Mode-Unternehmerin Rosita Missoni ist tot | ABC-Z
Für Rosita Missoni waren die Schauen ihres Modehauses auch noch im hohen Alter Pflichttermine. Als sie 85 Jahre alt war, in den USA war gerade Donald Trump zum ersten Mal zum Präsidenten gewählt worden, zogen Frauenmärsche durch die Städte. Rosita Missoni kam, auf Anweisung ihrer Tochter Angela, mit selbst gestricktem pinkfarbenem „Pussyhat“ auf dem Kopf zur Schau. Die Protestmütze mit zwei Zipfeln, deren Name an Trumps sexistische Äußerungen erinnerte, hatten die Missonis sogar noch überarbeitet: Die Ohren standen nun provozierend senkrecht nach oben, anders als bei den vielen Mützen der Demonstrantinnen in diesem Winter 2017. Die berühmteste Strickfamilie der Welt hatte auch für diese Mütze eine neue Lösung gefunden.
Kein Wunder, schließlich hatten Rosita Missoni und ihr Mann Ottavio (Tai) schon seit einem halben Jahrhundert die Strickmode mit ihrem Zick-Zack-Muster revolutioniert. Zwar galt ihr Mann als der genialische Designer. Aber ohne sie wäre das alles nichts geworden. Denn Tai, der von der dalmatischen Küste stammte, war eher ein Lebenskünstler als ein Geschäftsmann.
Als die F.A.Z. die beiden 2003 zum Goldenen Jubiläum ihrer Firma und ihrer Ehe interviewte, glänzte er mit Sprüchen zu seinem Dolce far niente: „Ich liebe die Arbeit auch, aber ich finde nie Zeit dazu.“ Für ihn beginne der Tag frühestens am Mittag, sagte er, und auch dann noch nicht richtig: „Es ist eine Sache aufzustehen, aber eine andere, wach zu werden.“ Über seine Frau, die sich um alles kümmerte und auch die Modenschauen vorbereitete, sagte er: „Früher hat Rosita vor den Defilees nicht geschlafen. Heute schläft meine Tochter Angela nicht.“ Rosita ergänzte: „Nur für ihn hat sich nichts geändert!“
Sie lernte ihren Mann im Jahr 1948 kennen
Kennengelernt hatten sie sich bei den Olympischen Spielen in London 1948. Ottavio, ein begeisterter Läufer, 1921 geboren, war aus Krieg und Gefangenschaft zurück („Erst war ich zwei Jahre mit Rommel unterwegs und kämpfte in El Alamein, dann war ich vier Jahre Gast des Königs von England“) und lief zum sechsten Platz beim 400-Meter-Hürdenlauf. Unter den Zuschauern im Wembley-Stadion saß die 18 Jahre alte Rosita Jelmini, deren Eltern einen Textilbetrieb in der Lombardei besaßen. Sie verbesserte ihr Englisch in einem Londoner College katholischer Schwestern und bestaunte auf den billigen Plätzen mit einer Schwester und elf Mitschülerinnen die Sportler – vor allem einen von ihnen.
Der Zufall wollte es, dass Tai damals mit einem Freund ein kleines Strickwaren-Unternehmen aufbaute. Zwei der vier Strickmaschinen brachte er 1953 mit in die Ehe. Zusammen kamen sie auf das bunte Zick-Zack-Muster. Von Sumirago in der Provinz Varese aus, einem Dorf, das näher an den Alpen als an Mailand liegt, zogen sich die Missoni-Muster wie ein bunter Faden durch die italienische Mode. Wohl nie wieder wird es eine solche Farbexplosion geben wie in den Siebzigern, als die Missonis mit ihren traumwandlerischen Farbkombinationen, die Puccis mit ihren fließenden Capri-Mustern und die Etros mit ihren phantastisch durchkomponierten Paisleys eine ganz eigene italienische Ästhetik schufen.
Im Showroom in Mailand überblickte Rosita noch bis ins hohe Alter alles
Sogar in Amerika wurde Missoni erfolgreich, auch dank Rositas Englischkenntnissen und ihren sozialen Fähigkeiten, mit denen sie Chefredakteurinnen wie Diana Vreeland und Joan Juliet Buck für sich einnahm. In ihrem Haus in der Nähe der Fabrik in Sumirago zogen sie ihre Kinder Vittorio, Angela und Luca auf. Von 1996 an übergaben die beiden die Kontrolle über ihr kleines Modeimperium: Luca kümmerte sich fortan um die Finanzen, Vittorio ums Marketing, Angela ums Design. Aber im Showroom an der Via Solferino in Mailand überblickte Rosita noch bis ins hohe Alter alles.
Ihr Annus horribilis erlebte die Familie 2013. Vittorio Missoni, seine Frau Maurizia Castiglioni sowie zwei Freunde kamen Anfang Januar 2013 bei einem Flugzeugabsturz vor der venezolanischen Küste ums Leben – erst im Juni fand man das Wrack im Karibischen Meer, aber ihre Leichname wurden nie gefunden. Und im Mai 2013 starb Tai Missoni im Alter von 92 Jahren.
Rosita, die Ehrenpräsidentin des Unternehmens, machte weiter und kümmerte sich vor allem um die Home-Kollektion und die Hotels der Marke. Das Modehaus gehört inzwischen zu großen Teilen einem Investor, und die legendären Jahrzehnte der Marke mit den Zick-Zack-Mustern sind vorbei. Daher rief die Nachricht vom Donnerstag, dass Rosita Missoni am Neujahrstag im Alter von 93 Jahren gestorben ist, in der Modeszene viele nostalgische Erinnerungen wach. Die italienische Mode, in der von den Fendi-Schwestern bis Alberta Ferretti die Frauen immer einen größeren Einfluss hatten, als die Männer es glauben machten, lässt nun endgültig das Zeitalter der Familienbetriebe hinter sich.
Nach dem Tod ihrer Mutter teilte Angela Missoni auf Instagram, mit einem roten Herzen versehen, Luca Barbarossas Lied „Dolce tramonto“ vom herbstlichen Sonnenuntergang: „I nostri ricordi, le canzoni, i momenti“. Ihre Tochter Margherita teilte die Story. Immerhin das wird der Familie bleiben: „Unsere Erinnerungen, die Lieder, die Momente“.