Nach Wadephuls Israel-Reise: Klare Worte, keine Schritte | ABC-Z

In der SPD-Fraktion steigt der Unmut: Nachdem die Bundesregierung erneut keine Beschlüsse gefasst hat, den Druck auf die israelische Regierung zu erhöhen, die humanitäre Situation in Gaza zu verbessern. „Die Zeit der Erklärungen ist vorbei. Der Druck auf Israel muss erhöht werden“, sagte SPD-Außenpolitiker Ralf Stegner der taz. „Das geht nur mit europäischer Geschlossenheit. Die Bundesregierung darf sich nicht länger gemeinsamen Sanktionsüberlegungen verschließen.“ Außenminister Johann Wadephul (CDU) habe bei seinem Israelbesuch zu Recht von einer Hungersnot gesprochen: „Wir dürfen nicht länger zusehen.“
Auch Vize-Fraktionschefin Siemtje Möller, die Wadephul auf seiner zweitägigen Reise nach Israel und ins Westjordanland begleitet hatte, betonte gegenüber der taz, dass die Verantwortung für die Versorgung der Zivilbevökerung maßgeblich bei Israel liege. Es müsse sichere Landkorridore für Hilfslieferungen ermöglichen. „Der internationale Druck auf die israelische Regierung, humanitäre Hilfe uneingeschränkt zuzulassen, muss hoch bleiben.“ Das Sicherheitskabinett müsse daher auch erwägen, Rüstungsexporte an Israel zu stoppen. „Deutschland sollte sich der europäischen Initiative zur Ganz- oder Teilaussetzung des EU-Assoziierungsabkommens öffnen. Die Listung von rechtsextremen Siedlern und Regierungsmitgliedern darf kein Tabu mehr sein“, sagte Möller weiter.
Ähnlich äußerte sich auch die SPD-Abgeordnete Isabel Cademartori. „Die Bundesregierung muss vom Reden ins Handeln kommen“, sagte Cademartori der taz. Die Lage in Gaza und im Westjordanland sei katastrophal – und die israelische Regierung zeige keinerlei Bereitschaft zur Kurskorrektur. „Deutschland darf sich in Europa nicht weiter isolieren. Wir müssen gemeinsam mit unseren Partnern jetzt Konsequenzen ziehen – dazu gehört auch die Aussetzung des Assoziierungsabkommens mit Israel, dessen Grundlage die Achtung der Menschenrechte ist.“
Im Auftrag des Sicherheitskabinetts war Außenminister Wadephul Ende der vergangenen Woche nach Israel und ins Westjordanland gereist, um über die dramatische humanitäre Lage in Gaza zu beraten und insbesondere der israelischen Regierung klarzumachen, dass sich diese sofort verbessern muss. Wadephul hatte deutliche Worte gewählt, von einer „Hungersnot“ gesprochen und vor einer Annexion des Westjordanlandes gewarnt. Am Samstag informierte er die Mitglieder des Sicherheitskabinetts, dem unter anderem auch Vizekanzler Lars Klingbeil (SPD) und Innenminister Alexander Dobrindt (CSU) angehören, in einer Telefonschalte über seine Erkenntnisse.
Isabel Cademartori, SPD
„Erste leichte Fortschritte in Gaza“
Danach veröffentliche die Bundesregierung eine schmale Erklärung. Man sehe „erste leichte Fortschritte bei der humanitären Hilfe im Gazastreifen“, teilte Regierungssprecher Stefan Kornelius darin mit. Diese reichten aber „bei Weitem“ nicht aus, um die Notlage zu lindern. „Israel steht weiter in der Pflicht, eine umfassende Versorgung auch mit Unterstützung der Vereinten Nationen und anderer humanitärer Organisationen sicherzustellen.“ Gleichzeitig zeigte sich die Bundesregierung besorgt über Informationen, wonach große Mengen an Hilfsgütern von der Hamas und kriminellen Organisationen zurückgehalten würden.
Konkrete Maßnahmen, die den Druck auf Israel erhöhen, beschloss das Sicherheitskabinett also nicht. Dabei hatte Merz zuvor gesagt, die Bundesregierung behalte sich wegen der humanitären Lage im Gazastreifen Schritte vor, um den Druck auf Israel zu erhöhen.
Unterdessen gibt es auch erste Stimmen in der CDU, die von der Bundesregierung fordern, gemeinsame Sanktionen der europäischen Staaten gegen Israel zu ermöglichen. CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen sagte der Zeit: „Wenn sich Israels Politik nicht sehr schnell ändern sollte, wäre auch Deutschland gezwungen, zusammen mit unseren Partnern konkrete Maßnahmen zu ergreifen.“