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München: Marco Goeckes neues Ballett am Gärtnerplatztheater – München | ABC-Z

Es kann sein, dass man Marco Goecke in diesen Tagen im Glockenbachviertel begegnet. Vielleicht im Café Nil an der Hans-Sachs-Straße. Der Choreograf hat gerade viel in München zu tun. Unlängst präsentierte er im Prinzregententheater „Devil’s Kitchen“, eine neue Choreografie zur Musik von Pink Floyd. Wochenlang hatte er dafür mit den Tänzerinnen und Tänzern des Bayerischen Junior Balletts München geprobt, und teils auch mit ihnen zusammen gewohnt. Im Haus der Heinz-Bosl-Stiftung in Schwabing, wo er selbst in den Achtzigerjahren in der Tanzausbildung war. Am 17. Juli steht nun die nächste Goecke-Premiere an. Das Gärtnerplatztheater zeigt den zweiteiligen Ballettabend „Strawinsky in Paris“.

Ein Titel, der einen Sturzbach an Bildern, an Tönen und Geschichten losreißt. Das archaisch, schwüle Fagottsolo eingangs von Strawinskys „Sacre du printemps“ etwa, dann stampfende Rhythmen in wüst gegenläufigen Takten, der handgreifliche Tumult im Théâtre des Champs-Élysées in Paris bei der Uraufführung des Balletts, Vaclav Nijinskys rohe, bahnbrechende Choreografie. „Sacre“ stellte die Welt von Musik und Tanz auf den Kopf, eine Revolution, fortan sollte es ein Vorher und ein Nachher geben. 1913 war das.

Viele Filme haben diese ikonische Szene aus dem Musical „Ein Amerikaner in Paris“ zitiert: Gene Kelly und Leslie Caron tanzen am Ufer der Seine. (Foto: imago stock&peope/ imago images/United Archives)

Wir reisen auf dem Zeitstrahl ein paar Jahrzehnte in die Zukunft, ins Jahr 1951. Schauplatz ist wieder Paris, oder das, was sich die Studiobosse von Metro Goldwyn Mayer darunter vorstellten. Gene Kelly und Leslie Caron tanzen im Musical „Ein Amerikaner in Paris“ schwer verliebt am Seine-Ufer, Kelly, dieser Athlet von einem Tänzer, singt mit Kindern zusammen „I Got Rhythm“, steppt wie ein Irrer und hat natürlich dieses breite US-Boy-Lächeln im Gesicht. Der Film von Vincente Minnelli (Papa von Liza) gewann sechs Oscars. Einer davon ging an George Gershwin, posthum. Denn die Musik zum Musical hatte schon 1928 in der New Yorker Carnegie Hall ihre Uraufführung.

Gershwin und Strawinsky, diese beiden Jahrhundertkomponisten, sind sich 1925 in New York zum ersten Mal persönlich begegnet. 100 Jahre später treffen sie sich im Gärtnerplatztheater wieder. Doch die Stadt, welche die beiden emotional verband, war Paris. Dort hatte 1928 Gershwin Strawinsky sogar mal gebeten, ihm das Komponieren beizubringen.

Jeroen Verbruggen (rechts) studiert mit dem Staatsballett am Gärtnerplatz seine Choreografie zu Gerorge Gershwins „An American in Paris“ ein.
Jeroen Verbruggen (rechts) studiert mit dem Staatsballett am Gärtnerplatz seine Choreografie zu Gerorge Gershwins „An American in Paris“ ein. (Foto: Marie-Laure Briane)

Der Doppelabend im Gärtnerplatztheater führt nicht nur die beiden Komponisten zusammen, sondern auch zwei interessante Choreografen, die beide bereits am Haus gearbeitet haben. Jeroen Verbruggen studiert mit dem Staatsballett „An American in Paris“ ein. Der Belgier hat lange als Erster Solist am Ballets de Monte-Carlo getanzt, unter anderem auch in Stücken von Marco Goecke, mit dessen ehemaliger Compagnie, dem Staatsballett Hannover, er 2023 sein erstes abendfüllendes Handlungsballett, die Choreografie „Hokus & Pokus“ erarbeitete.

Vor zwanzig Jahren, sagt Choreograf Marco Goecke, hätte er sich noch nicht an eine Choreografie wie „Le Sacre du Printemps“ gewagt.
Vor zwanzig Jahren, sagt Choreograf Marco Goecke, hätte er sich noch nicht an eine Choreografie wie „Le Sacre du Printemps“ gewagt. (Foto: Christophe Gateau/dpa)

Hannover. Marco Goecke hat das Haus inzwischen verlassen. Man erinnert sich, seine Hundekot-Attacke auf eine Journalistin dort im Foyer. Ein Skandal, der an dem 53-Jährigen, der in diesem Sommer seinen Job als Künstlerischer Leiter und Haus-Choreograf des Balletts am Theater Basel antritt, wohl noch langen kleben wird. Und der auch bei einem Gesprächssalon unlängst im Café Luitpold zur Sprache kam. „Nach meinem Skandal wussten die Leute zum ersten Mal, was ein Choreograf ist“, so Goecke, vor ihm habe es wohl nur Pina Bausch in die Tagesschau geschafft.

Klingt zynisch. Doch nein, das Publikum erlebte einen sehr nachdenklichen, selbstkritischen, mit seinem Job hadernden Marco Goecke, der viel von sich preisgab, von seiner Jugend als Schwuler in Wuppertal erzählte. Von seiner Zeit an der Bosl-Stiftung, als er mit seinem Freund in Frankreich so kostspielige Ferngespräche führte, dass ihn Konstanze Vernon in ihr Büro zitierte. Die 90er in München. Goecke, der damals alles mitnahm, „auf den Tischen tanzte“, vermisst die damalige Lässigkeit.

Nun also „Sacre“. Er tritt damit auch in die riesigen Fußstapfen von Pina Bausch, mit ihrem „Frühlingsopfer“ ist er, der Wuppertaler, groß geworden. Sie hat ihn gefördert. Dass Einflüsse von ihr da in seine Arbeit einfließen, das sei keine Schande, „dafür haben solche Leute den Weg ja auch frei gemacht, für das, was heute alles möglich ist“.

„Strawinsky in Paris“, Premiere: Donnerstag, 17. Juli, 19.30 Uhr, Gärtnerplatztheater, www.gaertnerplatztheater.de

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