Kultur

Nah am Schleudertraum: Urban Priol über seinen Jahresrückblick | ABC-Z

Wie soll man angesichts der Weltlage und der täglichen Nachrichten nicht verrückt werden? Urban Priol setzt auf Humor und Kabarett als Therapie. Am Samstag lädt er zu seinem kabarettistischen Jahresrückblick “Tilt!” in die Kammerspiele ein.

AZ: Herr Priol, Sie machen diesen Jahresrückblick seit 22 Jahren. Der Stoff scheint immer mehr und zunehmend abstrus zu werden. Auf welchem Tabellenplatz rangiert das vergangene Jahr für Sie?
URBAN PRIOL: Bei jedem Jahresrückblick denke ich: Diesmal wird’s ein bisschen entspannter – aber es wird immer wieder mehr. 2024 steht da schon ganz weit oben.

Man denkt ja immer: So schlimm wie heuer war’s noch nie! Aber diesmal stimmt das auch, oder?
In der “analogen Zeit” war es ruhiger, nicht so aufgeregt und hektisch. Es gab noch keine Online-Foren. Heute starrt jeder nur noch auf Schlagzeilen und Klickzahlen. Sich mal ausführlich mit etwas zu beschäftigen, ist in dieser schnelllebigen Zeit sehr schwer geworden.

Der Kabarettist Urban Priol beim politischen Aschermittwoch der Linkspartei.
© picture alliance/dpa
Der Kabarettist Urban Priol beim politischen Aschermittwoch der Linkspartei.

von picture alliance/dpa

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Und es wird mit jedem Tag absurder. Allein ein Irrer wie Donald Trump liefert ja derart abstruse News, dass Sie als satirisch Überhöhender das gar nicht mehr toppen können, korrekt?
Das ist für unsere Zunft echt eine Herausforderung. Die Politik gibt uns jeden Tag so viel Schutter, den du einfach nur noch 1:1 vortragen müsstest, den du aber versuchst satirisch zu überhöhen – das ist wirklich Arbeit! Das Hauptproblem ist: Wir reden ja immer so viel über Vertrauen – es ist keine Verlässlichkeit mehr da. Wenn auf der Jahresanfangsklausur der CSU der Countdown zum Politikwechsel ausgerufen wird, dann frage ich mich schon: Welcher Politikwechsel denn? Als unlängst das Personaltableau von CDU/CSU rauskam: alles Wiedergänger und Untote! Man fragt sich nur: Wen macht Friedrich Merz zum Zombie-Beauftragten?

Allein die erste Woche 2025 war schon wieder so voll mit Schreckensnachrichten, dass Sie die kaum aus Ihrem Programm rauslassen können, oder?
Aus 2024 kann man schon im Rückblick die Lehre ziehen, wie 2025 nicht werden sollte. Aber nach der ersten Woche weiß man schon: Es wird wieder nichts. Es wird vielleicht noch schlimmer. Man kann das nur mit einer großen Prise Humor und Gelassenheit nehmen und auf die kleinen Sachen hinweisen, die auch oft interessant sind. Aber wenn dann ein Dobrindt und ein Söder den Grünen die Schuld am Erstarken der rechtsextremen Bewegungen in Europa geben, dann fragst du dich schon, ob manche noch alle Latten am Zaun haben und wo diese manische Obsession herrührt. Am Schönsten fand ich, dass Söder SPD und Grüne zu einem fairen Wahlkampf aufgefordert hat – der Mann mit der größten Verbal-Diarrhoe im politischen Raum. Das entbehrt nicht einer gewissen Grundkomik.

Wie macht man weiter im Leben angesichts solcher Vorgänge, über die man manchmal nur noch den Kopf schütteln kann?
Was das Kopfschütteln über die Politik betrifft, ist man schon nah am Schleudertrauma. Was mich wirklich ärgert und was in den vergangenen zwei, drei Jahren zu beobachten ist: dass gerade die konservativen Kräfte den rechten Parolen nur hinterherlaufen. Sie müssten doch wissen, dass es nirgendwo in Europa zu Erfolg geführt hat, von Dänemark mal abgesehen. Entscheidend ist, dass man neben dem ganzen Kopfschütteln auch über manches lauthals lachen kann. Wenn wir nicht lachen, wird’s auch nicht lustiger.

Wie lange spielen Sie Ihren Rückblick?
Bis 2. Februar. Den 20. Januar mit der Amtseinführung von Trump nehme ich noch mit rein, da wird nicht mehr viel passieren.

Darauf würden wir nicht wetten. Auf eine Eingemeindung von Kanada muss man ja auch erst mal kommen.
Ich bin ja großer Kanada-Fan, bin jedes Jahr dort, meine Tochter lebt in Vancouver. Trudeau ist bald weg – da weiß man auch nicht, was kommt. Aber diese Schlichtheit von Trump ist schon sehr durchschaubar. Und wenn man dann noch einen Berater wie den völlig verhaltensgestörten Elon Musk hat, dann fügt sich das ins Bild. Den Christian Lindner nun propagiert. Das kann man sich alles gar nicht ausdenken.

Der Kabarettist Urban Priol.
Der Kabarettist Urban Priol.
© picture alliance/dpa
Der Kabarettist Urban Priol.

von picture alliance/dpa

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Wie schaffen Sie es, nicht an der Welt zu verzweifeln? Wie behalten Sie angesichts dieser haarsträubenden Zustände Ihre gute Laune?
Mit guten Filmen im Kino oder meiner DVD-Sammlung. Ich lese sehr viel und mache viel mit Freunden, wenn es die Zeit zulässt. Immerhin hat das Interesse an und die Diskussionsbereitschaft über Politik zugenommen. Woraus ich noch Hoffnung schöpfe: aus den Demonstrationen im vergangenen Jahr für die Stärkung unserer Demokratie, bei all den Schwächen, die sie hat. Es geht schon noch was.

Sie haben die Freunde angesprochen: Haben Sie noch Kontakt zu Georg Schramm, Ihrem jahrelangen Weggefährten in “Neues aus der Anstalt”?
Wir telefonieren alle zwei Tage, bauen uns gegenseitig auf. Er kann das, was ihn tagsüber aufregt, ja nicht mehr abends auf der Bühne loswerden, was mein Vorteil ist. Eine sehr gute Form der Therapie. Aber insgesamt macht es schon noch einen Heidenspaß.

Kammerspiele, Samstag, 11. Januar, 20 Uhr. Es gibt noch wenige Restkarten unter muenchner-kammerspiele.de

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