Garching – TU präsentiert Fortschritte beim autonomen Fahren – Landkreis München | ABC-Z

Autonomes Fahren ist die Zukunft. Da ist man sich in Wirtschaft, Politik und Wissenschaft inzwischen weitgehend einig. Doch noch fehlen die unbemannten Fahrzeuge im deutschen Straßenverkehr nahezu komplett. Die Technische Universität München (TU) möchte das ändern – und konnte bei diesem Vorhaben sowohl im fernen Abu Dhabi als auch auf der heimischen Wiesn Fortschritte unter Beweis stellen. Am Mittwoch gewährte die Universität bei einer „Roadshow“ Einblick in ihre Forschung.
Unter dem Motto „Von der Rennstrecke zur Wiesn“ empfing Markus Lienkamp etwa ein Dutzend Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Medien in der Versuchshalle auf dem Campus in Garching. Der Professor für Fahrzeugtechnik an der TU sprach in seiner Begrüßung stolz von einer im April angefangenen „Erfolgsstory“, die sein Lehrstuhl schreibe. Der Hintergrund: Doktoranden und Studierende waren im April mit einem an der TU entwickelten autonomen Rennwagen auf der Formel-1-Strecke in Abu Dhabi gegen internationale Konkurrenz angetreten – und hatten dabei den ersten Platz belegt.
Dabei wurde in Abu Dhabi der Grundstein für eine kleine Revolution beim diesjährigen Oktoberfest gelegt. Denn: „Die Algorithmen aus dem Rennwagen konnten wir auch auf Edgar übertragen“, so Lienkamp. Edgar, eine von Studierenden gewählte Abkürzung für „Excellent Driving Garching“, ist der voll automatisierte VW-Bus der Uni. Der hat während des Oktoberfests Besucher vom Bahnhof zur Theresienwiese gebracht – und damit zum ersten Mal überhaupt Passagiere befördert.
Ein Entwicklungsschritt, den die Forschenden vor allem dazu nutzen wollten, weitere Daten zu sammeln. Und da kamen ihnen die teilweise chaotischen Umstände während der Wiesn gerade recht. „Menschenmassen, dichter Verkehr und unterschiedlichste Verkehrsteilnehmer“, zählt Lienkamp als Herausforderungen auf. Dabei kommt es zunächst einmal darauf an, dass das selbstfahrende Auto diese Hindernisse überhaupt als solche erkennt.
Deshalb beschäftigt sich an der TU einer der insgesamt sechs Forschungsbereiche beim autonomen Fahren mit der „Wahrnehmung und Vorhersage“. „Unser Fokus liegt auf der Erfassung von anderen Verkehrsteilnehmern und auf der Vorhersage von deren Verhalten“, so Teamleiter Felix Fent. Insbesondere bei Letzterem sei der Uni kürzlich ein großer Erfolg gelungen. „Bisher waren drei bis fünf Sekunden Beobachtung für eine Vorhersage nötig. Wir konnten diese Zeit auf eine Sekunde verkürzen“, erklärte Fent.

Einer Mischung aus Kamera- und Radarsensoren ist es zu verdanken, dass Edgar sowohl belebte als auch unbelebte Objekte erkennt. Auf einer für die Gäste angebotenen Campus-Rundfahrt mit dem VW-Bus versperrte hinter einer Kurve plötzlich ein Gerüst einen Teil der Straße. Doch der Algorithmus wusste, was zu tun ist, und steuerte den Kleinbus an dem Hindernis vorbei. Allerdings: Vor dem Ausweichmanöver blieb das Auto kurz ruckartig stehen. Und: Die Kurve wäre von einem Menschen bestimmt noch flüssiger gefahren worden.
Aber auch für die Beurteilung der Fahrweise gibt es mit der „Evaluation und Simulation“ einen eigenen Forschungsbereich an der TU. Hier wird laut Teamleiter Simon Sagmeister nicht zuletzt auf einen „digitalen Zwilling“ des echten Fahrzeugs zurückgegriffen. So wird beispielsweise schon am Monitor sichtbar, wie gut ein Algorithmus das Fahrzeug in der Spur halten kann.
Den Studierenden, denen das zu abstrakt ist, stellt die TU in ihrer Versuchshalle auch Modellautos zur Verfügung. „Die haben die gleiche Ausstattung wie der Edgar, kosten aber statt 750 000 eben nur 5000 Euro“, erklärte Johannes Betz, Professor für Autonome Fahrzeugsysteme. Sind die algorithmisierten Modelle allerdings noch nicht „getunt“, bahnen sie sich ihren Weg im Zickzack durch die einer Mini-Kartbahn ähnelnde Rennstrecke.

In einem echten Auto wäre das ein Sicherheitsrisiko – und damit ein Fall für Matthias Althoff, der sich mit dem Thema Sicherheit beim autonomen Fahren beschäftigt. Besonders stolz ist man in diesem Bereich darauf, die Verkehrsregeln formalisiert zu haben. „So können wir bei einem Unfall beweisen, dass wir ihn nicht verursacht haben“, betont Althoff. Bevor es zu einem Zusammenstoß kommt, gebe es in der Stadt aber auch den simplen Sicherheitsmechanismus, dass das Auto stehen bleibt.
Teleoperatoren kommen ins Spiel, wenn etwas nicht funktioniert
Meistens kommen dann die sogenannten Teleoperatoren zum Einsatz. Teleoperatoren sind Menschen, die aus einer Art Schaltzentrale das Auto per Mobilfunk steuern können. Es ist, wenn man so will, der unschöne Teil der Forschung, denn: „Wir kommen ins Spiel, wenn es nicht funktioniert“, erklärte Tobias Kerbl. Kann sich das Auto aus einer Situation nicht selbständig befreien, soll es laut dem wissenschaftlichen Mitarbeiter zumindest kurzfristig ferngesteuert werden.
Beim Taxi-Shuttle zum diesjährigen Oktoberfest brauchte es einen solchen Teleoperator nicht, da ein Fahrer am Steuer saß, der zur Not direkt eingreifen konnte. Einer der nächsten Schritte wäre, dass Edgar seine Passagiere unbemannt ans Ziel bringt. Bei der Weiterentwicklung ihrer Software setzt die TU dabei auch auf die Unterstützung anderer Forschungseinrichtungen. Markus Lienkamp betonte in diesem Zusammenhang, dass die gesamte Forschung „für alle sichtbar“ sei, und meint: „Keiner schafft es alleine!“