Nach Diktat verreist: Habeck bringt Lindner auf die Palme | ABC-Z
Wirtschaftsminister Robert Habeck sorgt für neuen Streit in der Koalition. Seine Vorschläge zu einem schuldenfinanzierten Investitions- und Infrastrukturfonds kommen bei der FDP überhaupt nicht gut an. Finanzminister Lindner schimpft: “Das ist ein Hammer.”
Robert Habeck ist Teil der Vorhut der Vertreter des Bundeskabinetts, die nach Neu-Delhi reisen, um dort am Freitag an den deutsch-indischen Regierungskonsultationen teilzunehmen. Begleitet wird der Wirtschaftsminister von Arbeitsminister Hubertus Heil. Kanzler, Außenministerin und Bildungsministerin reisen später an. Nicht mit von der Partie ist Finanzminister Christian Lindner, der im weit entfernten New York dennoch an Habeck denkt. Denn wenige Stunden vor seinem Abflug am Mittwoch nach Indien war der grüne Wirtschaftsminister auf Konfrontationskurs zum FDP-Chef gegangen.
Der Gruß in Richtung Koalitionspartner erfolgte in Gestalt eines Impulspapiers, das Vorschläge auflistet, um die seit Jahren vor sich hin dümpelnde Konjunktur zu beleben. Zunächst einmal belebte es allerdings die ohnehin recht muntere Uneinigkeit in der Ampel-Koalition.
In dem 14-seitigen Schreiben hatte Habeck eine Kehrtwende in der Haushaltspolitik vorgeschlagen, die mit der FDP nicht zu machen ist. Denn ein Schwerpunkt ist, dass Investitionen von Unternehmen mit einer unbürokratischen Prämie von zehn Prozent gefördert werden – und zwar schuldenfinanziert. Die Prämie soll auf die Steuerschuld des Unternehmens angerechnet werden.
Wie viel Geld dafür zur Verfügung gestellt werden soll, sagt Habeck nicht. Der Wirtschaftsminister stellt jedoch für einen Zeitraum von mehreren Jahren einen mittleren dreistelligen Milliardenbetrag in den Raum. Ein rotes Tuch für die FDP ist auch der von Habeck im Papier erneut ins Spiel gebrachte “Deutschlandfonds” zur Modernisierung der Infrastruktur. Der erfordert eine Lockerung der Schuldenbremse oder Spielräume außerhalb des Regelwerks und ist mit dem Finanzminister deshalb nicht zu machen.
“Intensive Gedanken”
Habeck hatte schon im Februar ein milliardenschweres Sondervermögen zur Entlastung von Firmen vorgeschlagen. Lindner wies den Vorstoß damals zurück: Man könne nicht “Hunderte Milliarden Euro Schulden machen, um Subventionen auf Pump zu zahlen”, so Lindner.
Der FDP schweben allgemeine Steuersenkungen für alle Firmen vor – in der Hoffnung, dass sich diese durch Konjunkturbelebung selbst tragen. Habeck nimmt für sich in Anspruch, dass seine Vorschläge wiederum gegenfinanziert, zeitlich begrenzt und zielgerichtet seien. Der FDP-Ansatz rege außerdem zu wenig zum Investieren an und verursache relativ hohe Einnahmeausfälle beim Staat.
Kaum war das Papier veröffentlicht, kam auch schon die erwartete Erst-Reaktion aus der FDP in Person von Vize Wolfgang Kubicki, der die Vorschläge als “etwas einfältig” bezeichnete. Lindner ist ebenso wenig angetan: “Der Bundeswirtschaftsminister hat nicht einfach einen Vorschlag in die Debatte eingebracht, Robert Habeck fordert eine fundamental andere Wirtschaftspolitik für Deutschland”, sagte Lindner in New York. “Das ist schon ein Hammer.”
Regierungssprecher Steffen Hebestreit stellte trocken fest, das Habeck-Papier sei innerhalb der Bundesregierung nicht abgesprochen. “Das ist mit dem Kanzler nicht abgestimmt, aber das muss es ja auch gar nicht”, sagte er und verwies auf die Ressortverantwortung. Das Papier von Habeck sei “ein Vorschlag in der politischen Debatte”. Es sei sehr sinnvoll, dass sich alle Beteiligten intensive Gedanken machten.
“Steuersenkungspapier”
Derweil weiß der Wirtschaftsminister, dass seine mit höheren Schulden einhergehenden Vorschläge in der jetzigen Koalition keine Chance auf Verwirklichung haben – zumal die Haushaltsverhandlungen ohnehin schon schwierig sind. Bevor Habeck in den militärgrauen Flieger der Flugbereitschaft auf dem Weg nach Neu-Delhi stieg, legte er in Richtung FDP nach und versicherte: “Das ist ein Steuersenkungspapier” – und implizierte damit, dass die FDP die Prämien für Firmeninvestitionen doch eigentlich ziemlich gut finden müsse. Er habe übrigens sehr viel positive Rückmeldungen aus der Wirtschaft bekommen.
Die kann Habeck gut brauchen. Er ist schon von Amts wegen das Gesicht der Wirtschaftskrise des Landes. Das verkorkste Heizungsgesetz hängt ihm nach. Seine Beliebtheitswerte sind im Keller, weit entfernt von den überragenden Werten zu Beginn der Ampel. Mit seinem Papier will Habeck sein angekratztes Image als Wirtschaftsminister aufpolieren – und sich und seine Partei für den nächsten Bundestagswahlkampf positionieren: Im November wird Habeck auf einem Parteitag der Grünen sehr wahrscheinlich zum Spitzenkandidaten für die Wahl im Herbst kommenden Jahres gekürt. Der Austausch mit Lindner wird dann bestimmt noch reger.