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Mitten in der Bahn: Wenn das Smartphone den Geist aufgibt – Ebersberg | ABC-Z

Mit dem Mobiltelefon ist es mittlerweile ein bisschen wie mit den eigenen Extremitäten: Augen, Hände und Füße sind im Regelfall einfach da. Tatsächlich zur Kenntnis nimmt man sie nur bei einer plötzlichen Fehlfunktion, wenn also eine Star-, Karpaltunnel- oder Hallux-OP alle bisherigen Gewissheiten in Frage stellt.

Gibt es in den eigenen vier Wänden beim Handy ein Problem, ist das erst mal ärgerlich. Heißt es doch, angestaubte Telefonbücher herauskramen und das Festnetztelefon wieder in Betrieb nehmen zu müssen – falls man noch eines hat. Ist der Zugang zum Handy unterwegs – etwa während einer Bahnfahrt – unvermittelt abgeschnitten, gilt Alarmstufe rot.

Wird der Zug pünktlich sein? Man weiß es nicht, gibt es doch keinerlei Möglichkeit, die Echtzeit-Verbindungsdaten zu überprüfen. Um die Abholerin über eine eventuelle Verspätung zu informieren, müsste man sie von einer dritten Person anrufen lassen. Ein ambitionierter Plan, denn die einzigen beiden Telefonnummern, die einem spontan einfallen, gehören zur Nebensitzerin aus der fünften Klasse sowie dem eigenen Hausanschluss. Also wird die Entscheidung vertagt.

Viel dringlicher ist nämlich die Frage, wie lange man überhaupt noch sorgenfrei unterwegs sein wird: Fahrkarte, Deutschlandticket und die digitale Bahncard könnte man derzeit auf Verlangen ja nicht herzeigen. Den Weg am Ziel statt per Bus zu Fuß zurückzulegen, ist auch keine Option, wenn man sich nicht auskennt – so ganz ohne Karten-App.

Uber bestellen entfällt auch. Man müsste schon ein Taxi nehmen: Ein bisschen Bargeld hat man zum Glück noch in der Tasche. Dem Mann, den man neulich in der Werkstatt beim Reifenwechsel traf, erginge es im Vergleichsfall schlechter. Dabei war er so begeistert, sämtliche Zahlungen praktischerweise nur noch per Handy abwickeln zu können.

Immer mehr beängstigende Szenarien rasen durch das Gehirn – ohne jede Möglichkeit, sich durch Musik oder ein schnelles Daddelspiel abzulenken. Das Schlimmste aber: all die kruden Gedanken lassen sich nicht einmal auf die Schnelle ins Handy diktieren, um sie später in einer Glosse zu verwerten.

Also heißt es zu tun, was früher zum Alltag gehörte: Die Details müssen memoriert werden. Das sollte doch zu schaffen sein, waren doch einst nicht nur unzählige Songtexte, sondern auch halbe Telefonbücher im Gedächtnis abgespeichert!

Das Ergebnis ist so semi – immerhin lenkt die Übung von der Sorge ab, für immer von der Welt, wie man sie kannte, getrennt zu sein. Als sich das Gerät wie durch ein Wunder doch wieder erholt, ist zumindest ein Notfallplan geboren: Künftig wird man die allerwichtigsten Nummern auf Papier am Körper tragen. Es gäbe natürlich noch die ultimative Lösung: immer ein Zweithandy dabeihaben. Sicher würde auch das bald zur selbstverständlichen Erweiterung des eigenen Gehirns werden.

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