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Das Netzwerk der AfD-Chefin: Ganz nah dran an Alice Weidel ist wohl nur eine Person | ABC-Z

Kein Spitzenpolitiker kommt ohne einen Menschen im Hintergrund aus, ohne Berater und Vertraute. Mit wem bespricht sich AfD-Chefin Alice Weidel? Ein Überblick.

Auf der Parteitagsbühne, in der Wahlarena, in Interviews steht Alice Weidel derzeit allein. Sie ist das Gesicht der Partei. Die Spitzenkandidatin. Hinter ihr hat sich die AfD versammelt. Für den Moment.

Weidels Porträt prangt auf einem hellblauen AfD-Shirt. Im Wahlkampfendspurt wirbt die AfD-Chefin dafür, dass Fans der Partei am Sonntag noch zwei weitere Wähler mit zum Wahllokal nehmen und davon Selfies posten. Der Preis für die besten Fotos: ein signiertes Alice-Shirt.

Netzwerk an Beratern, Vertrauten und Verbündeten ist schwer zu durchschauen

Fans hat die AfD-Chefin viele. Aber wer gehört wirklich zum Netzwerk von Alice Weidel? Wer sind ihre Berater, Vertrauten, Verbündeten? Bei kaum einem Kandidaten ist das so schwer durchschaubar.

Ihr Privatleben hält Weidel so weit wie möglich aus der Öffentlichkeit. Ein Interview zu ihrem Wahlkreis und Wohnsitz brach Weidel kürzlich ab. 

Bei Fragen nach ihrer Familie reagiert sie häufig wütend. Und wenn etwa der „Spiegel“ Vereinbarungen mit Beratern aufdeckt, dementieren beide Seiten, Weidel wie auch die potenziellen Berater.

Viele wissen: Wer öffentlichen Umgang mit der AfD-Chefin pflegt, macht sich angreifbar. Beispiel: Molkerei-Milliardär Theo Müller bezeichnet Weidel als „Freundin“, traf sich mehrfach mit ihr. 

Dem „Handelsblatt“ sagte Müller, er habe „nicht den geringsten Anhaltspunkt“ gefunden, der auf NS-Ideologie schließen lasse. Mit Spenden unterstütze er die Partei nicht.

Die Kritik an einem solchen Kontakt zu einer Partei, die etwa der Verfassungsschutz für in Teilen rechtsextrem hält, war groß. Kurz nach Bekanntwerden verließ ein prominentes Mitglied den Müller-Verwaltungsrat. Der Kontakt zwischen Müller und Weidel soll ein Grund dafür sein. Es kam zu Boykott-Aufrufen gegen Müller-Produkte.

Weidel in engem Austausch mit Sebastian Münzenmaier 

Doch es gibt sie, die Menschen, die von vielen innerhalb und außerhalb der Partei zu engeren Vertrauten oder mindestens Verbündeten gezählt werden.

Innerhalb der Partei fallen immer wieder dieselben Namen. Das Netzwerk rund um den Bundestagsabgeordneten Sebastian Münzenmaier etwa. Münzenmaier ist Landesvorsitzender in Rheinland-Pfalz, gilt als gemäßigt im Ton, aber nicht in der Ideologie.

Weidel stehe offenbar in gutem Austausch mit dem Münzenmaier-Netzwerk, sagt etwa Politikberater und -beobachter Johannes Hillje. „Dazu gehören auch René Aust und René Springer. Die vertreten keine grundlegend andere Ideologie als Höcke, sind aber strategisch anders aufgestellt und können mittlerweile etwa bei Parteitagen Bündnisse schmieden und mobilisieren.“

Hillje arbeitet derzeit im Wahlkampf-Team von Robert Habeck, hat in der Vergangenheit zudem SPD und FDP beraten und hat zu AfD und Populismus publiziert.

Der Politikberater beschreibt Weidel als „eine strategische, aber auch opportunistische Machtpolitikerin. Sie knüpfe ihre Netzwerke „mit dem Ziel, ihre Machtbasis auszubauen, weniger entlang einer politischen Agenda.“ 

Auch Markus Frohnmaier gilt als Teil des Weidel-Netzwerks

Ein gutes Beispiel sei der Umgang mit Björn Höcke. „Der Machtkampf in der AfD ist zugunsten von Höcke ausgegangen und sie hat sich da opportunistisch untergeordnet. Nach innen tritt sie radikal auf, nach außen vermeintlich normal.“

Auch der Baden-Württembergische Abgeordnete Markus Frohnmaier gilt als Teil des Weidel-Netzwerks. Frohnmaier ist mittlerweile Co-Vorsitzender im Landesverband Baden-Württemberg, Weidels Heimat-Verband. Zeitweise war er Weidels Pressesprecher, war Mitgründer der Jungen Alternative, die als gesichert rechtsextrem gilt und nun aufgelöst werden soll.

Weidels Sprecher Daniel Tapp verweist zudem auf vielfältige Kontakte der Parteivorsitzenden zur Basis. „Sie profitiert sehr davon, dass sie die Partei seit vielen Jahren gut kennt und hat viele direkte Handynummern von Vertretern auf Kreisverbandsebene und über Lager hinweg“, sagte Tapp dem Tagesspiegel.

„Auch mit Winfried Stöcker gibt es einen Austausch“

Anders sieht es in der Wirtschaft aus. Zwar zirkulieren bestimmte Namen, insbesondere von Milliardären. Im Zusammenhang mit jüngsten Vorwürfen zu Strohmann-Spenden fiel etwa einmal mehr der Name von Immobilienmilliardär Henning Conle.

Echte, langjährige Vertraute mit nachvollziehbarem Einfluss sind aber entweder nicht öffentlich oder es gibt sie schlicht nicht. „In der Wirtschaft ist Theo Müller jemand, mit dem Alice Weidel in Kontakt steht, auch mit Winfried Stöcker gibt es einen Austausch“, bestätigte Weidels Sprecher.

Stöcker ist ein Unternehmer im Bereich Medizintechnik und spendete der AfD rund einen Monat vor der Bundestagswahl 1,5 Millionen Euro. Stöcker ist Gründer des Unternehmens Euroimmun und Eigentümer des Lübecker Flughafens. Er stammt aus einem Ort in der Nähe von Görlitz, dem Wahlkreis von AfD-Co-Chef Tino Chrupalla.

Während der Covid-Pandemie hatte Stöcker einen eigenen Impfstoff entwickelt. Obwohl dieser nicht zugelassen war, ließ Stöcker ihn mehreren Personen spritzen, woraufhin ihn das Amtsgericht Lübeck zu einer Geldstrafe von 250.000 Euro verurteilte. Der Unternehmer legte Berufung ein.

Tapp spricht zudem von Kontakten in die Finanzwirtschaft, aber: „Einen festen Beraterstab gibt es nicht.“

„Einen festen Beraterstab gibt es nicht“ Weidel-Sprecher Daniel Tapp

So beschreiben es auch hochrangige Parteivertreter und so beobachtet es Politikberater Johannes Hillje. „Ich habe nicht den Eindruck, dass Weidel einen wirtschaftspolitischen Vordenker oder Berater hat“, sagte Hillje. „Das merkt man auch bei ihren Auftritten im Wahlkampf. Sie kann bei Sachfragen selten konkretisieren – etwa bei Steuerkonzepten.“

Hillje betont: „Die Nähe zu Milliardären und Großspendern ist sehr auffällig. Aber das sind keine Policy-Experten.“

Weidels Umfeld dementiert den Einfluss von Tom Rohrböck

Was zu der Frage führt, inwieweit außerhalb von Politik und Wirtschaft professionelle Strategen, Berater, Spin-Doktoren Einfluss auf das Vorgehen der AfD-Chefin nehmen. Bisweilen wird über den ein oder anderen professionellen Berater berichtet – dann dementieren beide Seiten eine entsprechende Verbindung. 

In einer großen Recherche berichteten mehrere Medien etwa über den Politstrategen Tom Rohrböck.

Tenor: Der Unternehmer helfe Politikern, in Spitzenpositionen zu gelangen, verschaffe AfD-Politikern Jobs, für die sie wenig tun müssten, damit sich diese auf die Politik konzentrieren könnten. Auch zu Weidel soll Rohrböck Kontakt gehabt haben. Weidels Umfeld dementiert Rohrböcks Einfluss.

Gutes Verhältnis zu Schweizer Medienunternehmer Roger Köppel

Ähnliches gilt für den Berliner Geschäftsmann Friedel Opitz, der laut „Spiegel“-Recherchen bereits Bundestagsvisitenkarten bekommen hatte, die ihn als Weidels Berater auswiesen. Beide Seiten dementieren demnach diese Verbindung.

In Interviews mit normalen Medien inszeniert Weidel dagegen eher Konflikte, tritt konfrontativ auf und stellt sich als Opfer vermeintlich unfairer Fragen dar. Ein gutes Verhältnis soll sie zum Schweizer Medienunternehmer und Chef der Weltwoche, Roger Köppel, haben.

Auch innerhalb der Partei sprechen hochrangige Vertreter von einer wenig kritikfähigen Chefin, zu der viele lieber höflichen Abstand hielten. „Wenn sie nett zu dir ist, will sie was“, heißt es.

Politikberater Johannes Hillje beschreibt es gegenüber dem Tagesspiegel so: „Ich halte sie eher für eine Solistin, weniger für eine Teamplayerin.“

Nur eine Person wirklich nah dran? Weidel-Sprecher Daniel Tapp

Neben Weidels Ehefrau, der Schweizer Filmproduzentin Sarah Bossard, gibt es nur einen Menschen, bei dem sich die Beobachter sicher sind, dass er zum engsten Beraterkreis der AfD-Kanzlerkandidatin gehört.

Seit 2017 arbeitet Daniel Tapp als Weidels persönlicher Pressereferent. Jemand, der im Auftreten vielfach wie das Gegenteil seiner Chefin wirkt: ruhig, zurückhaltend, freundlich.

Tapp war zuvor unter anderem Mitarbeiter von FPÖ-Politikerin Barbara Rosenkranz. Die FPÖ gilt in vielerlei Hinsicht als Vorbild für die AfD, die noch nach Regierungsbeteiligung strebt. „Wahrscheinlich ist Daniel Tapp ihr einziger wirklich enger politischer Vertrauter“, sagt Politikberater Hillje.

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