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Mirasaura grauvogeli: Fossil verändert Verständnis von Reptilien und Federn – Wissen | ABC-Z

Mehr als acht Jahrzehnte lang lag ein seltsames Fossil unbeachtet in einer privaten Sammlung – bis es wiederentdeckt wurde und nun das Verständnis der Evolution von Reptilien grundlegend erweitert. Das kleine Reptil, dessen Überreste auf ein Alter von rund 247 Millionen Jahren datiert werden, trug etwas auf dem Rücken, das über die Jahre für Pflanzenreste, eine Fischflosse oder gar einen Insektenflügel gehalten wurde. Heute ist klar: Es war ein aufragender Kamm aus federartigen Hautauswüchsen. Doch Federn im eigentlichen Sinne sind es nicht – und genau das macht die Entdeckung für die Wissenschaft so aufregend.

Der versteinerte Abdruck zeigt deutlich eine Art Kamm. (Foto: Stephan Spiekman/Staatliches Museum für Naturkunde Stuttgart)

Was da in feinen, überlappenden Lagen vom Rücken des Tiers absteht, erinnert entfernt an Farnblätter: ungeteilte, flache Anhänge, die vordersten über 50 Millimeter lang. Jeder einzelne Anhang besteht aus einem schmalen Stiel, der sich zu einer blattartigen Struktur mit einer feinen Mittelachse erweitert. Sie sind aus der Haut gewachsen, doch kein heute lebendes Tier trägt etwas Vergleichbares. Das Team um Stephan Spiekman vom Naturkundemuseum Stuttgart beschreibt diesen Fund nun in der Fachzeitschrift Nature als ein verschollenes Kapitel der Evolution.

Forscher Stephan Spiekman mit dem wundersamen Fossil.
Forscher Stephan Spiekman mit dem wundersamen Fossil. (Foto: Yannik Scheurer/Staatliches Museum für Naturkunde Stuttgart)

Entdeckt wurde das Fossil bereits im Mai 1935 von dem Paläontologen Louis Grauvogel in einer Tongrube bei Cocheren in der französischen Gesteinsformation Grès à Voltzia. Doch erst nach der Übergabe der gesamten Privatsammlung an das Stuttgarter Museum im Jahr 2019 erkannten die Forscher die wahre Natur des Fundes. Sie tauften das Tier auf den Namen Mirasaura grauvogeli – „Grauvogels Wunderreptil“. Es war ein eidechsengroßes, urzeitliches Baumreptil mit einem vogelähnlichen Schädel, großen, nach vorn gerichteten Augen und kräftigen Krallen, perfekt angepasst an ein Leben zwischen Ästen und Zweigen.

Das triaszeitliche Modeaccessoire könnte ein Blickfang für Rivalen oder Partner gewesen sein

Eine Analyse unter dem Elektronenmikroskop offenbarte ein überraschendes Detail: Im Inneren der Hautanhänge befinden sich Melanosomen – winzige Pigmentkörnchen, die auch Federn ihre Farbe verleihen. Das Erstaunliche daran ist, dass die Vielfalt der Formen dieser Körnchen jener in Vogelfedern stark ähnelt und sich deutlich von den eher eintönigen Formen in Reptilienschuppen unterscheidet. Trotz dieser Gemeinsamkeit betonen die Forscher, dass die Anhänge keine Federn sind, da ihnen der typische Aufbau mit seitlichen Verästelungen fehlt.

Wozu die bizarren Hautstrukturen dienten, ist offen. Zum Fliegen oder Wärmen waren sie ungeeignet. Wahrscheinlich waren sie reine Schauobjekte zur visuellen Kommunikation, verstärkt durch einen leichten Buckel auf dem Rücken des Tieres. Ein auffälliges Signal in der triaszeitlichen Modewelt – ein Blickfang für Rivalen oder Partner.

Mirasaura grauvogeli zeigt eindrucksvoll, dass Federn nur eine von vielen kreativen Möglichkeiten der Wirbeltierhaut sind. Die Trias war eine Zeit der evolutionären Innovation, die weit mehr als nur die Vorfahren der Dinosaurier und Säugetiere hervorbrachte. Der Evolutionsbiologe Richard Prum fasst es in einem begleitenden Kommentar in Nature so zusammen: „Die evolutionären Möglichkeiten der Reptilienhaut sind noch viel seltsamer, als wir bisher gedacht haben.“

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