Mit dem Triebwerk gab es schon öfter Schwierigkeiten | ABC-Z
Eine Woche nach der Notlandung eines Airbus A220-300 der Fluggesellschaft Swiss in Graz ist ein schwer verletzter Flugbegleiter am Montag gestorben. Ob der Dreiundzwanzigjährige durch Rauch in der Kabine oder durch eine andere Ursache ums Leben kam, wird nun untersucht. Knapp ein Dutzend weitere Menschen an Bord wurden leicht verletzt. Alle konnten aber kurz nach dem Vorfall das Krankenhaus in Graz verlassen.
Wie an Silvester bekannt wurde, war die Ursache des plötzlichen Ausfalls eines Triebwerks in mehr als 11.000 Meter Höhe ein technischer Defekt, der laut der Airline so bisher noch nie an dieser Turbine vorkam.
Der Triebwerksausfall sorgte dafür, dass sich massiver Rauch in Kabine und Cockpit ausbreitete. Deshalb rollte der Airbus nach der Notlandung in Graz auch nicht zum wenige hundert Meter entfernten Vorfeld. Stattdessen wurde mitten auf der Landebahn über Notrutschen evakuiert. Dabei konnten 74 Passagiere und fünf Crewmitglieder das Flugzeug verlassen.
Betroffene Flugzeuge teils für Monate gegroundet
Schon öfter gab es Probleme mit dem Triebwerk des amerikanischen Herstellers Pratt & Whitney im A220. Auch andere Flugzeugtypen, in die Getriebe-Fans der Motorenfamilie von Pratt & Whitney eingebaut sind, hatten in den vergangenen zehn Jahren Schwierigkeiten. Insgesamt sind acht Ausbaustufen der Triebwerksfamilie von P & W 1519G bis 1525G in unterschiedlichen Flugzeugtypen weltweit im Einsatz. Die hochmodernen Turbinen PW-1524G-3 im Swiss-A220-300 oder vom Typ PW-1524G im kleineren Airbus A220-100, der ebenfalls bei der eidgenössischen Airline im Einsatz ist, sind zwar höchst sparsam im Kerosinverbrauch. Aber möglicherweise wurde Effizienz auf Kosten der Zuverlässigkeit entwickelt.
Alleine bei Swiss gab es einige notwendige Abschaltungen eines dieser P&W-Getriebetriebwerke im Flug, ebenso bei weiteren A220-Betreibern. Mindestens an einem Testflugzeug der CS-Serie von Bombardier, Ausgangsmuster des späteren A220, hatte sich bereits 2014 eine Turbine im Flug zerlegt und Teile nach außen geschleudert („Uncontained Engine Failure“). 2018 und 2019 mussten alle Triebwerke des A220 zur technischen Modifikation ins Herstellerwerk zu Pratt & Whitney zurück. Alleine 26 Flugzeuge der Swiss-A220-Flotte waren – wie weitere Lufthansa-Flugzeugtypen – davon betroffen. Mangels Ersatztriebwerken waren sie teils für Monate gegroundet.
Das in Graz notgelandete Flugzeug ist ein Airbus A220-300. Dieser Zweistrahler der Airbus-Palette wurde einst vom kanadischen Flugzeugbauer Bombardier als CS-100/300-Serie entwickelt. 2018 mutierte die CS-Serie durch den Verkauf eines Großteils der Bombardier-Airline-Sparte an Airbus zur A220-100/300.
Explosion in einer der beiden Turbinen
Passagiere an Bord des A220 in Graz hörten laut Medienberichten eine Explosion in einer der beiden Turbinen. Dass dann Rauch durch vermutlich verbranntes Öl über die Klimaanlage in die Kabine gerät, lässt sich konstruktiv nur mit hohem technischen Aufwand verhindern und ist deshalb auch bei fast allen anderen modernen Flugzeugtypen so. Warum sich der Rauch aber so stark ausbreitete, dass die Kabinencrew die Schutzhauben anzog und die Piloten eine Notlandung einleiteten, ist noch unklar. Denn der Ausfall eines Triebwerks ist in einem Zweistrahler wie dem A220 normalerweise problemlos für die Crew zu handhaben, das wird im Simulator auch oft geprobt. Der A220 kann nach Ausfall einer Turbine von seiner Leistung her auch zu einem weiter entfernten Ausweichflughafen fliegen und dort üblicherweise eine Sicherheitslandung vornehmen.
Warum das in diesem Fall nicht so war, müssen nun Untersuchungen des schweizerischen Bundesamtes für Zivilluftfahrt (BaZL) zusammen mit Experten der Swiss und der Hersteller Airbus und Pratt & Whitney ergeben. Dann wird auch entschieden, ob der Vorfall in Graz möglicherweise Konsequenzen für die gesamte Flotte aller Betreiber mit den betreffenden Turbinen von Pratt & Whitney hat.
Swiss erklärte allerdings schon am 26. Dezember: „Wie andere Fluggesellschaften führen auch wir weiterhin Flüge mit dem A220 durch, da wir auf Basis unserer aktuellen Analysen und in enger Abstimmung mit den zuständigen Stellen keine Hinweise darauf haben, dass die Sicherheit des Flugzeugtyps infrage gestellt ist.“
Das defekte Triebwerk wurde abmontiert und zum Hersteller in die USA geschickt, wo es untersucht wird. Vom BaZL wird auch geprüft, ob es einen Defekt an den Schutzhauben gab, die eine eigene Sauerstoffversorgung haben.