Möglichst weit umschiffen: Wie Isar Totholz zur Falle werden kann | ABC-Z

Die Hitze der vergangenen Tage hat das Leben aller Münchner geprägt. Die ungewohnt hohen Temperaturen trieben die Menschen ins Freie, oft ans Wasser. Auch Familien mit Kindern suchten Abkühlung, vor allem an der Isar, wie etwa die Familie Herzog-Santacatalina am vergangenen Sonntagnachmittag.
Mit Tochter (11), Ehemann und dem jüngeren Sohn (6) suchte sich die Münchnerin Gala Herzog-Santacatalina ein schönes schattiges Plätzchen zwischen Reichenbachbrücke und Wittelsbacherbrücke. Sie packten ihre Sachen aus. Dann konnte es losgehen.
Auch gute Schwimmer kann die Strömung erwischen
Durchschnaufen, das Wetter genießen, dem Rauschen der Isar zuhören. Die Tochter ging derweil ins kühle Isarwasser bei etwa 30 Grad Hitze. “Es war an den tiefsten Stellen etwa knie- bis hüfthoch“, sagt Santacatalina. Ihre Tochter sei zudem eine gute Schwimmerin. Kein Grund zur Sorge – eigentlich.
Nach einiger Zeit kam die 11-Jährige wieder zurück, leicht verängstigt und mit einigen Kratzern am Bauch. Was war passiert? Die Schülerin erzählte ihrer Mutter, dass sie gerade von der Strömung im Kanal westlich der aufgeschütteten Insel in der Isar gegen einen Totholz-Stamm gedrückt wurde und eigenständig nicht mehr herausklettern konnte.
Schockmoment endet mit Kratzern am Bauch
Sie habe Passanten um Hilfe gebeten. Ein Mann und eine Frau hätten sie gehört und dann herausgezogen. Dabei bekam die 11-Jährige diese Kratzer ab. Glück gehabt also. Ein Schockmoment mit glimpflichem Ausgang. Und die Familie stellte sich die Frage, was es eigentlich mit all dem Totholz auf sich hat, das offenbar bei leichteren Personen wie ihrer Tochter zur Falle werden kann.
Die AZ fragte beim Wasserwirtschaftsamt nach. Und zunächst erklärt Behördenleiter Stefan Homilius, wie wichtig Totholz in der Isar ist. “Die Isar ist ein Wildfluss“, sagt er. Sie heiße nicht umsonst so, mit ihrem Namen aus dem Keltischen, was übersetzt “die Reißende“ heiße.
Immer achtsam bleiben, sagt das Wasserwirtschaftsamt
Totholz gehöre genauso zu einem Wildfluss wie Kies und Wasser. Überall, wo möglich, werde das Totholz im Wasser gelassen. “Es ist sehr wichtig für eine funktionierende Ökologie“, sagt Homilius. Bezüglich des kleinen Unfalls der Schülerin Lou sagt Homilius, man dürfe die Gefahren eines Wildflusses einfach nie unterschätzen. “(…) starke Strömung, wechselnde Tiefe und eben auch Totholz sind nach wie vor vorhanden. Hier ist immer Achtsamkeit wichtig.“
Woher das meiste Totholz stamme? “Bei Hochwasser wird es im Einzugsgebiet meist an den Ufern mitgerissen oder durch einmündende Flüsse eingetragen“, sagt Homilius. Und manchmal tauche daher Totholz dort auf, wo vorher keines war. Erosionen, Sedimentationen: Die Isar “verändert sich regelmäßig“, sagt Homilius. Darauf müsse man also immer achten.
Baden in der Isar: allgemeines Lebensrisiko
Rechtlich sei die Lage übrigens auch eindeutig. Jeder könne im Rahmen des Gemeingebrauchs (Artikel 18 Abs. 1 S. 1 BayWG) in der Isar baden, jedoch grundsätzlich auf eigene Gefahr. Das Baden zähle als Bewegung in der freien Natur und daher als allgemeines Lebensrisiko. Daher solle man bei Totholz “lieber etwas mehr Abstand halten“, da stets die Wucht der Strömung unterschätzt werden könne. Gerade Kindern passiere das schnell.
Auch die Wasserwacht formuliert es ähnlich wie das Wasserwirtschaftsamt. “Die Isar ist und bleibt ein Wildfluss“, sagt ihr Sprecher Manfred Gürich. Die Situation, in die das Mädchen geriet, sei eine typische Gefahrenlage aus der Kombination von Totholz und Strömung. Häufig werde das mit typischen Supermarktbooten zu einer Gefahr, wenn ihre Passagiere ohne Erfahrung die Isar flussabwärts paddeln.
Die Isar ist ein Wildfluss und ein Mehrwert für die Lebensqualität
Totholz dürfe man auf keinen Fall aus der Isar entfernen, so Gürich. “Es bietet vor allem Fischen eine ideale Umgebung zum Start. Diese Stellen können für Schwimmer immer gefährlich werden, so Gürich. Aber “natürlich macht es Spaß, in den kühlen Fluss zu steigen, gerade bei großer Hitze“, sagt Gürich.
Und bei entsprechender Vorsicht “ist die Isar ein absolut lebenswertes Freizeitvergnügen und ein großer Mehrwert für die Lebensqualität.“ Die Strömung der Isar auf keinen Fall unterschätzen, betont Gürich. “Und wenn jemand in Not gerät, die 112 wählen und gut abwägen, ob man die Person retten kann, ohne sich selbst zu gefährden.“ Man müsse sich stets bewusst machen: “Die Isar ist kein Freibad mit Bademeister.“