Nach Gefangenenaustausch: Freigelassener Oleg Orlow vergleicht Putins Russland mit Stalinzeit | ABC-Z
Massive Unterdrückung
Freigelassener Orlow vergleicht Putins Russland mit Stalinzeit
09.08.2024, 09:23 Uhr
Artikel anhören
Diese Audioversion wurde künstlich generiert. Mehr Infos | Feedback senden
Menschenrechtsaktivist Orlow kann durch den Gefangenenaustausch seine Heimat verlassen. Die erinnere ihn mehr und mehr an finstere Zeiten, sagt er in einem Interview. Für bloße Kritik an Behörden werde man eingesperrt. Das sei zuletzt unter Diktator Stalin so gewesen.
Der im Rahmen eines Gefangenenaustauschs aus russischer Haft freigekommene Menschenrechtsaktivist Oleg Orlow hat seinem Heimatland einen Rückfall in stalinistische Zeiten bescheinigt. Der Vorsitzende von Memorial, einer der ältesten und bekanntesten Menschenrechtsorganisationen Russlands, die im Jahr 2022 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurde, kritisierte in einem Interview der Nachrichtenagentur AP das Ausmaß der Unterdrückung im heutigen Russland.
Orlow sagte, unter dem russischen Präsidenten Wladimir Putin würden Menschen dafür eingekerkert, die Behörden zu kritisieren. Das habe es seit der Zeit des sowjetischen Diktators Josef Stalin nicht mehr gegeben. “Wir rutschen irgendwo in stalinistische Zeiten ab”, sagte er. Orlow war im Februar von einem russischen Gericht zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt worden, weil er den russischen Krieg in der Ukraine in einem Artikel kritisiert hatte.
Seine Freilassung im Rahmen des Gefangenenaustauschs zwischen Russland, Belarus und mehreren westlichen Ländern habe ihn komplett überrascht Zuerst sei ihm angetragen worden, ein Gnadengesuch an Putin zu richten. Das habe er verweigert. Tage danach sei er in ein Auto verfrachtet, zum Flughafen Samara und von dort weiter nach Moskau gebracht worden. Sich direkt aus dem Gefängnis kommend plötzlich in einem Flugzeug voller freier Menschen wiederzufinden, sei ein seltsames Gefühl gewesen, sagte der Menschenrechtsaktivist.
Plötzliche Begnadigung für Orlow
Danach habe er drei weitere Tage im berüchtigten Moskauer Gefängnis Lefortowo zugebracht und eine Beschwerde darüber verfasst, seinen Anwalt nicht sehen zu dürfen. Dann sei ihm ein Dokument gezeigt worden, laut dem er begnadigt wurde. Er sei erneut in ein Flugzeug gesetzt worden, das ihn nach Deutschland gebracht habe, wo er von Bundeskanzler Olaf Scholz begrüßt worden sei.
Als Orlow sich im Gespräch mit der AP an den Moment erinnert, in dem er im Bus zum Flughafen bekannte Gesichter entdeckte, lächelt er. Mit an Bord waren etwa die wegen eines kleinen Anti-Kriegs-Protests inhaftierte Musikerin und Künstlerin Sascha Skotschilenko und der Oppositionspolitiker Andrej Piwowarow. Als dann verkündet worden sei, dass es sich um einen Gefangenenaustausch handele, seien sie bereits bestens im Bilde gewesen, sagte er.