Nach Prozess-Klatsche für ZDF – jetzt droht Böhmernann selbst eine Klage | ABC-Z
Vae victis. Arne Schönbohms Gesten und sein X-Kommentar nach dem heutigen Urteilsspruch gegen das ZDF nebst dem Moderator Jan Böhmermann standen auf „Sieg“. Und zugleich passten seine Kommentare und jene seines Anwalts Markus Hennig zu dem römischen Satz „Wehe den Besiegten“.
Denn die 26. Zivilkammer des Münchner Landgerichts gab dem ehemaligen Präsidenten des Bundesamtes für die Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) weitgehend recht. Die Pressemitteilung der zuständigen Justizsprecherin gleicht einer veritablen Klatsche für den öffentlich-rechtlichen Sender und seinen umstrittenen Fernsehmacher.
Böhmermann stellte in vier von fünf Punkten falsche Tatsachenbehauptungen auf
Demnach stellte Böhmermann in seiner Sendung am 7. Oktober 2022 in vier von fünf aufgegriffenen Punkten falsche Tatsachenbehauptungen über den damaligen Cyberabwehrchef auf. An den unterstellten Kontakten zu russischen Nachrichtendiensten war nichts dran. Fake News, die den Kläger Schönbohm „in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletze“, so das Gericht.
Das ZDF solle diese Äußerungen daher künftig unterlassen. „Mit völlig haltlosen Vorwürfen hat Jan Böhmermann meine Integrität zerstört, ebenso irreparabel meine Karriere“, erklärte Schönbohm. „Mit der durch nichts gerechtfertigten medialen Hinrichtung wurde außerdem Deutschlands Sicherheit gefährdet.“
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) nutzte die Böhmermann-Mär, um den missliebigen BSI-Präsidenten schnell zu suspendieren und auf den bedeutungslosen Chefposten der Bundesakademie für öffentliche Verwaltung zu versetzen. Wochenlang avancierte die falsche ZDF-Berichterstattung zur Staatsaffäre.
Schönbohm wurde durch Böhmermann als Sicherheitsrisiko und als Cyberclown diffamiert. Faeser stellte den BSI-Chef kalt, sprach nach dem Böhmermann-Russen-Unfug von einem Vertrauensverlust, der seine Ablösung zwingend erforderte.
Vorwürfe gegen Schönbohm konstruiert
Erst nach sechsmonatigen Vorermittlungen des Verfassungsschutzes und von Ministerialbeamten im Hause Faeser stellte sich heraus, dass alle Vorwürfe gegen Schönbohm konstruiert waren.
Doch das half nichts mehr. Bereits Anfang 2023 musste der einstige Cyberabwehrchef seinen neuen Posten antreten. Im Bundesinnenministerium war man trotzdem zufrieden. Ziel erreicht, mailte ein hochrangiger Abteilungsleiter. Schönbohm war weg.
Die vermeintliche ZDF-Enthüllung in Sachen Schönbohm ging schief.
Im Münchner Presseprozess beharrte das ZDF darauf, dass Böhmermann nebst seiner Recherchecrew alles richtig gemacht hätte. Die Sendung habe in zulässiger Weise satirisch zugespitzte Kritik am BSI und dem Kläger als dessen damaligen Präsidenten geübt, hieß es.
Die Richter sahen dies anders. Satire finde dort seine Grenze, „wo sich die Äußerung als eine unwahre, das Persönlichkeitsrecht verletzende Tatsachenbehauptung darstellt“.
Einen einzigen Pluspunkt sammelte der öffentlich-rechtliche Sender
Einen einzigen Pluspunkt sammelte der öffentlich-rechtliche Sender dann doch. Zunächst einmal muss das ZDF keine 100.000 Euro Schadenersatz zahlen, die Schönbohm zusätzlich gefordert hatte. Die Richter lehnten die Ansprüche angesichts der hohen Hürden für eine finanzielle Entschädigung ab.
Dennoch wiegen die Folgen aus dem Richterspruch schwer. Die Pressekammer hat den ZDF-Intendanten Norbert Himmler korrigiert. Der hatte behauptet, dass alles korrekt recherchiert worden sei. Offenbar ein Irrtum.
Wie FOCUS online erfuhr, wird die Schönbohm-Seite das Urteil prüfen, um möglicherweise beim Oberlandesgericht entsprechende Geldansprüche zu stellen. Auch könnte eine weitere Klage gegen Böhmernann selbst folgen.
„Intendant des ZDF hat Beihilfe geleistet“
Markus Hennig, der Medienanwalt des geschassten BMI-Chefs vertritt hier eine klare Meinung: Schönbohm sei es in erster Linie darum gegangen, „den Lügenjounalismus aufzudecken. Mein Mandant wurde absichtlich vor einem Millionenpublikum verleumdet und der Intendant des ZDF hat hierzu Beihilfe geleistet.“ Der Berliner Jurist erwartet „eine öffentliche Entschuldigung des Intendanten an den Ex-Cyberabwehrchef.
Zugleich forderte Schönbohm personelle Konsequenzen und eine transparente, umfassende Aufarbeitung der internen Abläufe beim ZDF.
Auch werde der Verwaltungsrat des Senders angerufen, eine tiefgehende Untersuchung zu den internen Prozessen und Verantwortlichkeiten durchzuführen. Anwalt Hennig: „Es steht im Raum zu klären, ob der Intendant des ZDF seinen Aufgaben ausreichend nachgekommen ist.“
Hauptverhandlung gegen Bundesinnenminister Faeser im Januar
Das nächste Kapitel in der Causa Schönbohm steht am 23. Januar an. Dann steht vor dem Kölner Verwaltungsgericht die Hauptverhandlung gegen Bundesinnenminister Nancy Faeser beziehungsweise die Bundesrepublik Deutschland an.
Schönbohm hat seine Dienstherrin wegen der Verletzung der Fürsorgepflicht auf 5000 Euro Schadenersatz verklagt. Die SPD-Politikerin hatte den BSI-Chef wegen der medialen Russen-Vorwürfe im Regen stehen lassen.
Das ZDF sah auf FOCUS-online-Anfrage den Richterspruch als Erfolg. Nicht nur, dass die Schadenersatzforderung zurückgewiesen worden sei. Vielmehr habe Schönbohm drei Fünftel der Gerichtskosten tragen müssen, das Zweite Deutsche Fernsehen nur zwei Fünftel.
Auch habe das Landgericht München I folgende Aussage nicht beanstandet: „Meine Damen und Herren, die Cybersicherheit in Deutschland ist in Gefahr, und zwar durch den Chef der Cybersicherheit in Deutschland“, gelte als zulässige Meinungsäußerung. Das ZDF will nach eigenen Angaben die Entscheidungsgründe für das Urteil sorgfältig auswerten und auf dieser Basis über das weitere Vorgehen entscheiden.