Münchner Süden: Schwefel-Bahn-Linie S7 sorgt für Frust im Isartal – Landkreis München | ABC-Z

Unter allen Strecken im Münchner S-Bahn-Netz kann die S7 zwar mit dem besten Alpenpanorama-Blick aufwarten, ansonsten aber ist die Linie selbst im krisengeprüften MVV-Kontext oft ein besonderer Quell des Ärgers. Vor allem in den vergangenen Monaten sind Frust und Empörung unter den Fahrgästen gewachsen. Denn die Verbesserungen, die im Zuge der Teilung in zwei neue Äste und der Verkürzung der S7-Linie auf die Strecke zwischen Wolfratshausen und Hauptbahnhof – sprich Entkoppelung von der Stammstrecke – im Dezember 2024 versprochen wurden, sind nach anfänglichen Fortschritten nicht nur nicht eingetreten. Die Lage hat sich vielmehr offenbar verschlechtert.
Baierbrunns Bürgermeister Patrick Ott (ÜWG) hat sich nun in einem Schreiben an die Referentin der Deutschen Bahn in Bayern gewandt, das die Tonalität eines Brandbriefes hat: „Nachdem meine Bürgermeisterkollegen und ich am Beginn des Jahres von den Bürgern und Nutzern der S-Bahn zuerst durchaus positive Reaktionen bekommen hatten, dass die S-Bahn nun pünktlicher und zuverlässiger fahre, hat sich dies ab circa Mai des Jahres komplett gedreht und die Lage hat sich massiv verschlechtert“, erklärt er.
Die angeführte Mängelliste ist lang: Verspätungen, Zug-Ausfälle, technische Probleme, Informationschaos, unzuverlässige Apps und Anzeigen sowie auffällig oft funktionsuntüchtige Türen. „Warum das aus dem Ruder gelaufen ist und woran es liegt: Wir wissen es nicht. Es gibt null Kommunikation“, schimpft Ott. Als Reaktion auf die zunehmend eingehenden Beschwerden hat er schon im Juli eine Whatsapp-Gruppe eingerichtet, um die Probleme mithilfe der S-Bahn-Nutzer dokumentieren zu können. An der Gruppe beteiligten sich regelmäßig rund 200 Baierbrunner, gerade an diesem Dienstag laufen wieder Meldungen und Screenshots ein, in denen erneut Verspätungen, Ausfälle und falsche Anzeigen bereits zur morgendlichen Stoßzeit dokumentiert werden.
Der Ärger beschränkt sich natürlich nicht auf die kleine Isartal-Gemeinde, sondern bewegt zahlreiche Fahrgäste entlang der Strecke. Otts Schreiben ist denn auch in Absprache mit den Bürgermeistern von Pullach über Schäftlarn und Icking bis Wolfratshausen verfasst, die „alle mit verständlicherweise harschen und erbitterten Beschwerden aus der Bürgerschaft konfrontiert“ sind, wie es heißt.
Leidtragende sind seit Ende der Ferien nicht zuletzt Schülerinnen und Schüler – zumindest an manchen Tagen. Über den Sommer habe „sich die Situation weiter dramatisch negativ entwickelt“, schreibt Ott. Es habe nicht nur erhebliche Verspätungen gegeben, sondern mehrfach Zugausfälle am Morgen, sodass Schüler teilweise erst zur zweiten Stunde in den Gymnasien Icking und Schäftlarn ankommen konnten.
Stefan Nirschl, Schulleiter am Rainer-Maria-Rilke-Gymnasium in Icking, bestätigt die Mängel. An einem Tag Ende September etwa seien „die Schüler aus Richtung München teilweise erst 60 Minuten nach Unterrichtsbeginn in der Schule angekommen, die Schüler aus Richtung Wolfratshausen mit 15 Minuten Verspätung“. Solche Tage mit morgendlicher S-Bahn-Störung respektive Ausfall seien für das Sekretariat eine „große Herausforderung“ und mit „Sicherheit auch für die Lehrkräfte nicht einfach“. Und: „Vor allem für die jüngeren Schüler und die dazugehörigen Eltern ist das eine schwierige Situation und eigentlich sollten wir alles gegen die Version ‚Elterntaxi‘ tun“, so Nirschl.
Ickings Bürgermeisterin Verena Reithmann (UBI) erklärt dazu: „Zwischen 45 und 59 Prozent der Schüler am Gymnasium versuchen je nach Jahreszeit, mit der S-Bahn zur Schule zu kommen. Störungen führen zum Unterrichts-, aber auch zum gefährlichen Verkehrschaos im Schulzentrum, da es erhebliche Abwanderung ins Elterntaxi gibt.“

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Ein besonders Ärgernis scheint auch die Unzuverlässigkeit der Apps und Anzeigen am Bahnsteig und in den Bahnen selbst zu sein: „Aus unserer Erfahrung heraus stimmen leider auch die Meldungen zur aktuellen Betriebslage oft nicht mit der Situation vor Ort überein“, konstatiert Nirschl. Von „hier zum Teil offensichtlich reinen Fantasie-Angaben“, schreibt Patrick Ott. Das erschwert wohl auch die Mobilität nach Schulende. Zudem weist der Baierbrunner Bürgermeister darauf hin, dass mit der „Wiesn auch die abendlichen Totalausfälle ein sehr kritisches Thema geworden“ seien.
Speziell aus Pullach gibt es noch Klagen, dass sich in jüngerer Zeit die Schrankenschließungszeiten verlängert hätten. Als ob das nicht genug wäre, hat sich bei neu angekauften Zügen eine Problematik mit der zu tiefen Einstiegshöhe dieser Baureihe aufgetan. Das führt vorwiegend bei den barrierefrei ausgebauten Haltestellen Pullach, Höllriegelskreuth und Baierbrunn dazu, dass wegen der Höhendifferenz von 20 Zentimetern der Ein- und Ausstieg für mobilitätseingeschränkte Menschen offenbar nicht mehr möglich ist.
Aus Pullach stammt auch die FDP-Kreisvorsitzende Monika Bock, die im Namen ihrer Parteikollegen in den allgemeinen Ärger einstimmt: „Kreisrat Manfred Riederle und Kreistagskandidatin Anette Westarp vom FDP-Kreisverband München-Land erwarten, dass Landrat Christoph Göbel (CSU) die Bahnverantwortlichen angesichts jüngster Aussagen zur Pünktlichkeit stärker in die Pflicht nimmt. Die Verspätungen und Ausfälle im Münchner S-Bahn-System haben ein unerträgliches Ausmaß erreicht“, heißt es in einer Pressemitteilung der Liberalen. Bock selbst hat auch einschlägige Erfahrungen: „Wie oft muss ich meine Kinder hier von Pullach aus dann doch mit dem Auto ,mal eben schnell‘ wohin fahren, weil die Bahn mal wieder spontan ausfällt.“
Für Ott und seine Bürgermeisterkollegen aus dem Isartal sind die Zustände „unhaltbar“, er spricht im Zusammenhang mit der Verlässlichkeit der S7 von einer „täglichen Lotterie“. „Die große Verkehrswende“ sei dadurch gefährdet.
Die von der Baierbrunner Whatsapp-Gruppe gesammelten und zusammengefassten Daten über einen 75-tägigen Zeitraum – von 11. Juli bis 24. September – ergeben laut Ott eine „vernichtende Kritik“. Es wurden 359 Nachrichten dokumentiert, davon 89 direkte Störungsbeschwerden – das entspricht knapp 25 Prozent aller Meldungen. An 35 von 52 erfassten Tagen kam es demnach zu Problemen. Das Gros betraf Verspätungen, aber auch defekte Türen, Ausfälle oder Kommunikationsmängel tauchen regelmäßig auf.
Was Ott und seine Amtskollegen besonders ärgert, ist die Informationspolitik der Bahn. Es seien „zu keinem Zeitpunkt irgendwelche Erklärungen oder Informationen an uns und die Öffentlichkeit kommuniziert worden. Die Maße der Probleme, die hohe Anzahl an Verspätungen und Zug-Ausfällen sowie die technischen Probleme mit den aus Hannover angekauften Zügen können Ihnen ja nicht verborgen geblieben sein“, schreibt er an die Bahn-Verantwortlichen. Das sei nicht „die Zusammenarbeit, die uns versprochen wurde und die wir erwartet haben“. Im Einvernehmen mit seinen Bürgermeisterkollegen ging das Schreiben auch an Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD), Landrat Christoph Göbel (CSU) und Landtagsabgeordnete aus dem Landkreis München.
Eine angefragte Stellungnahme der Deutschen Bahn lag bis Redaktionsschluss nicht vor.





















