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München: Im Wahn auf Mitbewohner mit Küchenmesser eingestochen – Prozess – München | ABC-Z

„Frau Richterin“, sagt Lami O. (Name geändert) und rollt dabei das „R“ ganz vorne auf der Zungenspitze, „mir geht es gut, ich fühle mich gut.“ Und wie er so dasitzt in seinem blauen Anorak und höflich, ja fast treuherzig, alle Fragen beantwortet, kommt man nicht umhin, den 49-Jährigen sympathisch zu finden. Lami O. ist sicher ein netter Zeitgenosse – solange er seine Medizin einnimmt. Wenn nicht, dann sieht er Schwerter, hört Stimmen, greift im psychotischen Wahn zum Messer und sticht es einem Mitbewohner in die Seite. So wie vergangenes Jahr im November. Deshalb soll nun die 1. Schwurgerichtskammer am Landgericht München I entscheiden, ob Lami O. dauerhaft in einer geschlossenen Einrichtung untergebracht werden soll.

Staatsanwalt Felix Prokop jedenfalls ist überzeugt, dass Lami O. „für die Allgemeinheit gefährlich ist“. Er wirft ihm heimtückisches Handeln vor, dass O. an jenem 24. November 2023 im Zustand der Schuldunfähigkeit einen versuchten Mord verübt habe.

Zu dieser Zeit lebte der gebürtige Münchner in einer betreuten Wohngruppe an der Albert-Roßhaupter-Straße. In der Gemeinschaftsküche soll er laut Staatsanwalt „ohne erkennbaren Anlass“ mit einem Küchenmesser auf einen 65-jährigen Mitbewohner eingestochen haben. „Jetzt hab’ ich dich“, soll er dabei gerufen haben. Anschließend sei er geflüchtet. Der Geschädigte wurde in einer Klinik behandelt und überwacht.

Verteidigerin Ruth Beer räumt im Namen ihres Mandanten die Tat ein. Jedoch habe er nicht gezielt oder in Tötungsabsicht gehandelt. Zur Tatzeit habe er an einer Psychose gelitten, „er sah durch das Fenster im Haus gegenüber ein Fensterkreuz, das sich in seinen Augen bewegte und zu einem Schwert formierte“, erläutert sie. O. habe sich bedroht gefühlt und panisch nach irgendeinem Messer gegriffen. Erst als er zugestochen hatte und sein Gegenüber „oh Gott“ rief, sei er „wachgerüttelt“ worden und habe sofort von dem Mitbewohner abgelassen. Er wolle sich entschuldigen, „dieser Schreck reicht für ein ganzes Leben“, zitiert sie ihren Mandanten.

Schon sein halbes Leben lang leidet Lami O. unter paranoider Schizophrenie. Nach der Hauptschule und einer abgebrochenen Lehre habe er daheim Stress mit den Eltern gehabt, erzählt O. Er habe Drogen ausprobiert. „Heroin durch die Nase, Koks und Cannabis“. Damit er von den falschen Freunden wegkommt, hätten ihn seine Eltern zu Verwandten in die Türkei geschickt. „Dort habe ich dann angefangen zu fantasieren und kam in die Psychiatrie.“

Seitdem kam O. immer wieder in die Psychiatrie, lebte in sozialen Einrichtungen, bekam Psychopharmaka – und setzte sie immer wieder ab. „Es ging mir gut, auch ohne Medikamente, und ich nahm Gewicht ab und war nicht mehr so träge“, erzählt er. Jetzt nehme er 15 Milligramm Olanzapin, „aber ich würde gerne zehn nehmen“, teilt er dem Gericht mit. „Sie wollen ja schon wieder reduzieren“, hält ihm die Vorsitzende Richterin Elisabeth Ehrl vor. „Frau Richterin, dann bleib’ ich bei 15“, antwortet er. Anfang Dezember will die Kammer ein Urteil sprechen.

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