Nachhaltige Ziegel aus Erding: “So wie vor 800 Jahren” | ABC-Z
Erding – Es riecht nach Erde und nach See in der Werkstatt von Andreas Schönek. “Wir haben immer angenehm feuchte Luft herin. Manchmal modert’s aber auch”, sagt der Werkstattleiter verschmitzt. Ein fröhliches Dreier-Team stellt bei Erding Bodenziegel aus bayerischem Lehm her. Nach historischem Vorbild – und in reiner Handarbeit.
Der natürliche Lehm wird von den Handwerkern direkt so verwendet, wie er aus der Erde kommt. “Das machen nur noch zwei oder drei Betriebe in ganz Deutschland so. Wir färben nichts, es gibt keine Zusatzstoffe. Das ist das pure Naturmaterial”, sagt der 56-jährige Schönek.
Schwarze Punkte aus Eisenmangan bleiben im Lehm, genauso Kalkbröckchen und Luftbläschen. Anders als in einer industriellen Ziegelei, werden der rote Lösslehm aus Landshut und der graue Seeton aus dem Rosenheimer Becken hier weder gesäubert noch gewalzt.
Das Ergebnis: Die Attenberger Bodenziegel wirken besonders lebendig. Jede Platte ist ein Unikat. Einige haben bunte Farb-Wirbel, andere leichte Huckel an der Oberfläche.
Ziegel aus Erding: Die Römer zeigten den Bajuwaren, was man aus Lehm alles machen kann
Vor rund 2000 Jahren hätten die Römer den Vorfahren der Bajuwaren erstmals gezeigt, wie aus dem Rohstoff Lehm diese praktischen und zeitlosen Quadrate gefertigt werden, erklärt Schönek. Beige, orange oder rotbraun kommen die gebrannten Platten aus dem Brenn-Ofen.
In Dielen, Küchen oder Badezimmern verlegt, machen sie “ein warmes Ambiente”. “Barfuß geben sie ein anderes, besonders schönes Bodengefühl”, findet Keramik-Fan Schönek, der übrigens die Archäologie liebt. Nach dem Winter lief er früher gerne die Felder ab, auf der Suche nach vorzeitlichen Tonscherben. Seine vielen Funde hat er gestiftet.
Primitiv und einfach, wie schon vor 800 Jahren, formt, trocknet und brennt er heute die Lehm-Quadrate. “Ein wertvoller Bodenschatz”, wie er findet. Im Mittelalter sind in Bayern Klöster, Kirchen, Weinkeller, Bauern- und Stadthäuser mit den robusten Bodenplatten gepflastert worden.
In München sind solche Ziegel im Stadtmuseum und im Bayerischen Nationalmuseum teils erhalten. Für die Renovierung der Hundskugel, lange das angeblich älteste Münchner Gasthaus, hat die kleine Hand-Ziegelei Attenberger die Bodenziegel geliefert.
Denkmalpfleger, Architekten, Interieurdesigner und Privatleute kommen auf sie zu. Denn: Ihre Ziegel sind baubiologisch einwandfrei. “Außerdem nehmen sie wirklich sehr viel Feuchtigkeit auf. Das ist wunderbar für das Raumklima”, sagt Andreas Schönek. Viele Kunden sagen ihm später: “Ich spür’s!”
In den 60er Jahren haben Bauern und Städter die einfachen Böden brutal aus Fluren und Ställen gerissen – und mit industriell gefertigten Fliesen ersetzt. Oder durch ziegelrote Terrakottaplatten aus Italien. “Doch die bestehen aus viel Sand und sind oft mit chemisch basierten Mitteln imprägniert”, weiß Handwerker Schönek.
“Das hier ist kein klinisches Produkt”
In einem ehemaligen Kuhstall bestreicht er die braunen Quadrate mit Leinöl, ganz ökologisch. Helferin Stefanie Hammer ist seit sechs Jahren dabei: “Mir gefällt es, etwas mit meinen Händen zu schaffen. Und das hier ist kein klinisches Produkt”, sagt die 40-Jährige.
Außerdem produziert ihre Arbeit null Müll. Ihre Kollegin Julia Brandlmeier (29) meint: “Die erdige Farbe tut meinen Augen gut. Ungebrannte Platten wiegen circa fünf Kilo. So bekommt unsere Handarbeit etwas von einem Work-out!”
Für sein baubiologisch wertvolles Konzept hat Attenberger einen Nachhaltigkeitspreis und den “Bundespreis für Handwerk in der Denkmalpflege 2023” erhalten. Wenn es um die Reparatur historischer Böden von Museen und Schlössern geht, reizen den Spezialisten Sonderanfertigungen.
“Dafür stellen wir auch nur drei Quadratmeter von einem historischen Boden her. Die alten Muster können wir nachempfinden.” Das Element Erde – der pure Lehm – fasziniert Andreas Schönek seit 13 Jahren. Der Grund: “Mein Werk ist zeitlos. Es wird Jahrhunderte halten. Das ist nachhaltig und gibt mir ein schönes und erhabenes Gefühl!”
www. bodenziegel.de