Kultur

Mireille Mathieu: „Ich werde immer singen“ | ABC-Z

Das Hotel Bristol in Paris liegt nahe der Champs-Élysées. Hier empfängt Mireille Mathieu in einer Suite zum Interview. Sie sitzt kerzengerade auf einem Sofa. Ihre dunklen Haare, frisiert zu der für sie typischen Bob-Frisur, unterstreichen ihren Porzellanteint. Gekleidet ist die 78-Jährige klassisch, ihr dunkles Oberteil hat einen weißen Kragen. In ihrer Heimat Frankreich gilt sie als Chansonsängerin, in Deutschland brachten Schlager ihr ungeheure Popularität ein. Nun will der Weltstar kürzertreten. Im Interview blickt Mireille Mathieu auf ihre Ausnahmekarriere und ihr Leben zurück.

AZ: Madame Mathieu, wollen Sie sich mit Ihrer Tournee „Goodbye My Love Goodbye“ endgültig von Ihrem Publikum verabschieden?

Mireille Mathieu: Für mich ist das ein Abschied von der großen Bühne und den langen Tourneen. Es könnte durchaus sein, dass ich noch einmal nach Deutschland kommen werde. Eins ist klar: Ich werde immer singen.

Weil Sie nicht ohne Gesang sein können?

Das Singen ist für mich wie Sauerstoff. Es ist die Luft, die ich zum Leben brauche. Ich singe immer, manchmal merke ich es selber gar nicht.

Sie feiern nun Ihr 60-jähriges Bühnenjubiläum. Was ist das Geheimnis Ihres Erfolgs?

Ich hatte das große Glück, meine Leidenschaft zu meinem Beruf machen zu können. Zudem bin ich sehr diszipliniert. Jeden Tag mache ich Stimmübungen. Mein Metier verlangt eben Perfektionismus.

Nicht nur Sie geben viel, einige Fans reisen Ihnen sogar ins Ausland hinterher. Was bedeutet Ihnen das?

Es berührt mich sehr. Denn diese Leute müssen die Anreise und das Hotel bezahlen, sie geben viel Geld für mich aus. Nicht weniger freue ich mich über diejenigen, die meine Platten kaufen. Mein Publikum ist mir bis heute treu geblieben – dafür danke ich Gott. Im Februar bin ich in Kanada aufgetreten, dort hatte ich seit 35 Jahren kein Konzert mehr gegeben. Ich fragte mich, wie mich die Menschen empfangen würden. Genauso haben meine Fans wohl gegrübelt, ob ich wohl noch wie früher sein würde. Am Ende stimmte die Chemie, das war eine wunderbare Erfahrung.

Lassen Sie uns auf Ihre Anfänge zurückschauen. Sie waren Hilfsarbeiterin in einer Fabrik und standen dann plötzlich im Rampenlicht. Haben Sie sich wie Eliza Doolittle gefühlt?

Das Musical „My Fair Lady“ kannte ich damals überhaupt nicht. Ich habe mit 14 gern in einer Papierfabrik gearbeitet, um Geld nach Hause bringen zu können. Als ich auf einmal bekannt wurde, war das wie im Märchen. Ich bin von Avignon nach Paris gezogen – das war für mich das Zentrum der Welt. Damit ist mein Traum wahr geworden.

Sie stammen aus der Arbeiterklasse. Wie verbunden sind Sie ihr heute noch?

Mein Vater war Steinmetz, mein Großvater auch. Ich selbst war stolz darauf, durch meine Arbeit in der Fabrik etwas zum Lebensunterhalt meiner Familie beitragen zu können. Ich respektiere Menschen, die mit ihren Händen arbeiten, genauso wie Kreative. Auch Landwirte bewundere ich. Wenn ich in der Provence bin, kaufe ich mein Gemüse auf einem Hof. Das Paar, das ihn bewirtschaftet, kennt keine Sonntage. Es muss sich täglich um seine Tiere und sein Gemüse kümmern.

Sind Sie eine große Naturliebhaberin?

Ja. Ich wohne mit meiner Schwester in Neuilly-sur-Seine. Wir haben einen Garten mit Blumen und Bäumen. Ebenso wie die Natur mag ich Tiere. Sie sind warmherziger und intelligenter als Menschen. Gerade älteren Personen geben sie so viel. Meine Mutter hatte acht Katzen. Sie nahm immer irgendwelche Tiere auf, die ausgesetzt oder misshandelt worden waren. Im Gegenzug hat sie unheimlich viel Liebe von ihnen zurückbekommen.

Sie hatten ein sehr enges Verhältnis zu Ihrer Mutter, die 2016 gestorben ist. Wie sind Sie mit diesem Verlust umgegangen?

Als sie starb, tat ich mich schwer mit ihrem Tod. Meine Mutter war eine großartige Frau. Sie hat 14 Kinder unter nicht eben leichten Bedingungen großgezogen. Mein Beruf ermöglichte es meiner Mutter, die Welt kennenzulernen. Manchmal habe ich sie sogar während eines Konzerts auf die Bühne geholt, sie hatte eine starke Bindung zu meinen Fans. Die Reisen zu meinen Auftritten hat sie auf jeden Fall geliebt.

Welchen Stellenwert hat Ihre Großfamilie für Sie?

Einen hohen. Die Liebe innerhalb der Familie finde ich wichtig. Meine Eltern haben uns vor allem zwei Dinge gelehrt: Respekt vor anderen und Zusammenhalt. Wir sind immer noch sehr eng. Auch wenn wir uns nicht ständig sehen, telefonieren wir oft. Eine meiner Schwestern kümmert sich um einen Bruder, der nach dem Tod meiner Mutter schwer krank geworden ist. So etwas ist in unserer Familie einfach selbstverständlich. Wir haben gelernt zu teilen. Wenn einem etwas fehlte, hat er es immer von einem anderen Familienmitglied bekommen.

Mireille Mathieu tritt Donnerstag, 3. November im Deutschen Theater auf (ausverkauft)

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