München und Bach: Passt das zusammen? Das Bach-Fest | ABC-Z

Die alte Bach-Gesellschaft wurde 1850 in Leipzig gegründet mit dem Ziel, das gesamte Werk Bachs erstmalig zu sammeln und zu veröffentlichen. Da waren auch Robert Schumann und Franz Liszt dabei. Nach 50 Jahren war das Werk dann vollbracht – und man gründete prompt 1900 die Neue Bachgesellschaft. Bach-Feste wurden nun jährlich gefeiert. Das 99. ist jetzt in München.
AZ: Herr Albrecht, denkt man an Johann Sebastian Bach, fällt einem nicht gleich München ein. Wir sind hier doch eher Mozart-, Wagner, Strauss-Stadt oder Orlando di Lasso…
HANSJÖRG ALBRECHT: Gut, München ist in dieser Hinsicht nicht Leipzig. Und Bach war auch nie in Bayern – wiewohl er private und geschäftliche Verbindungen hierher hatte. Aber es geht ja bei der Verehrung von Bach nicht nur um Orte, wo er seinen Fuß hingesetzt hat, sondern um Orte mit einer kreativen Pflege des Oeuvres. Und da kommt München dann eben doch groß ins Spiel.

© Anne Hornemann
von Anne Hornemann
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Sie meinen Karl Richter: wie Sie im Dresdner Kreuzchor ausgebildet, später in Leipzig Thomasorganist. Und dann der Paukenschlag: die Gründung des legendären Münchener Bach-Chors in den 50ern.
München war durch Richter bis zu seinem frühen Tod 1981 der Nabel der Bach-Welt.
Und zuvor? Tote Hose?
Die Münchner Bach-Verehrung fängt überraschenderweise viel früher an: Im 19. Jahrhundert entdeckte der Komponist und Dirigent Franz Lachner Bach neu, indem er 1842 im katholischen München erstmals die “Matthäus-Passion” aufführte. Das hat wohl damals sogar mehr Wellen geschlagen als die Wiederentdeckung des Oratoriums durch Mendelssohn 1829 in Berlin. Und 1910 gründete der Komponist Alfred Stern eine erste Bach-Vereinigung, die dann 1918 in den Münchner Bach-Verein überging. Carl Orff war übrigens auch für einige Jahre dessen künstlerischer Leiter.

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Mir fällt auch noch Max Reger ein. Der lebte viele Jahre in München, war ein glühender Bachverehrer.
Ja, und er verband Bachs Kontrapunktik mit neuer, kühner Harmonik. Ein historisch interessanter Aspekt ist auch, dass aus Briefen des inneren Kreises der Weißen-Rose-Bewegung hervorgeht, dass man sich damals im Bach-Chor traf. Und der Cellist und Gambist Christian Döbereiner war schon im frühen 20. Jahrhundert ein Pionier der historischen Aufführungspraxis. Er führte als erster auch historische Instrumente ein und initiierte 1925 das erste Münchner Bachfest. In historischen Kostümen zelebrierte man damals im Schloss Nymphenburg Bachs “Brandenburgische Konzerte”.
Womit wir – genau 100 Jahre später – jetzt beim Bach-Fest 2025 in München wären. Aber da ist eine gewisse Mogelei im Spiel, denn es ist das 99. Bach-Fest und nicht das 100.
Ja, weil die Neue Bachgesellschaft in Leipzig die Bachfeste feiert und vergibt. Dass München vor 100 Jahren ein eigenes Bachfest gefeiert hat, ist da ein schöner Anlass. Die Aufgabe der Neuen Bachgesellschaft ist es seit 1900, Bach in alle Welt zu bringen – mit Bachfesten. Und jetzt ist endlich wieder einmal München dran.

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Was hat denn ein Bach-Fest für einen Sinn? Es ist ja nicht so, dass in München Bach nie zu hören wäre – wie auch jetzt in der Kar- und Osterzeit.
Es ist die Idee, in einem Netzwerk alle Kreativität, die mit Bach, Barock, München und Bayern zu tun hat, zu bündeln. München zum Beispiel hat keine große Szene für Alte Musik, aber man muss sich treffen, es zusammenführen. Gerade hat ja dankenswerterweise auch Simon Rattle sein BRSO hip gegründet – wobei “hip” für “historically informed performance” steht. Wenn jetzt das HP8 zum Bachfest-Zentrum und das Café Luitpold zum Festival-Treffpunkt wird, dann ergibt sich einfach ein geballtes, großes Spektrum – mit bisher über 200 großen und kleinen Veranstaltungen. Von Simon Rattle mit seinem BR SO in der Isarphilhamonie, der Werke der Bachverehrer Schumann und Strawinsky aufführt über den Windsbacher Knabenchor mit dem Freiburger Barockorchester, die das Eröffnungskonzert zelebrieren. Und die Münchner Musikhochschule bringt Bachs “Matthäus-Passion” als Innovationsprojekt auf die Bühne. Der Liebfrauendom macht mit.
Am Gärtnerplatztheater wird die “Kaffeekantate” aufgeführt. Eine weltliche Kantate als Gegengewicht zu dem ganzen klerikalen Programm, mit dem Bach zu stark verbunden wird.
Man darf das nicht gegeneinander ausspielen. Aber Bach hat selbst einmal gesagt, dass er sich am Hof in Köthen am wohlsten gefühlt hat. Und sein “Soli Deo Gloria”, was er unter seine Werke schrieb, ist sein sehr persönliches, tiefes Glaubensbekenntnis – ganz unabhängig von der Institution Kirche, deren “Obrigkeit” ihn ohnehin nicht verstanden hat und immer wieder mit Reglementierungen angekommen ist, um Bach zu behindern. Wenn er katholisch gewesen wäre und den Posten des Hofkapellmeisters am Dresdner Hof bekommen hätte, wäre er der größte deutsche Barockopernkomponist geworden und hätte Händel in die Tasche gesteckt.

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Sie selbst werden beim Bach-Fest dirigieren und Orgel spielen?
Ich leite die Ouvertüre zum Bachfest an Allerheiligen in der Allerheiligen-Hofkirche. Mit einem Festival-Ensemble führen wir “mit Pauken & Trompeten” repräsentative Kantaten aus Bachs Kantatenjahrgang 1725 auf. Im Bergson ist ein Orgel-Happening in Planung. Und ich werde die “6 Partiten” von Bach in einem Marathon in der Markuskirche aufführen, spiele ein Konzert anlässlich Enjott Schneiders 75. Geburtstag unter anderem mit seiner “BACH-Sinfonie” und wir arbeiten an einem Orgelmarathon in ganz Bayern. Originellerweise war Bayern ja eine Hochburg der Gegenreformation, was in der von Italien inspirierten Barockarchitektur sichtbar ist. Da ist es natürlich herrlich, wenn man genau hier die Musik des größten protestantischen Komponisten aufführt, der ja als “Fünfter Evangelist” gilt. Selbst Kardinal Marx hat mir einmal bekannt: “Kein Tag ohne Bach!”
Sind Sie als Mitveranstalter stolz, das Bachfest nach München geholt zu haben?
Natürlich. Die Idee hatte ich vor circa zehn Jahren. Aber es bedarf eines starken Netzwerkes und da bin ich einfach sehr dankbar für die großartige Umsetzung. Es ist ja nicht einfach so, dass man solch ein partizipatives Festival ausruft und es läuft von allein.
Sind Sie zufrieden?
Es gibt natürlich immer eine Steigerung. Mehrere große Herzensprojekte ließen sich nicht umsetzen. Aber das Programm wächst täglich, weil sich immer mehr beteiligen. Wir können also mit dem Bachfest Münchens Reichtum an Sälen, Kirchen, Ensembles, Klangkörpern und Einzelkünstlerinnen und Künstlern verdichtet für die Idee des Bachfests nutzen, nicht nur in Form von Konzerten, sondern auch mit Lesungen, Festen, Ausstellungen, Tanz. Und damit habe ich noch lange nicht alle interessanten Veranstaltungsformen genannt – wie zum Beispiel ein Radl-Konzert.
Wann: Vom 31. Oktober bis 30. November 2025
Eröffnungskonzerte:
Eröffnungsgottesdienst am Reformationstag: 19 Uhr Matthäuskirche, mit dem Münchner Mottetenchor
So, 2. November, 15 Uhr, Isarphilharmonie: Freiburger Barockorchester, Windsbacher Knabenchor und Solisten: Kantaten und Konzert für drei Violinen und Streicher.
Registrierung für eigenes Projekt: kulturdaten.de/bachfest/registration
Das gesamte Programm mit Kartenbuchung findet man unter www.bachfest.info