Mutterschaft: Wie die Schwangerschaft den Körper und Seele einer Frau verändert – auch zum Positiven |ABC-Z

Seien es Dehnungsstreifen oder größere Füße: Eine Schwangerschaft hinterlässt sichtbare Spuren am weiblichen Körper. Und auch die Psyche kann sie belasten. Doch laut Studien finden sich auch zahlreiche positive Effekte – so leben Mütter etwa länger.
Dehnungsstreifen am Bauch und Krampfadern in den Beinen sind häufige Folgen einer Schwangerschaft, aber bei Weitem nicht die Einzigen. Ein Kind in sich heranwachsen zu lassen, zu gebären und aufzuziehen, hinterlässt vielfache Spuren im Körper und in der Psyche – und zwar oft noch lange, nachdem der Babybauch sich zurückgebildet hat. Dabei sind die Veränderungen nicht nur negativ, es gibt auch positive Effekte.
Mehrere chronische Erkrankungen können durch eine Schwangerschaft ausgelöst werden. So kann ein schwangerschaftsbedingt hoher Blutdruck im späteren Leben zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen führen. Schwangerschaftsdiabetes wiederum erhöht das Risiko für einen Typ-2-Diabetes. Und manche Frauen bekommen Beckenbodenprobleme, weil die Muskulatur ein- oder abgerissen ist oder die Bänder verletzt wurden. Das kann eine Senkung der Organe und Inkontinenz nach sich ziehen.
„Die Schwangerschaft offenbart uns die gesundheitlichen Schwächen der Frauen, die schwanger werden“, sagt Tanja Groten, Professorin für Geburtsmedizin und maternale Gesundheit am Universitätsklinikum Jena. „Wenn jemand eine weniger gute Gefäßgesundheit hat, dann würde das im normalen Leben gar nicht auffallen. Aber die Schwangerschaft ist so eine enorme Belastung, dass dann die Komplikationen entstehen.“
Es sei enorm wichtig, Frauen nach der Schwangerschaft gut weiter zu betreuen, betont Groten. Gerade seien etwa die Blutdruckwerte nach der Schwangerschaft, für die eine Medikation empfohlen wird, herabgesetzt worden. Mithilfe der Medikamente könne der Körper den Umwandlungsprozess nach der Schwangerschaft besser bewältigen.
Doch nicht immer bekommen Frauen Beschwerden, mit denen sie zum Arzt gehen. Häufig treten auch chronische Rückenschmerzen auf oder die Beckenbodenmuskulatur ist geschwächt – sie ertragen die Schmerzen dann irgendwie oder trauen sich nicht mehr zum Joggen, weil ihnen dabei ungewollt Urin abgeht.
Gynäkologin Groten verweist auf Befragungen, wonach die Mehrzahl der Frauen nach einer Entbindung angeben, mit Senkungsbeschwerden zu kämpfen. Neben Urinverlust etwa beim Laufen und Niesen könnten das auch Probleme mit der Blase, dem Darm oder Schmerzen beim Sex sein – übrigens wahrscheinlich unabhängig davon, ob eine Frau vaginal entbunden hat oder per Kaiserschnitt.
Komplikationen bei der Geburt
„Wir können das nicht verhindern, aber wir müssen die Frauen finden, die das betrifft. Diese kann man therapieren, mit Übungen oder einem Pessar.“ Ein Pessar wird in die Scheide eingeführt und übt Druck auf die Scheidenwand aus. Dadurch sollen abgesunkene Strukturen und Organe im Becken mechanisch angehoben werden.
Weitere Veränderungen im Körper können Zähne oder Füße betreffen. Die hormonellen Veränderungen führen bei einigen Frauen zu entzündetem Zahnfleisch und Parodontitis. Die Füße wiederum vergrößern sich bei einer großen Zahl von Schwangeren, weil sich die Gewölbehöhe absenkt. Diese Veränderung, die teilweise eine Schuhgröße mehr bedeutet, kann lebenslang bestehen bleiben.
Einige wenige Frauen leiden während ihrer Schwangerschaft, der Geburt oder im Wochenbett auch unter schweren Komplikationen – etwa Probleme mit dem Herzen, Gebärmutterriss oder schwere psychische Probleme. Eine im November veröffentlichte Studie kommt zu dem Schluss, dass dies auf 3,5 Prozent der Erstgebärenden zutrifft. „Solche Ereignisse können Frauen oft noch lange körperlich und geistig beeinträchtigen“, erklärte Co-Autorin Neda Razaz vom schwedischen Karolinska-Institut.
Wenig überraschend: Die Wahrscheinlichkeit, dass diese Frauen ein weiteres Kind zur Welt brachten, war um zwölf Prozent geringer als bei der Vergleichsgruppe, wie es in der Studie im Fachblatt „JAMA“ heißt. Bei besonders schweren Komplikationen lag der Anteil noch höher. Dazu zählten die Forscherinnen traumatisch erlebte Geburten, einen Schlaganfall, Blutungen im Gehirn, akutes Nierenversagen, schwere Präeklampsie, sprich Schwangerschaftsvergiftung, und Blutgerinnsel.
Doch trotz möglicher Komplikationen und Folgekrankheiten: Frauen mit Kindern leben im Schnitt länger als kinderlose Frauen. Zu diesem Ergebnis kam 2019 unter anderem eine Studie von Kieron Barclay vom Max-Planck-Institut für demografische Forschung in Rostock und Martin Kolk von der Universität Stockholm im „European Journal of Population“. Diese untersuchte nicht nur leibliche Eltern in Schweden, sondern auch Adoptiveltern.
Die Daten zeigen zum einen, dass Frauen, die Kinder zur Welt gebracht haben, seltener an Brustkrebs, aber häufiger an Gebärmutterhalskrebs erkranken. Doch diese Effekte könnten die Sterblichkeitsunterschiede nicht erklären, heißt es. Barclay und Kolk vermuten, dass es nicht die Geburt oder die Kinder sind, die Eltern länger leben lassen, sondern dass die Eltern von vornherein schon besser dastanden. Also: Wer gesund und gebildet ist sowie ausreichend Geld hat, finde eher einen Partner und bekomme Kinder. Der Sterblichkeitsvorteil sei also eher Voraussetzung für als Folge von Kindern.
Doch selbst wenn die Autoren Faktoren wie Bildung und Beruf herausrechneten, fanden sie bei der Mehrheit der Eltern noch einen Vorteil gegenüber Kinderlosen. Sie schließen: Kinder machten ihre Eltern wohl gesünder, weil diese ihren Lebensstil änderten. Sie verunglückten seltener und auch Kreislauferkrankungen träten bei ihnen seltener auf – sie zeigten „ein vernünftigeres und verantwortungsvolleres Verhalten“.
In den vergangenen Jahren ist die mentale Gesundheit von Müttern vermehrt in den Fokus gerückt. Nach Angaben der Stiftung Deutsche Depressionshilfe und Suizidprävention entwickeln 10 bis 15 Prozent der Mütter eine postpartiale Depression, also eine schwerere, länger andauernde und behandlungsbedürftige depressive Erkrankung. Dies sei kein persönliches Versagen, sondern eine Krankheit, die behandelt werden könne, betont die Stiftung.
Bisher bleiben diese psychischen Erkrankungen häufig ohne Diagnose. Trotzdem sehe man auch in Krankenkassendaten einen Anstieg psychischer Erkrankungen in den ersten Jahren nach der Geburt, heißt es in einer Untersuchung des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung in Essen von Juni. Nach vier Jahren sei die Zahl der Frauen, die Antidepressiva verschrieben bekämen, von 2,6 auf 3,7 Prozent gestiegen.
Mögliche Gründe seien weniger Schlaf, Sport und andere Freizeitaktivitäten auf der einen Seite, schreiben die Forschenden. Auf der anderen Seite seien die Frauen psychosozialen Belastungen ausgesetzt und müssten häufig eine umfangreiche Kinderbetreuung leisten. „Es ist aber schwer, Kausalitäten darzulegen“, sagt Mitautor Fabian Dehos. „Denn ein ganzes Bündel an Dingen ändert sich im Leben der Frau.“
Angesichts der psychischen Belastungen seien Maßnahmen nötig, meint Dehos. So hätten Untersuchungen gezeigt, dass eine vor allem verlässliche Kinderbetreuung Mütter entlaste. Auch solle es starke Anreize für Väter geben, mehr Aufgaben zu übernehmen. „Auch ein breiterer Zugang zu psychologischer Hilfe oder Beratung wäre wichtig.“
Kinder sind Teil des Lebensglücks
Der Psychotherapeut und Gynäkologe Wolf Lütje weist darauf hin, dass eine breitere Betrachtung nötig sei als nur jene der Krankenkassendaten. „Wir wissen grundsätzlich, dass Kinder zu haben ein Teil des Lebensglücks ist. Die Zufriedenheit mit dem Leben ist bei Eltern etwas höher, trotz der deutlich erhöhten Belastungen.“ Die Trennungsrate sei im ersten Jahr nach der Geburt am höchsten. Viele Paarbeziehungen seien durch Rollenkonflikte und Abhängigkeiten gestört.
Es komme immer auf die individuelle Familie an, ob Schwangerschaft und Kindererziehung vor allem als Belastung wahrgenommen würden oder als Ressource, meint Lütje, der derzeit Präsident der Deutschen Gesellschaft für Psychosomatische Frauenheilkunde und Geburtshilfe ist. „Was kann einem, der Kinder geboren und großgezogen hat, noch im Leben passieren? Gar nichts. Das kann eine unglaubliche Ressource werden.“
Lütje weist auch darauf hin, dass das Stillen unterstützt werden sollte. „Das ist in jeder Hinsicht eine sinnvolle Maßnahme, körperlich und sozial und psychisch.“
Zahlreiche Studien belegen das. So fand ein österreichisch-britisches Forschungsteam in einer Metaanalyse, dass stillende Frauen Jahre später ein geringeres Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen aufweisen als Frauen, die zwar auch Kinder zur Welt brachten, aber diese nicht stillten.
Die Forscher fanden Effekte in Bezug auf die koronare Herzkrankheit (minus elf Prozent), Herzfehler (14 Prozent weniger) Herzinfarkt (zwölf Prozent weniger) und plötzlicher Herztod (minus 17 Prozent). Frühere Studien hatten festgestellt, dass Frauen, die gestillt haben, auch seltener Brustkrebs, Eierstockkrebs und Typ-2-Diabetes bekommen.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt, Kinder 24 Monate zu stillen, aber meist ist die Dauer geringer. „Man muss unterscheiden zwischen der Stilldauer pro Kind und der Gesamt-Stilldauer einer Frau über die Lebenszeit“, sagt Regina Ensenauer, Vorsitzende der Nationalen Stillkommission.
Es sehe so aus, als wirke eine insgesamt längere Stillzeit in mehrerer Hinsicht schützend für die Mutter, was verschiedene Krankheiten angehe – das könne mit zellulären und hormonellen Veränderungen zusammenhängen, aber man benötige weitere Forschung, meint Ensenauer.
Was auf jeden Fall klar sei: „Stillen hat positive kurz- und längerfristige Auswirkungen auf das eigene Kind“, sagt Regina Ensenauer, zudem Leiterin des Instituts für Kinderernährung am Max Rubner-Institut ist. Denn Muttermilch verfüge über Komponenten, die das Kind vor Infektionen schützten, auf das Darm-Mikrobiom wirkten sowie weitere positive Gesundheitseffekte im weiteren Verlauf des Lebens entfalteten. „Vom Stillen können somit zwei Generationen profitieren.“
Doreen Garud, dpa/lpi