Nach Ende der Koalition: Wie Brüssel auf Ampel-Deutschland schaut | ABC-Z
analyse
Hat die Ampel-Regierung zur Stärke Europas beitgetragen? Eine Frage, die in Brüssel schon länger gestellt wird. Die Uneinigkeit der Ampel bei Entscheidungen blieb in der EU jedenfalls nicht unbemerkt.
Gewöhnlich äußert sich die EU-Kommission nicht zu innenpolitischen Angelegenheiten. Deswegen gab es auch heute keinen Kommentar zur aktuellen Regierungskrise in Berlin.
Vielmehr hat EU-Parlamentspräsidentin Roberta Metsola den Kollaps der deutschen Ampel-Koalition nüchtern zur Kenntnis genommen. So laufe das nun einmal in der Demokratie, sagte Metsola. Jetzt heiße es abwarten, wie es weitergeht. Fest stünde aber: Ohne ein starkes Deutschland gebe es kein starkes Europa.
Doch schon lange stellt sich Brüssel die Frage: Trug die Ampel-Regierung eigentlich zur Stärke Europas bei? Mit dem deutschen Kabinett wird besonders ein Begriff verbunden: “German vote” – das eine Enthaltung der Bundesregierung bei Entscheidungen unter den EU-Ländern bezeichnet, weil SPD, Grüne und FDP keine gemeinsame Linie gefunden haben.
Turbulente Momente in Brüssel
Mehrere turbulente Momente auf EU-Ebene bleiben mit der Ampelregierung in Erinnerung. So hatte die Bundesregierung auf Druck der FDP die Regelung über C02-freie Neuwagen, das sogenannte Verbrenner-Aus, erneut zur Debatte gestellt, obwohl die Verhandlungen dazu schon abgeschlossen waren. Auf diese Weise hatte Berlin noch rasch eine Ausnahme für E-Fuels durchgesetzt.
Außerdem drohte das EU-Lieferkettengesetz auf den letzten Metern zu scheitern. Durch die drohende Enthaltung der Bundesregierung wackelte auch die Zustimmung anderer Länder, schließlich wurde Deutschland überstimmt.
Bis kurz vor Schluss blieb außerdem unklar, ob Deutschland neben Ungarn gegen den mühsam verhandelten Asyl- und Migrationspakt stimmen könnte. Deutschland stimmte schließlich zu, nachdem Bundeskanzler Olaf Scholz ein Machtwort vor allem gegenüber den Grünen gesprochen hatte.
Thema EU-Strafzölle auf E-Autos aus China: Auch hier gerieten FDP und Grüne im Kabinett in Berlin aneinander. Am Ende entschied Scholz, dass in Brüssel mit Nein gestimmt werden sollte. Verhindern konnte Deutschland die Zölle damit aber nicht.
Scholz gilt im EU-Rat als zurückhaltend
Unter Angela Merkel galt Deutschland als der wichtigste Brückenbauer in der EU. Die ehemalige Kanzlerin schaffte es zum Beispiel auf den letzten Metern, das milliardenschwere Corona-Wiederaufbaupaket über die Ziellinie zu bringen.
Scholz gilt im Europäischen Rat eher als zurückhaltend. Einen besonderen Moment schuf er allerdings im vergangenen Jahr mit dem sogenannten “Kaffee-Trick”. Damit wurde eine notwendige, einstimmige Entscheidung der Länder zur Ukraine auch ohne den Widersacher Viktor Orban möglich.
“In dem Sinne eines unionsfreundlichen Verhaltens habe ich dem ungarischen Ministerpräsidenten vorgeschlagen, uns zu ermöglichen, dass wir in seiner Abwesenheit diese Entscheidung treffen können. Ich hatte ihn auch darum gebeten, dass er sich das einen Moment überlegt und nicht gleich spontan reagiert sich und er hat mir dann gesagt, dass er den Vorschlag aufgreifen möchte”, erzählte Scholz. Orban verließ den Saal für eine Kaffeepause und die Staaten konnten einstimmig für die Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine votieren.
NATO-Chef Rutte optimistisch
Bei der NATO hingegen gilt Deutschland stärker als Lokomotive. Die Bundesregierung ist nach den USA der stärkste militärische Unterstützer der Ukraine. Entsprechend optimistisch zeigt sich Generalsekretär Mark Rutte, dass Deutschland trotz Ampel-Aus seinen Verpflichtungen nachkommen werde.
Er mache sich da keine Sorgen. “Olaf Scholz ist ein starker Leader, ich kenne ihn gut. Er wird Deutschland durch die nächsten Monate hindurch lenken und sicherstellen, dass das Land seine Rolle in der Welt spielt”, erklärte Rutte.
Nach dem Sieg von Donald Trump in den USA stellt sich die Frage, ob die Reihen unter den europäischen NATO-Mitgliedern und EU-Staaten geschlossen werden können. Beim Gipfeltreffen in Budapest dürfte auf die Probe gestellt werden, ob Scholz dazu noch das Zeug hat.