Münchner Universität verhindert Palästina-Vortrag von UN-Sonderberichterstatterin – München | ABC-Z

Der Vortrag war für Sonntag, 16. Februar, angekündigt. Francesca Albanese sollte über „Kolonialismus, Menschenrechte und Internationales Recht“ sprechen. Reserviert war ein Hörsaal in der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU). Kurz nach Veröffentlichung der Veranstaltung Ende Januar wurde sie schon wieder abgesagt: Die LMU hatte den bereits zugesagten Hörsaal storniert.
Relevant ist der Vorgang, weil die italienische Juristin Albanese Sonderberichterstatterin der Vereinten Nationen für die Lage der Menschenrechte in den von Israel besetzten palästinensischen Gebieten ist. Die Absage ihres Auftritts habe die Uni in einer E-Mail an die Veranstalter nach deren Angaben mit der allgemeinpolitischen Ausrichtung des Vortrags begründet, zudem mit Sicherheitsbedenken angesichts eines zu erwartenden „Meinungskampfs“.
Francesca Albanese ist eine scharfe Kritikerin der israelischen Regierung und deren Politik. Sie sagte bereits im März 2024, dass sie im militärischen Vorgehen in Gaza in Reaktion auf den Hamas-Terror „vernünftige Gründe“ für die Annahme eines Völkermords sehe. Die Vereinten Nationen fassen die Meinung Albaneses so zusammen: „Die ‚koloniale Amnesie des Westens‘ habe Israels koloniales Siedlerprojekt geduldet und die Welt sehe nun ‚die bitteren Früchte der Straffreiheit, die Israel gewährt wurden‘. Die derzeitige Situation sei eine vorhergesagte Tragödie.“
Albanese wird am Wochenende bei der Sicherheitskonferenz in München erwartet. Am Samstag, 15. Februar, will sie bei der parallel stattfindenden Münchner Friedenskonferenz auftreten. Für den folgenden Tag hat eine LMU-Gruppe namens „Decolonial Practices Group“ sie eingeladen. Die lose organisierte Gruppe, so erklärt es ein Mitglied im Gespräch mit der SZ, setze sich zusammen aus etwa 15 bis 20 Akademikern, die an der LMU studieren oder arbeiten. Die Gruppe ist am „Rachel Carson Center“ für interdisziplinäre Recherche zu Umwelt und Gesellschaft angesiedelt und organisiert Veranstaltungen zu diversen globalen Themen. Namentlich wolle niemand genannt werden aus Sorge vor Anfeindungen.
Die Gruppe hat sich inzwischen an die Öffentlichkeit gewandt: „Wir sind zutiefst besorgt über einen weiteren Fall, in dem ein dringend notwendiger akademischer Diskurs über die ernstzunehmende Situation in Israel/Palästina in Deutschland verweigert wird.“ In einer auf Englisch verfassten Erklärung betont die Gruppe, dass es sich bei Albanese um eine international anerkannte Juristin handle, die regelmäßig an renommierten Hochschulen auftrete. Mit dem Stornieren des Hörsaals handle die LMU ihrer historischen und ethischen Verantwortung zuwider, einen offenen Diskurs zu ermöglichen. Die Organisatoren bemühen sich nach eigenen Angaben um einen alternativen Saal.
Fragen der SZ zu den von der Uni offenbar angeführten Sicherheitsbedenken ignoriert eine LMU-Sprecherin in ihrer Stellungnahme. Sie begründet die Absage mit der Ausrichtung der Veranstaltung: „Die LMU stellt grundsätzlich keine Räumlichkeiten für allgemeinpolitische Veranstaltungen zur Verfügung.“ Auch sei die beantragte Veranstaltung „nicht in eine wissenschaftliche Konferenz eingebunden“, dies sei erst bei einer „späteren routinemäßigen Überprüfung von Raumanfragen aufgefallen“.
„Ein direkter Affront gegen die Grundsätze der akademischen Freiheit“
Die Entscheidung der LMU kritisieren drei Professoren in einem offenen Brief an die Uni-Leitung: Der jüdische Musiker Michael Barenboim von der Barenboim-Said-Akademie in Berlin, der sich für Palästinenser engagiert; die Volkswirtschaftlerin Christine Binzel von der Uni Erlangen-Nürnberg und Hanna Kienzler, die am King’s College London zu „Global Health“ arbeitet. Sie kritisieren das Vorgehen der LMU als „nicht nur zutiefst beunruhigend“.
:Katholische Akademie kündigt Saal-Vertrag für Münchner Friedenskonferenz
Aktivisten laden im Februar zur Diskussion über Krieg und Frieden. Sprechen soll unter anderem die umstrittene UN-Sonderberichterstatterin für Palästina. Wurde die Raum-Buchung deshalb storniert?
Die Saal-Stornierung sei „auch ein direkter Affront gegen die Grundsätze der akademischen Freiheit und des demokratischen Engagements. Ein solches Vorgehen untergräbt die Glaubwürdigkeit der Universität als einer Institution, die sich der Förderung von wahrer Wissenschaft, intellektueller Auseinandersetzung und des Austauschs widmet, frei von politischem Druck. Es schafft damit einen gefährlichen Präzedenzfall, mit weitreichenden Folgen für die deutsche Forschungslandschaft und seiner internationalen Reputation.“ Albanese selbst reagierte auf die Absage mit einem Post bei X: „Wenn Ideologie anfängt, Menschen zum Schweigen zu bringen, gibt es keine Freiheit mehr.“
Die Absage der LMU reiht sich ein in eine längere Liste von Veranstaltungen in München, die sich mit dem Israel-Palästina-Konflikt beschäftigen und von verschiedenen Institutionen abgesagt oder erschwert wurden. Zuletzt stornierte die Katholische Akademie die Vermietung ihres Saales an die Friedenskonferenz, offiziell ohne Angabe von Gründen. Ein Zusammenhang mit dem geplanten Auftritt Albaneses liegt jedoch nahe, ein Akademiesprecher erklärte auf Fragen der SZ: Man wolle darauf achten, „dass die Grenze des Sagbaren in unseren Räumlichkeiten auch durch Gastgruppen und deren Redner:innen nicht überschritten wird“. Die Friedenskonferenz wird nun großteils im privaten „Smartvillage“ im Arabellapark stattfinden.
Die Evangelische Stadtakademie sagte im Oktober ein Podium über den Nahost-Konflikt ab, obwohl dort der Chef der Europäischen Rabbinerkonferenz mitdiskutierte. Grund war die Teilnahme eines bundesweit bekannten und umstrittenen palästinensischen Aktivisten.