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München: Bande stiehlt in ganz Europa teure Wertsachen – Erding | ABC-Z

Mit ihren grau melierten Haaren sieht die zierliche Frau auf der Anklagebank des Landgerichts nicht nur deutlich älter aus als der sportliche 40-jährige Mann neben ihr. Sie ist es auch – und zwar um 29 Jahre. Beide versuchen, sich beim Prozessauftakt am Dienstag ohne Dolmetscher zu unterhalten. Von den Justizbeamten wird das mehrfach unterbunden.

Dass sie als Mitglieder einer achtköpfigen Bande europaweit hochwertige Gegenstände gestohlen haben, haben die beiden nach einer Verständigung mit Staatsanwaltschaft und Gericht zugegeben. An der ersten der zur Last gelegten Taten am Abend des 8. Juni 2022 soll nur der Mann beteiligt gewesen sein. Er und seine Komplizen haben gewartet, bis ein Paketfahrer Luxusartikel aus einem Geschäft im Münchner Osten in seinen Transporter eingeladen hat.

Als der Fahrer nochmal ins Geschäft geht, brechen sie laut Anklageschrift das Schloss zum Laderaum des Transporters auf und stehlen unter anderem ein Paar Schuhe im Wert von knapp 1200 Euro und vier Sonnenbrillen für 2000 Euro. Um sicherzugehen, dass der Fahrer sie nicht stört, ist ihm einer der Täter gefolgt und hat den Aufzug angehalten. Drei Tage zuvor waren die Chilenen nach Deutschland eingereist, haben Wohnungen und Autos gemietet und den Tatort ausgekundschaftet.

Bei sieben weiteren Diebstählen in München, Frankfurt am Main, Bad Homburg und Erding gehen die Täter ähnlich vor. Ab der dritten Tat ist auch die 69-jährige Angeklagte beteiligt. Die Bande erbeutet unter anderem Ringe, Ketten, Armbänder und Uhren von Cartier, die zum Teil mehr als 10 000 Euro wert sind, weitere Luxusuhren und eine Strickjacke von Armani im Wert von 1500 Euro.

Ein Transportfahrer wird gleich zweimal Opfer der Bande

Ob sie mit Geschäftsunterlagen der Max-Planck-Gesellschaft, die ihnen in die Hände gefallen sind, etwas anfangen konnten, ist zweifelhaft. Sicher etwas anfangen konnten sie mit den 98 Goldmünzen, die eines ihrer Opfer bei einem Münchner Edelmetallhändler abgeholt hatte. Den Fahrer aus der ersten Tat hat es gleich zweimal getroffen: Vier Monate später ist er Opfer derselben Masche geworden, diesmal in der Münchner Innenstadt.

Laut Anklage beträgt der Schaden insgesamt 660 000 Euro – in einem knappen halben Jahr. Darin eingerechnet sind die 220 000 Euro, die die Bande in Erding erbeutet hat. An einem Nachmittag im November 2022 haben die Angeklagten und ihre Komplizen einen Transporter verfolgt, dessen Fahrer Gold und Silber bei einem Edelmetallhändler eingeladen hatte.

Als der Kurier an einer nahegelegenen Tankstelle anhält, soll die angeklagte Frau dem Mann in den Verkaufsraum gefolgt sein, „um diesen abzulenken“, wie es in der Anklage heißt. Innerhalb von fünf Minuten räumen die weiteren Bandenmitglieder 14 Pakete mit Münzen und Barren aus dem Transporter. Dieser steht unverschlossen an der Tankstelle.

Zwei weitere Bandenmitglieder sind bereits verurteilt

Zwei andere Mitglieder der Bande hat das Landgericht bereits verurteilt: zu Strafen von fünf Jahren und acht Monaten beziehungsweise fünf Jahren und elf Monaten. In Dealgesprächen hat der Verteidiger des nun angeklagten Mannes auf minder schwere Fälle des Bandendiebstahls plädiert. Sein Mandant leide an paranoider Schizophrenie. Das psychiatrische Gutachten, in dem dies nicht festgestellt wurde, sei falsch, argumentierte der Anwalt.

Der Vorsitzende Richter gab zu erkennen, dass die Kammer zwar von Wahnvorstellungen des Angeklagten ausgehe. Diese seien aber nicht Folge einer psychischen Erkrankung, sondern der Einnahme von Drogen. Einen Zusammenhang mit den Taten sehe die Strafkammer nicht. Strafmildernd sei hingegen eine „schwere Belastung in der Kindheit“ des Angeklagten zu berücksichtigen. Dieser stünden jedoch das professionelle Vorgehen bei den Diebstählen und die Vorstrafen des 40-Jährigen wegen gleichartiger Taten – neun in Spanien und zwei in Belgien – gegenüber.

Insgesamt hielt das Gericht eine Freiheitsstrafe zwischen fünfeinhalb und sechseinhalb Jahren für angemessen. Damit war der 40-Jährige ebenso einverstanden wie die angeklagte 69-Jährige mit einer Haftstrafe zwischen viereinhalb und fünf Jahren. Die Geständnisse, die die beiden daraufhin abgelegt haben, dürften den bis Ende August geplanten Prozess deutlich verkürzen.

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