Politik

Prozess zu Messerangriff im Studentenwohnheim in Darmstadt | ABC-Z

Im Strafprozess um einen beinahe tödlichen Messerangriff in einem Studentenwohnheim in Darmstadt zeichnet sich ab, dass der Angeklagte bei der Tat so stark von Cannabis berauscht war, dass er möglicherweise als nicht schuldfähig eingestuft wird. Zumindest haben Staatsanwaltschaft und Nebenklage am Dienstagnachmittag in ihren Plädoyers vorgetragen, man müsse die Schuldunfähigkeit annehmen oder könne sie nicht ausschließen. Die Schwurgerichtskammer hatte ebenfalls einen rechtlichen Hinweis in diesem Sinne gegeben.

Zuvor hatte die psychiatrische Gutachterin für die Tatzeit beim Angeklagten eine seelischen Störung angenommen, ausgelöst vom Cannabiskonsum. Eine solche Störung kann nach dem Gesetz die Schuldunfähigkeit zur Folge haben. Die Verteidigung beantragte einen Freispruch, weil die Schuldunfähigkeit nicht ausgeschlossen werden könne.

Dem Plädoyer der Anklage zufolge hatte der 27 Jahre alte Jordanier Sanad B. an einem Abend im November des vergangenen Jahres mit zwei Freunden in seiner Wohnung in dem Studentenwohnheim am Haardtring Cannabis geraucht. Der Angeklagte habe dann im Rausch unter Verfolgungswahn gelitten, bei einer Nachbarin geklingelt und Schutz gesucht. Kurz darauf habe der Mann sie gewürgt und mit einem Messer aus der Küche angegriffen, ihr viermal in den Rücken gestochen und die Klinge an ihren Hals gedrückt.

Video zeigt, wie Polizisten in die Wohnung stürmen

Zu Schlimmerem kam es nicht, weil Polizisten die Tür aufbrachen, in die Wohnung stürmten und den Angreifer festnahmen. Diese Szene zeigt das Video aus der Bodycam eines Beamten, das im Gerichtssaal vorgeführt wurde. Die Aufnahme hat auch festgehalten, wie der junge Mann nach der Festnahme in verschiedenen Sprachen, Deutsch, Englisch und Arabisch, wirre Aussagen von sich gab, Anwesende und andere Personen beschimpfte.

Staatsanwalt Nico Kalb beantragte in seinem Plädoyer eine Freiheitsstrafe von drei Jahren für den 27 Jahre alten Jordanier Sanad B.. Zwar sei er bei der Tat dermaßen stark berauscht gewesen, dass er sein Verhalten nicht mehr habe steuern können. Deshalb könne er für den Angriff auf die Nachbarin nicht belangt werden. Der Mann könne aber dafür bestraft werden, dass er sich selbst in diese Lage versetzt habe: in einen so starken Rausch, dass er die Kontrolle verloren habe. Dafür droht der Paragraf 323a des Strafgesetzbuchs eine Gefängnisstrafe von bis zu fünf Jahren an.

Der Ankläger führte aus, der Angeklagte habe wissen müssen, dass ein Rausch von Cannabis bei ihm gefährlich werden könne. Als er im Jahr 2021 dieses Rauschgift zum ersten Mal konsumiert habe, sei er seelisch in einen Zustand geraten, den er gegenüber der psychiatrischen Gutachterin als Paranoia beschrieben habe. Deshalb hätte er sich nicht wieder mit dieser Droge berauschen dürfen. Weil er im benebelten Zustand eine schwere Gewalttat begangen habe, komme dafür nur eine Gefängnisstrafe in Betracht. In der Anklage war dem Jordanier noch versuchter Totschlag und Körperverletzung mit einem gefährlichen Werkzeug vorgeworfen worden.

Der Anwalt Claus Schwerter, Nebenklagevertreter für das Opfer, sagte, die Verletzungen mit dem Messer seien massiv gewesen und die junge Frau leide heute noch körperlich und seelisch unter den Folgen, etwa unter Schmerzen und Angstzuständen beim Klingeln an der Wohnungstür. Allerdings zeige das Video aus der Bodycam des Polizisten am Tatort, dass der Angreifer zur Tatzeit tatsächlich unter einer Psychose gelitten und diese nicht nur vorgetäuscht habe. Der Anwalt bat die Richter, beim Strafmaß die Folgen der Gewalttat zu berücksichtigen.

Verteidiger Moritz Schmitt-Fricke wies darauf hin, Sanad B. habe sich „legal berauscht“. Gleichzeitig übte der Anwalt Kritik an der Teillegalisierung von Cannabis, indem er sagte, die Befürworter der seit dem vergangenen Jahr geltenden Regelung sollten das Video ansehen, das den jungen Mann in seinem psychotischen Rauschzustand zeige. Der Verteidiger widersprach dem Staatsanwalt und forderte, den Angeklagten nicht dafür zu bestrafen, dass er die Droge genommen habe. Der vom Ankläger genannte Konsum liege Jahre zurück. Die Richter wollen ihr Urteil am Donnerstag verkünden.

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