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Nachruf: Trauer um Holocaust-Überlebenden Nick Hope – Dachau | ABC-Z

Geplant war, dass Nick Hope am Anfang Mai zu den Feierlichkeiten aus Anlass des 80. Jahrestags der Befreiung des Konzentrationslagers nach Dachau kommen würde, gemeinsam mit seinem Sohn George. Doch diese Reise wird er nicht mehr antreten können: Am 10. März ist der Holocaust-Überlebende im Alter von 100 Jahren im US-Bundesstaat Kalifornien im Kreise seiner Familie verstorben. Hope hinterlässt drei Kinder und drei Enkelkinder. Seine Frau Nadja ist bereits 2015 gestorben.

Zur Welt kam Nick Hope als Nikolai Choprenko am 7. September 1924 in Petrovka im ukrainischen Donbass. Im April 1942, Hope war da gerade einmal 17 Jahre alt, wurde er von den Nationalsozialisten verschleppt und musste zunächst in einer Munitionsfabrik im Wolfratshauser Forst Zwangsarbeit leisten. Als dort 1943 bei einer schweren Explosion mehrere Menschen starben, suchte man einen Schuldigen und bezichtigte Hope der Sabotage. Zur Strafe sperrte man ihn ins Konzentrationslager Dachau.

„Ich habe zweimal am selben Ort gelebt“

Von da an musste er für BMW im Außenlager Allach arbeiten und wurde vom Menschen zur Häftlingsnummer 44 249 degradiert. Am 26. April 1945, nach 28 Monaten im KZ, schickte ihn die SS gemeinsam mit den anderen Lagerinsassen auf den sogenannten Todesmarsch Richtung Süden. Damals habe er gedacht: „Wenn ich hinfalle, bin ich tot“ – so erzählte Hope es einmal der Süddeutschen Zeitung. Er überlebte knapp: Bei seiner Befreiung wog Hope nur noch 40 Kilogramm.

Schwerkrank kam er in ein Krankenhaus für sogenannte displaced persons in Gauting, wo er bis 1948 blieb. Dort lernte er auch seine Frau Nadja kennen. Zunächst zog das Paar in eine Wohnung unweit des einstigen Außenlagers in München-Ludwigsfeld. Über diese Zeit sagte Hope in einem Grußwort zum 75. Jahrestag der Befreiung: „Ich habe zweimal am selben Ort gelebt“, einmal unter dem NS-Regime und einmal „in einem freien, demokratischen Deutschland, mit der Freude, dass Gott Deutschland und alle nach dem Krieg gesegnet hat“.

Zum Glauben fand der gebürtige Ukrainer erst spät: Nach der Befreiung und den Jahren im Krankenhaus wurde Hope zunächst alkoholkrank. Erst als ihm 1952 jemand vom „Rezept Gott“ erzählte, schaffte er es, sich vom Alkohol loszusagen – und zu vergeben: 15 Jahre nach Kriegsende traf er seinen schlimmsten Peiniger aus dem Konzentrationslager zufällig in Feldmoching, „und anstatt ihn zu töten oder der Polizei zu übergeben, habe ich ihm vergeben“. Auch diese Geschichte erzählte Hope in seinem Grußwort 2020. 1961 wanderte der gebürtige Ukrainer mit seiner Familie in die USA aus. Dort gab er sich seinen neuen Namen: Nick Hope, wie die Hoffnung.

„Ich bete immer für Frieden, Freiheit, Liebe“

Seit 2017 war Hope mehrfach in Dachau zu Besuch, zuletzt im vergangenen Jahr bei der Feier zum Gedenken an den Todesmarsch. Damals sagte er: „Ich bete immer, dass nie mehr, nie mehr, nie mehr, nie mehr so eine grausame, schreckliche Tragödie der ganzen Menschheit widerfährt. Ich bete immer für Frieden, Freiheit, Liebe.“ Björn Mensing, Pfarrer der Versöhnungskirche auf dem Gelände der KZ-Gedenkstätte Dachau, erinnert sich noch heute gut an diese Rede. Hope sprach damals – wie so oft – eine Mischung aus Russisch, Deutsch und Englisch. Die Suche nach den richtigen Worten habe ihn stets gezwungen, langsam zu sprechen, sagt Mensing. Hope sei nie ein „professioneller Zeitzeuge“ gewesen, so formuliert es Mensing, also niemand, der seine Geschichte routiniert abspulen konnte – aber genau deshalb seien seine Worte von unvergleichlicher „Intensität“ gewesen. Worte, die nun fehlen werden.

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