Geopolitik

AfD-Verbot: Hoffnung verloren | DIE ZEIT | ABC-Z

Was also fällt der SPD ein, nachdem sie das Kanzleramt verloren hat? Nachdem viele ihrer ehemaligen Wähler jetzt für die AfD stimmen? Nachdem sie ihren Parteichef abgestraft und den populären Verteidigungsminister angerumpelt hat? Na klar: Sie fordert ein Verbot der AfD. Einstimmig. Wenn nichts mehr geht: Wagenburg geht immer.

Nur dass eine Verbotstaktik eben keine politische Strategie ersetzt. Die Abkehr großer Teile der Bevölkerung von demokratischen Überzeugungen lässt sich nicht per Dekret untersagen. Juristische Mittel helfen nicht gegen die politischen Energien, die alle westlichen Demokratien derzeit erfasst haben. Man kann das an vielen Beispielen studieren, aber die SPD will das augenscheinlich ausblenden.

Kamala Harris ist hart gescheitert mit dem Versuch, die letzte US-Präsidentschaftswahl zu einer Abstimmung über die Demokratie zu machen – doch die SPD denkt offenbar: Was soll’s?

Der französische Rassemblement National von Marine Le Pen ist so stark wie vorher, obwohl die Parteichefin per Gerichtsurteil von der nächsten Präsidentschaftswahl ausgeschlossen wurde – na und?

Der Ruf nach einer politischen Ersatzbefriedigung ist zu verlockend

Das Bundesverwaltungsgericht hat vergangene Woche das Verbot des rechtsextremen Magazins Compact aufgehoben, das die damalige Innenministerin Nancy Faeser von der SPD ziemlich rustikal verhängt hatte, und hat damit dem ideologischen Umfeld der AfD seinen größten politischen und juristischen Erfolg seit Langem beschert – auch das, wie es scheint: egal.

Zu verlockend ist offenbar die emotionale Ersatzbefriedigung, die in dem Ruf nach dem Ausschluss der AfD steckt. Ein AfD-Verbot zu fordern, ist derzeit tatsächlich das einzig halbwegs kampagnenfähige Thema der Linken und Progressiven in Deutschland.

Natürlich ist diese Forderung legitim. Die Entscheidung, beim Verfassungsgericht in Karlsruhe ein Parteiverbot zu beantragen, ist eine politische Entscheidung, das will das Grundgesetz so. Und in eine solche Entscheidung werden immer taktische Überlegungen einfließen.

Aber es stimmt eben auch, was Friedrich Merz im Gespräch mit der ZEIT gesagt hat: Der Verbotsantrag rieche nach “Konkurrentenbeseitigung”. Mehr sogar, als gemeinhin bekannt ist.

Denn sollte die AfD verboten werden, würde sie am Tag der Urteilsverkündung automatisch und schlagartig ihre Sitze im Bundestag und in den Landesparlamenten verlieren. Diese Sitze würden nicht nachgewählt oder unter den anderen Parteien aufgeteilt. Sie blieben einfach leer – mit potenziell enormen politischen Folgen. Würde die AfD noch in dieser Legislaturperiode verboten, hätten plötzlich SPD, Grüne und Linke im Bundestag zusammen eine Mehrheit und könnten Lars Klingbeil rein theoretisch Stunden nach dem Urteil zum Kanzler wählen.

Machtwechsel in Berlin per AfD-Verbot? Man mag sich gar nicht ausmalen, wie sehr ein solcher Schritt das Vertrauen in die Demokratie erschüttern würde. Man weiß allerdings auch nicht so recht, ob man dieser SPD derart viel schwefelige Raffinesse überhaupt zutrauen kann.

Darauf kommt es letztlich auch nicht an. Wirklich deprimierend an der Sache ist, dass die Verbotsdebatte in eine Haltung passt, die sich von der Zukunft eigentlich nichts mehr verspricht. Die bloß noch hofft, dass es nicht noch schlimmer kommt. Die in erster Linie den Status quo verteidigt. Das überwölbende Stichwort heißt Resilienz.

Resilienz aber ist das Anliegen derer, denen es gut geht. Die vom Status quo profitieren. Die Veränderungen scheuen – sie könnten ja zu ihren Lasten gehen. Was weithin fehlt, nicht nur in der SPD, ist eine progressive, liberale, linke oder auch konservative Idee von Zukunft. Zukunft kommt eigentlich gar nicht mehr vor, allenfalls als Risiko und Bedrohung, und deshalb will man möglichst viel von der Gegenwart erhalten. “Das Heute soll möglichst ewig dauern”, haben Anna Mayr und Robert Pausch vor Kurzem in der ZEIT geschrieben, “nur vielleicht mit Elektroautos”.

Das ist ein durch und durch defensiver Ansatz. Defensive kann ein guter Spielplan sein, in vielen Bereichen ist Resilienz notwendig. Aber wer immer nur Defensive spielt, kann am Ende nicht gewinnen.

Wer keine Hoffnung vermitteln kann, wer die Sehnsucht nach einer besseren Zukunft nicht beantwortet, der wird den Ansturm des autoritären Populismus nicht aufhalten können. Und dem werden auch Parteiverbote nichts nützen.

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