München: Die Servus Bar in Sendling im Test – München | ABC-Z

611 Kilometer liegen zwischen München und Düsseldorf. Doch betritt man die Servus Bar im Sendlinger Stemmerhof, baumelt dort eine Weihnachtskugel der Toten Hosen von der Decke. Betreiber Christian Bade, selbst Urmünchner, zitiert die rheinische Punkband gern. Zum Beispiel, dass man doch lieber den guten Freund nehmen solle, wenn man einen Band zusammenstellt, statt den großartigen Musiker. Die Musik, die werde sich schon ergeben auf dem Weg.
Die Hosen-Affinität sagt viel über ihn und seine Bar, die zwar oben auf dem Sendlinger Berg thront, aber mehr auf Nettigkeit und Bodenständigkeit setzt als auf kunstvolle Weinschwenker. Zwischen Biomarkt, Goldschmiede und Hoftheater ist sie eingebettet in den Untersendlinger Stemmerhof, dieses Dorf im Dorf. Wo früher noch Milch ausgegeben wurde, gibt es heute etwa Kaffee vom Giesinger Koffein-Paradies Fausto, Franzbrötchen zum Frühstück, selbst gebackenes Brot, saftige Quiche – und zwischen 40 und 60 verschiedene Weinsorten.
Der Weinmarkt ist ein hart umkämpfter, und wenn in München mal wieder eine bodenständiger Burgerladen schließt, dann folgt darauf, na klar, eine Weinbar. Bade hat das dennoch nicht abgeschreckt. Er besucht Weingüter in der Pfalz, Baden, der Toskana, um neue Sorten vorzuschmecken. Mit seiner Servus Bar möchte er gerade die Leute abholen, die keine Wein-Profis sind und trotzdem auf der mit Kuscheldecken bestückten Terrasse das Ambiente genießen wollen. Dabei helfen einem auch die Bedienungen, die einen eher freundlich als kundig durch die Getränkekarte navigieren. So fühlt man sich als Wein-Novize zumindest nicht fehl am Platz – und kann sich, hat man einmal Feuer an einem Tropfen gefangen, gleich kistenweise eindecken.
Überhaupt passt hier jeder irgendwie rein. Hier werden nicht mal diejenigen schief angeschaut, die zwei Stunden am selben Kaffee nippen, während sie in ihr Buch vertieft sind. In München ja fast schon ein Luxus mit all seinen fließbandartigen Gastro-Betrieben, in denen einem nicht selten nach 90 Minuten von einer resoluten Bedienung erst der Teller und dann der Sitzplatz entrissen wird. Natürlich muss sich auch die Servus Bar rechnen, doch Bade denkt hier eher langfristig.

Hier gilt: Savoir-vivre statt Effizienz, Ratschen statt Reservierungen, was auch die humanen Pachten im Stemmerhof ermöglichen. Kein Wunder also, dass die Bar eine beliebte Anlaufstelle für Dates ist. Im Zweifel wartet das nette Personal eben noch mit dem Schließen, bis alles ausgeredet ist und die Weinflasche leer – auf dass es so richtig funkt. Übrigens auch bei denen, die hier ohne vorherige Online-Verabredung ins Gespräch kommen. Beim Anbandeln hilft auch das Sitzkonzept: Ist es voll, wird eben nachverdichtet – und zack, kommt man ins Gespräch. „Tinder analog“, nennt Bade den legeren Nebeneffekt seiner Weinbar.
Eine gute Zeit will er hier eben verkaufen. Gut auch, dass seine Bar Herbst-kompatibel ist. Draußen kann man die letzten Sonnenstrahlen genießen; zieht der Regen rüber, flüchtet man eben rein. Versinkt man hier einmal tief im Kuschelfell und Gespräch mit der Freundin, da kommt dieses Gefühl hoch, das so schön von den Toten Hosen besungen wurde: An Tagen wie diesen wünscht man sich Unendlichkeit. An Tagen wie diesen haben wir noch ewig Zeit.
Servus Bar, Plinganserstraße 6, Öffnungszeiten: Dienstag bis Freitag 8 bis 23.30 Uhr, Samstag und Sonntag, 10 bis 23.30.