News

Mohammed bin Salman: Saudi-Arabiens despotischer Modernisierer | ABC-Z

Stand: 23.01.2025 07:15 Uhr

Vor zehn Jahren bekam Mohammed bin Salman erstmals Regierungsverantwortung. Der heutige de-facto-Herrscher Saudi-Arabiens ist brutal und skrupellos. Dem Land hat er einen beispiellosen Umbau verordnet.

Im Ausland waren viele überrascht, als König Salman im Januar 2015 seinen Sohn plötzlich zum Verteidigungsminister Saudi-Arabiens ernannte. Mohammed bin Salman wurde zuvor international kaum wahrgenommen und war damals mit 29 Jahren ungewöhnlich jung.

Nur wenige Jahre später wurde er Kronprinz und 2022 Premierminister. Aufgrund der schlechten gesundheitlichen Verfassung seines Vaters und durch seine eigene Machtpolitik wurde er zum de-facto-Herrscher Saudi-Arabiens – und begann damit, das Königreich auf atemberaubende Weise umzugestalten.

Diversifizierung weg vom Öl

Früh erkannte er, dass die Macht des absolutistischen Königshauses vor allem vom Ende des Erdölzeitalters bedroht wird. „Unsere Verfassung beruht auf dem Koran und dem Öl. Das ist sehr gefährlich“, sagte der damals dreißigjährige stellvertretende Kronprinz 2016 in einem Fernsehinterview.

Im Königreich herrsche eine Art von Ölsucht. Das verhindere die Entwicklung anderer Wirtschaftsbereiche. Um zukünftig auch ohne Öl Geld zu erwirtschaften, müssten andere Wirtschaftszweige her, wie etwa der Tourismus oder die Unterhaltungsindustrie.

Die Ölgewinne von heute sollen den Aufbau der breiter aufgestellten Wirtschaft von morgen finanzieren. 2024 beschloss das Königreich, 100 Milliarden US-Dollar für die Entwicklung künstlicher Intelligenz und anderer Zukunftstechnologien bereitzustellen.

Die „Vision 2030“

Mit einem Budget von 38 Milliarden Dollar will Saudi-Arabien bis 2030 die globale Videospiel-Industrie dominieren. Auch muss sich das bislang erzkonservative, abgeschottete Land kulturell öffnen, wenn es die unzufriedene Jugend bei Laune halten will.

2016 stellte MbS, wie Mohammed bin Salman auch genannt wird, die „Vision 2030“ vor. Das staatliche Programm skizziert den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Umbau des Landes auf dem Weg weg vom Öl. Kernstück ist der Bau der Planstadt Neom.

Zu dem 500-Milliarden-Dollar-Projekt in der Wüste gehören futuristische Wohngebiete, Industrieareale, Touristenresorts und ein Skigebiet. Der Umfang des Projektes wurde allerdings inzwischen aus Kostengründen drastisch reduziert.

Mehr Freiheiten für Frauen

Die Plan sieht auch vor, den Anteil berufstätiger Frauen zu erhöhen. Besonders im Jahr 2018 änderte sich der Lebensalltag der saudischen Frauen. Die strengen Kleidervorschriften werden seitdem lockerer gehandhabt.

„In der Scharia ist klar festgelegt, dass Frauen wie Männer anständig und respektvoll gekleidet sein sollen“, erklärte MbS im Interview mit dem US-Sender CBS. „Das heißt aber nicht, dass es nun unbedingt ein schwarzes Kopftuch sein muss.“ Es sei ausschließlich an den Frauen zu entscheiden, welche Kleidung sie tragen.

Ab Juni 2018 durften Frauen endlich Auto fahren, kurz darauf auch frei reisen, ohne Erlaubnis eines männlichen Vormunds. An vielen Orten wurde die Geschlechtertrennung abgeschafft. All das geschah auf Geheiß des Kronprinzen.

Weder Demokratie noch Rechtsstaat

Trotzdem bleiben Aktivistinnen, die für dieselben inzwischen bewilligten Rechte gekämpft hatten, weiterhin im Gefängnis. Das Königshaus will Freiheiten selbst gewähren. Es war nie die Absicht von MbS, aus Saudi-Arabien eine Demokratie mit einer rechtsstaatlich regierten Zivilgesellschaft zu machen.

Die Zahl der vollstreckten Todesurteile stieg unter dem Kronprinzen zeitweise sogar deutlich an. Kritikerinnen und Kritiker erwarten lange Haftstrafen, schon für einen kritischen Tweet kann man viele Jahre im Gefängnis landen.

Oder es erwartet sie der Tod, wie im Fall des saudischen Journalisten Jamal Kashoggi, der 2018 in Istanbul im Konsulat des Königreiches getötet und zersägt wurde – nach Ansicht der CIA im Auftrag von Mohammed bin Salman. Der stritt das ab und verurteilte den Mord: „Es ist ein abscheuliches Verbrechen. Derzeit arbeitet Saudi-Arabien daran, die Ermittlungen voranzubringen und die Täter vor Gericht zu stellen.“

In den vergangenen zehn Jahren war MbS so einflussreich wie widersprüchlich. Als Verteidigungsminister führte er einen skrupellosen, blutigen Krieg gegen die Huthi-Milizen im Jemen, leitete später aber eine Entspannung der Beziehungen zum Erzrivalen Iran ein.

Zuhause verbesserte er die Lage der Frauen, erlaubte wieder Kinos sowie Musikkonzerte und konnte die Ausrichtung der Fußball-WM 2034 ins Land holen. Gleichzeitig wurden Menschen hingerichtet und Kritiker ins Gefängnis gesteckt oder ermordet. Mohammed Bin Salman modernisierte, was das Zeug hält – tat dies aber als brutaler Despot.

Schaltfläche "Zurück zum Anfang"