Fußballbundesliga: Niko Kovač ist einer der besten Trainer und zehn weitere Thesen | ABC-Z

Seit Samstag ist die 62. Saison der Fußballbundesliga vorbei. Wieder hat sie unzählige große und kleine Geschichten geschrieben – und einige, auch überraschende, Erkenntnisse geliefert. Zum Beispiel diese hier.
Die neue Serie hat schon begonnen
Hat nichts mit Netflix zu tun. Nach einem Jahr Pause ist der FC Bayern wieder Deutscher Meister. Höchstverdient, ungefährdet. Für den Titel mussten sie aber keineswegs perfekten Fußball spielen. Die 82 Punkte sind gut, aber nicht herausragend wie die 90 Zähler der Leverkusener im vergangenen Jahr oder die durchschnittlich 86 in den drei Guardiola-Saisons. Die Bayern hatten in diesem Jahr einfach keine Konkurrenz. Leverkusen konnte seine Fabelsaison nicht wiederholen, Dortmund, Leipzig und Stuttgart enttäuschten. Und auch sonst ist – trotz begeisternder Mainzer, Freiburger und Frankfurter – niemand in Sicht, der zu den Bayern mittelfristig aufschließen könnte. Und so wird wohl der stabile, aber nicht außergewöhnliche Fußball von Vincent Kompany ausreichen, um auch im nächsten Jahr Meister zu werden, und in dem danach und dem danach …
Der FC Augsburg steigt niemals ab
Für viele ist er die
grauste aller grauen Bundesligamäuse. Der FC Augsburg spielt seit 14
Jahren in der Bundesliga, oft war er nah dran am Abstieg. Aber der FCA
steigt einfach nicht ab, vermutlich nie mehr. Nur noch Zocker wetten
darauf. Während andere Vereine ab- und wieder auf- und wieder absteigen,
hat sich der FCA in der Bundesliga festgebissen. Inzwischen gibt es
sogar nur noch sieben Vereine, die länger ununterbrochen in der
Bundesliga sind: Bayern, Leverkusen, Dortmund, Wolfsburg, Hoffenheim,
Gladbach und Mainz. Es ist eine heilige Bundesligaregel: Drei
Schlechtere als Augsburg finden sich immer.
Niko Kovač zählt zu den besten Trainern der Bundesliga
Vor
einem Vierteljahr war Borussia Dortmund auf dem Weg nach unten. Platz elf
in der Liga, Durchschnittsgekicke. Dann übernahm Niko Kovač den Job des
unerfahrenen Nuri Şahin. Die Begeisterung der BVB-Fans hielt sich zunächst in Grenzen, weil Kovač Grenzen hat.
In München, Monaco und Wolfsburg hat er seine Mannschaften nicht
vorangebracht. Doch er hat auch Stärken, wie sich herausstellt. Anfangs
verlor er ein paar Begegnungen, doch inzwischen ist die Bilanz
sehr gut. Seit Kovač in Dortmund ist, hat nur der FC Bayern mehr Punkte
geholt. In der Tabelle der letzten zehn Spiele steht der BVB sogar oben.
Das macht Mut für die neue Saison. Wie hat Kovač das gemacht? “Er hat
uns in den Arsch getreten”, sagt Julian Brandt, der zuletzt mit
Leistungen und Toren zur Champions-League-Quali beitrug. “Das tut uns
sehr gut.” Was auch immer das aussagt, es lässt sich nicht bestreiten:
Niko Kovač zählt zu den besten Trainern der Bundesliga.
Die Romantiker freuen sich auf Europa
Zwischenzeitlich sah es so aus, als würde es sogar für die Champions League reichen. Im April stand der FSV Mainz noch auf dem vierten Tabellenplatz, der sie von Auswärtsfahrten nach Liverpool und Madrid hat träumen lassen. Und das als Verein, der im Vorjahr beinahe abgestiegen wäre. Die Freiburger verpassten die Qualifikation für die Champions League gar erst am letzten Spieltag. Am Ende reichte es in Freiburg unter Julian Schuster im Jahr 1 nach Streich für die Europa League und in Mainz unter Bo Henriksen, dem Mann mit den schönsten wehenden Haaren der Liga, für die Conference League. Gegen Teams mit deutlich besseren Individualisten, die aber deutlich schlechter zusammenspielen. Fußballromantiker, was wollt ihr mehr?
Fußball ist nicht die Formel 1
Wenn Red Bull in Sport investiert (also oft), will Red Bull ganz vorn sein. So ist es in der Formel 1, in der Max Verstappen und Sebastian Vettel jeweils viermal Weltmeister wurden. So ist es im Extremsport, wo die Sportler des Getränkeherstellers die Extremsten sind. Und so ist es im Eishockey (mehrere Meisterschaften in München und Salzburg). Aber im Fußball geht das offensichtlich nicht so einfach, in der Bundesliga kommt Red Bull bisher an seine Grenzen. Zwei Pokalsiege reichen den Managern in Fuschl am See sicher nicht. In dieser Saison ging es gar rückwärts für RB, Platz sieben, sogar die Conference League verpasst. Will die Dose auch im Fußball die Nummer eins sein, müsste Red Bull mehr investieren. Oder klüger. Am besten beides.
Die Traineraktie Hoeneß befindet sich in der Seitwärtsbewegung
Mit welchem Verein war Sebastian Hoeneß noch nicht in Verbindung gebracht worden? Seit er den VfB Stuttgart im April 2023 auf einem Abstiegsplatz übernahm, ein Jahr später Vizemeister wurde, eine gute Hinrunde drauflegte, galt er als heißeste Traineraktie Deutschlands. Doch in der Rückrunde verlor der VfB fast jedes zweite Spiel, obwohl die Abwehr mit Finn Jeltsch deutlich verstärkt wurde. Nun ist die Aktie in der Seitwärtsbewegung, und es kommt langsam in Erinnerung, dass Hoeneß zuvor in Hoffenheim zwei Jahre lang äußerst mittelprächtige Ergebnisse geliefert hatte. K.-o.-Niederlagen gegen Molde und Fürth und so weiter. Immerhin gewann der VfB in diesem Kalenderjahr diejenigen Spiele, die wichtig für die Stimmung waren. Vor allem die beiden Heimspiele im DFB-Pokal gegen Augsburg und Leipzig entfachten neue Euphorie. Und so steht Sebastian Hoeneß am kommenden Samstag vor seinem ersten Titel.
Heidenheim ist eben doch nur Heidenheim
Heidenheim ist der kleinste Ort, der es mit Hausmitteln in die Bundesliga geschafft hat. Und gleich im ersten Jahr qualifizierte sich die TSG für den Europapokal, traf dort auf Chelsea. Da hatte man das Beispiel Union Berlin vor Augen. Die Köpenicker waren Jahre zuvor auch als sofortiger Wiederabsteiger gehandelt worden, bald darauf spielten sie im Bernabéu. Inzwischen sind sie etabliert erstklassig. Heidenheim hingegen stürzte, beinahe schon überraschend, ab. Ein halbes Jahr lang gewann das Team von Frank Schmidt nur ein einziges Bundesligaspiel. Das Prinzip des Vereins hat der Vereinschef Holger Sanwald einmal der ZEIT erklärt: “Wir schätzen Spieler, die schon mal irgendwo gescheitert sind, eine negative Erfahrung durchlebt haben. Dann wissen sie es bei uns zu schätzen.” Diese Außenseiterstrategie muss der Verein wohl etwas weniger radikal denken, um dauerhaft bundesligatauglich zu bleiben. Jetzt steht aber erst mal die Relegation an, vielleicht gegen die SV Elversberg. Der Ort ist noch kleiner.
Harry Kane gewann seinen ersten Titel, hatte aber keine gute Saison
Er ist der beste Elfmeterschütze der Welt, 30-mal in Folge hat er vom Punkt getroffen (wie er das gemacht hat, lesen Sie hier). Allein in dieser Bundesligasaison verwandelte Kane neun Elfmeter – und gewann am Ende mit den Bayern die Meisterschaft, seinen allerersten Titel. Finally! Die vielen Elfmetertore aber übertünchen: Eine besonders gute Saison hat Kane nicht gespielt. Der Engländer wurde zwar mit 26 Treffern Torschützenkönig. Abzüglich der Elfmeter waren es aber nur 17. In der um Strafstöße bereinigten Torjägerliste steht Kane nur auf Platz drei: hinter Patrik Schick mit 20, Serhou Guirassy mit 18 und ein Tor vor Jonathan Burkardt. Der Bayernstürmer traf aus dem Spiel heraus also nur einmal öfter als der Mainzer, der naturgemäß viel weniger Chancen hatte. Kane verteilt die Bälle noch immer gut und natürlich bringen auch seine Elfmetertore viele Punkte, aber im Vorjahr traf er noch 31-mal, ohne Elfer.
So schön kann absteigen sein
Das eigentliche Wunder der Saison: Holstein Kiel hatte bis zum vorletzten Spieltag noch die Chance auf den Relegationsplatz. Nach den ersten acht Spielen ohne Sieg hätte damit kaum jemand mehr gerechnet. Doch die Störche – zum ersten Mal Bundesliga, 15.000-Zuschauer-Stadiönchen, geringster Kaderwert, sogar gegen Heidenheim Außenseiter – mauserten sich zu einer kleinen Attraktion. 49 Tore schossen sie in dieser Saison, genau so viel wie der SC Freiburg auf Platz fünf. Leider waren sie beim Verteidigen überfordert. Aber es bleibt ein unvergesslicher Sieg gegen den BVB, ein tapferes Unentschieden in Leverkusen und ganz viel Sympathien deutschlandweit. “Wir haben als kleiner Verein Großes geleistet”, sagte der Verteidiger Timo Becker. Aber so was von.
Ab Platz drei beginnt das Mittelmaß
Das sieht man am besten in einer Abschlusstabelle, in der jeder Punktestand einzeln aufgeführt ist. Der FC Bayern spielt in seiner eigenen Liga. Leverkusen, eine Liga darunter, auch. Und dann beginnt der Durchschnitt. Nicht falsch verstehen, Freiburg und Mainz zum Beispiel haben eine hervorragende Runde gespielt. Eher sollten sich der BVB, Stuttgart oder Leipzig fragen, warum sie aus ihren Champions-League-Millionen so wenig Leistung holen. Der Punkteabstand von Platz eins bis drei ist größer als der von Platz drei bis 13. Nach den beiden (weit voneinander entfernten) Topteams klafft eine Lücke, danach beginnt sofort das Mittelfeld. Bedeutet: Viele Clubs sind gleich lau unterwegs. Die Bundesliga ist die Liga des Mittelmaßes. Viel Spaß beim Scrollen.
82 Bayern München
81
80
79
78
77
76
75
74
73
72
71
70
69 Bayer Leverkusen
68
67
66
65
64
63
62
61
60 Eintracht Frankfurt
59
58
57 Borussia Dortmund
56
55 SC Freiburg
54
53
52 1. FSV Mainz 05
51 RB Leipzig, Werder Bremen
50 VfB Stuttgart
49
48
47
46
45 Borussia Mönchengladbach
44
43 VfL Wolfsburg, FC Augsburg
42
41
40 1. FC Union Berlin
39
38
37
36
35
34
33
32 FC St. Pauli, 1899 Hoffenheim
31
30
29 1. FC Heidenheim
28
27
26
25 Holstein Kiel, VfL Bochum
International ein wenig peinlich
Ihre mangelnde Exzellenz erkennt man auch und vor allem an der internationalen Performance der Bundesligisten. Obwohl in dieser Saison gleich acht Teams in den drei Wettbewerben an den Start gingen, brachte es niemand weiter als bis ins Viertelfinale. Die Hälfte der Teams verabschiedete sich sogar schon nach der Gruppenphase: Leipzig und Stuttgart aus der Champions League, Hoffenheim aus der Europa League, Heidenheim aus der Conference League. Der Liga fehlt es an Qualität, um international mithalten zu können. Selbst gegen Teams aus deutlich kleineren Fußballnationen. Hoffenheim landete etwa hinter Mannschaften aus Norwegen, Rumänien, Tschechien, Ungarn und Dänemark. So wird die Bundesliga im kommenden Jahr auch einen Europapokalplatz weniger haben. Vielleicht ja auch besser so.