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“Man merkt, was für eine Last runterfällt”: Münchens einziger queerer Friseursalon | ABC-Z

In Alex Al Zaabis Salon gibt es nur einen Friseurstuhl. Er steht vor einem großen Spiegel mit goldenem Rand. Wenn Kunden zu Al Zaabi zum Haareschneiden kommen, sind sie mit dem Friseurmeister alleine in dem grün gestrichenen Raum mit großem Fenster. Entspannte Musik läuft im Hintergrund, die Klimaanlage rauscht leise. Hier klingelt kein Telefon, es gibt kein Stimmengewirr von anderen Kunden und Friseuren. Hier liegt der Fokus nur auf einer Person.

Auf dem Friseurstuhl in Münchens einzigem queeren Salon: Zwei Fragen an den Kunden

Bevor es mit dem Styling losgeht, stellt Al Zaabi den Kunden zwei Fragen: “Möchtest du eine Kopfmassage?”, und dann: “Hast du Pronomen, mit denen du dich wohlfühlst?” Gemeint ist: Wie möchte die Person angesprochen werden – mit “Sie”, “Er” oder etwas anderem?

Der Friseurladen von Alex Al Zaabi ist Münchens einziger queerer Salon. Al Zaabi selbst ist nicht-binär. Das heißt, Al Zaabi identifiziert sich nicht als Mann oder Frau. Mit der Bezeichnung “der Friseurmeister” in diesem Artikel ist Al Zaabi einverstanden.

“Ein Ort, an dem ich mich wohlfühlen kann”

Vor einem Jahr, im Juli 2024, hat Al Zaabi das “Queer Studio Munich” in Haidhausen eröffnet. “Ich habe für mich selber nach einem Ort gesucht, wo ich mich wohlfühlen kann”, sagt der Friseurmeister.

Am alten Arbeitsplatz hatte Al Zaabi das Gefühl, sich nicht komplett outen zu können. Kolleginnen und Kollegen sei es oft schwergefallen, zu verstehen, dass Al Zaabi nicht-binär ist. Also hat Al Zaabi nach einem Ort gesucht, wo Al Zaabi sich selbst treu sein kann.

Im "Queer Studio Munich" gibt es nur einen Friseurstuhl.
Im “Queer Studio Munich” gibt es nur einen Friseurstuhl.
© Sigi Müller
Im “Queer Studio Munich” gibt es nur einen Friseurstuhl.

von Sigi Müller

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Nachdem der Friseurmeister aber nicht fündig wurde, hat Al Zaabi selbst so einen Ort für sich geschaffen. Al Zaabi ist es wichtig, dass die Menschen, die in den Salon kommen, sich “gesehen” und “gehört” fühlen.

“Man merkt, was für eine schwere Last runterfällt”

Die ruhige Atmosphäre des Ladens ist ein wichtiges Element. Al Zaabi hat früher in einem Salon mitsehr vielen Mitarbeitern gearbeitet und sich oft von den ganzen Reizen überfordert gefühlt. Auch die Kunden merken, dass im “Queer Studio” etwas anders ist. Sie wundern sich oft darüber, dass es nur einen Friseurstuhl gibt und dass Al Zaabi alleine arbeitet.

Ein Friseurstuhl und ein Waschbecken: Alex Al Zaabi arbeitet alleine im Salon.
Ein Friseurstuhl und ein Waschbecken: Alex Al Zaabi arbeitet alleine im Salon.
© Sigi Müller
Ein Friseurstuhl und ein Waschbecken: Alex Al Zaabi arbeitet alleine im Salon.

von Sigi Müller

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Aber genau das scheinen sie auch sehr zu schätzen. “Man merkt, was für eine schwere Last runterfällt”, sagt Al Zaabi. Zu sehen, wie sich die Menschen nach einem Besuch im “Queer Studio” “in sich selbst verlieben”, bewegt den Friseurmeister. “Ich hab das Gefühl, ich kann etwas Gutes bewirken”, so der Friseurmeister.

“Konnte nicht glauben, dass ich ein queeres Studio habe”

Den Laden hat Al Zaabi von einem anderen Friseursalon übernommen und sechs Tage lang renoviert. “Das war echt total cool, weil das war am Anfang nur eine Idee und dann ist es das hier geworden”, sagt Al Zaabi. An den dunkelgrünen Wänden hängen Blechschilder – “Route 66” steht auf einem, auf einem anderen das Martini-Logo.

In der Mitte steht der große, goldene Spiegel und der Frisierstuhl. Auf der rechten Seite das Waschbecken, ein Regal mit Pflegeprodukten, Büchern und einem Neon-Regenbogen. In dem hellen Raum verteilt stehen und hängen Pflanzen. Auch eine kleine Kaffeetheke hat der Friseurmeister im Salon.

Das Friseurstudio ist mit viel Liebe zum Detail dekoriert.
Das Friseurstudio ist mit viel Liebe zum Detail dekoriert.
© Sigi Müller
Das Friseurstudio ist mit viel Liebe zum Detail dekoriert.

von Sigi Müller

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Am Abend vor der Eröffnung hat sich Al Zaabis “kleine Familie” versammelt, mit einem Sektglas in der Hand. “Es hat sich so surreal angefühlt”, erinnert sich Al Zaabi. “Ich konnte nicht glauben, dass ich tatsächlich ein queeres Studio habe.”

Preislisten nach Geschlecht: “Wo ist da der Unterschied?”

Im “Queer Studio” wird nicht nach Geschlecht, sondern nach Haarlänge abgerechnet – als Zeichen gegen veraltete, weit verbreitete Branchenstandards. Dass etwa Männer mit kurzen Haaren oft deutlich weniger zahlen als Frauen mit derselben Frisur, kann Al Zaabi nicht nachvollziehen: “Wo ist da der Unterschied?” Auch mit Blick auf den Gender-Pay-Gap sei dies nicht gerecht, schließlich verdienen Frauen im Schnitt immer noch weniger als Männer.

Das "Queer Studio" befindet sich in Haidhausen.
Das “Queer Studio” befindet sich in Haidhausen.
© Sigi Müller
Das “Queer Studio” befindet sich in Haidhausen.

von Sigi Müller

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Welche Haarschnitte besonders gefragt sind

Während des Pride Months ist der Regenbogen-Undercut ein beliebter Haarschnitt, sagt Al Zaabi. Auch der “Mullet”, eine moderne Version des Vokuhilas, sei zurzeit sehr beliebt. “Zu mir kommen sowieso Leute, die etwas Außerordentliches wollen”, sagt Al Zaabi.

Anzeige für den Anbieter Instagram über den Consent-Anbieter verweigert

“Ich träume schon länger davon, jemandem einfach einen Buzzcut zu schneiden”, so Al Zaabi. Und diesen Buzzcut, also ganz kurz rasierte Haare, möchte Al Zaabi gerne blondieren und anschließend “irgendwas cooles draufzeichnen”. “Ich suche immer noch Modelle, also wer will, soll sich melden”, sagt Al Zaabi und lacht.

Einfache Fragen stellen: “Das rettet manchen das Leben”

Die queere Szene in München sei “sehr stark”, sagt der Friseurmeister – auch wenn sich die Welt aktuell “ein bisschen falsch” bewege. “Ich habe das Gefühl, wenn ich jetzt nach Hilfe schreien würde, würden sich alle dafür einsetzen und wirklich kämpfen.”

Al Zaabi will mit dem queeren Studio anderen Mut machen, “queer und bunt zu sein”. Der Friseurmeister wünscht sich mehr “Sichtbarkeit und Freiheit” für die queere Community. Nicht nur im Pride Month, sondern das ganze Jahr über. Es reiche nicht mehr, sich “nur eine Flagge an die Tür zu kleben”.

Sichtbarkeit bedeute auch, im Alltag sensibel zu handeln. Etwa indem man zum Beispiel in Buchungsformularen nach Pronomen fragt oder zumindest die Option “divers” anbietet. “Es gibt viel zu viele da draußen, die tagaus, tagein damit kämpfen und sich jeden Tag outen müssen.”

Schon eine einfache Frage wie: “Wie möchtest du angesprochen werden?”, könne viel bewirken. “Das rettet manchen das Leben”, sagt Al Zaabi.

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