Mozart-Matinee mit Roberto Gonzáles-Monjas in Salzburg | ABC-Z

Wolfgang Amadé Mozart scheint im alltäglichen Konzertbetrieb mehr und mehr zum Sonder- und Problemfall zu werden. Aus den Programmen der renommierten Symphonieorchester sind seine Werke beinahe ganz verschwunden: Ob in Wien oder Berlin, in München oder Amsterdam – überall werden die Spielpläne dominiert von romantischer und spätromantischer Musik, von Bruckner und Mahler, von Strauss und Schostakowitsch. Die Wiener Klassik hingegen wird heute, ähnlich wie barocke Musik, vorwiegend von Spezialensembles gepflegt. Bei den Salzburger Festspielen ist das kaum anders. Keines der prominenten Spitzenorchester, die im Sommer an der Salzach zu Gast sind, hat sich in den letzten Jahren um Mozarts Musik sonderlich bemüht oder gar herausragende neue Interpretationen vorgestellt.
Doch inmitten dieser Steppe gibt es im Festspielprogramm zwei Oasen: die Matineen des Mozarteumorchesters. Wie ernst Roberto González-Monjas – er leitet den 1841 gegründeten Klangkörper seit 2024 – seinen Beitrag zu dieser Reihe nahm, war bei einer öffentlichen Generalprobe eindrucksvoll zu erleben. Akribisch feilte der 1988 in Spanien geborene Dirigent, selbst ein ausgebildeter Geiger, an Details der Artikulation und Dynamik. Dass ebendies der Sinn einer solchen Probe sei, dass er das Recht und sogar die Pflicht habe, hart zu arbeiten, erklärte er in einer so entschiedenen wie humorvollen kurzen Ansprache nach der Pause dem amüsierten Publikum, weil ihm zu Ohren gekommen war, dass er mit den vielen Korrekturen die Geduld zwar nicht seiner Musiker, aber die einiger Besucher offenbar arg strapaziert hatte.
Der Lohn dieser Mühe war eine hinreißende Matinee. Denn die Präzision, mit der González-Monjas zu Werke ging, zeigte sich im Konzert in keiner Sekunde als trocken pedantische Gelehrsamkeit. Vielmehr ermöglichte sie ein höchst lebendiges Musizieren, das zugleich differenziert und lustvoll geriet.
Die Kantate KV 471, die davon erzählt, wie dem „starren Forscherauge die Natur ihr Antlitz nach und nach enthüllet“, ist ebenso wie sein letztes vollendetes Werk „Laut verkünde unsre Freude“ (KV 623) für die Freimaurer-Loge entstanden, der Mozart seit 1784 angehörte. Diese kaum je gespielten Kompositionen sind von einem feierlichen Ethos durchdrungen („Eintracht knüpfe fest das teure Band, das reine Bruderliebe webte“) und von beinahe schattenloser Freude erfüllt. Sie blieb dank der kräftigen Männerstimmen des Salzburger Bachchores und der schön harmonierenden Solisten Bogdan Volkov und Manuel Winckhler keine bloße Behauptung, sondern wurde beim Hören zur unmittelbaren Erfahrung.
Dass Mozarts Musik bei aller Anmut von Verzweiflung weiß, dass seine tänzerische Leichtigkeit den jähen Absturz kennt und das eine manchmal nur einen Halbton vom anderen entfernt liegt, diese ganz eigene Janusköpfigkeit seiner Kunst zeigte sich besonders bei der Interpretation der späten Es-Dur-Symphonie Nr. 39. Energisch und mit Lust an dramatischer Zuspitzung wurden die scharfen Kontraste markant entfaltet: Die schneidenden Dissonanzen im Kopfsatz wie im Andante waren dabei durch spannungsvolle Überleitungen stimmig in den organischen Fluss der Musik eingebunden.
Auch die Ouvertüre zur „Zauberflöte“ geriet ausgesprochen kraftvoll, ohne je grobschlächtig zu werden. Kompakt im Klang und leuchtend klar standen die fünf Fortissimo-Akkorde, mit denen Mozart sein Märchen- und Mysterienspiel eröffnet, wie gemeißelte Säulen eines Tempeleingangs im Raum. Das anschließende Allegro gewann durch die konturierten Staccato-Achtel der nach und nach fugenartig einsetzenden Streicherstimmen eine federnde, dynamisch fein austarierte Spannung, die Neugier weckte auf das, was folgt. Im Januar, so viel steht fest, wird Roberto González-Monjas die „Zauberflöte“ bei der Salzburger Mozartwoche dirigieren. Darauf darf man sich freuen.