende Preise verschärft
Das Studienteam führt diese Entwicklung auf „zusätzliche Stressoren“ zurück, etwa die Preissteigerungen für Energie und Nahrungsmittel infolge des russischen Angriffs auf die Ukraine. Die Ergebnisse gingen „auffällig über übliche Schwankungen hinaus“, sagte der Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Public Health, Hajo Zeeb. Hinzu komme, dass für sozioökonomisch benachteiligte Gruppen häufig auch mehr Barrieren zur Versorgung bestünden. Daher seien niedrigschwellige Vorsorge- und Behandlungsangebote gefragt.
Die Medizinethikerin Verina Wild sprach von verheerenden Auswirkungen, die steigende Ungleichheit auf die gesamte Gesellschaft habe. Soziale und Umweltfaktoren bestimmten zwar die Gesundheit, doch die Einzelnen hätten darauf wiederum kaum Einfluss: „Bei fehlendem oder geringem Einkommen kann man sich nicht einfach eine größere, schöne Wohnung mit mehr Zugang zu Grün suchen.“ Günstigere Wohnungen lägen indes oft an stark befahrenen Straßen, was mehr Lärm- und Feinstaubbelastung mit sich bringe.
Wirksame Maßnahmen oft nicht „sexy“
Mehr Chancengleichheit nütze letztlich allen, betonte die Forscherin. Wenn es viele Krankmeldungen gebe oder eine wachsende Zahl von Menschen krankheitsbedingt gar nicht mehr arbeitsfähig seien, steige der Druck auf diejenigen, die weiterhin berufstätig seien. „Die Arbeit kann dann schlicht nicht mehr so geleistet werden, wie es nötig wäre, damit wir alle gut und gesund zusammenleben können.“ Gesunde Arbeitsplätze sowie Sozial- und Pflegesysteme, aber auch guter und günstiger Nahverkehr und Möglichkeiten zu Austausch und Begegnung in der Kommune würden oft nicht als „sexy“ angesehen, kritisierte Wild – diese Maßnahmen seien aber sehr wirksam und wichtig.
Auch der Medizinsoziologe Nico Dragano mahnte, Lösungsideen lägen vor, „nur die Umsetzung erfolgt nicht“. Deutschland brauche eine „echte Strategie zur Reduktion gesundheitlicher Ungleichheit“ sowie ein stabileres Sozialsystem.





















