Milliardenurteil des EuGH: Google muss nun auf zwei Kontinenten gegen die Zerschlagung kämpfen | ABC-Z
Der EuGH bestätigt eine Buße von 2,4 Milliarden Euro gegen Google. Damit steht fest, dass der harte Kurs der EU-Kommission gegen das Unternehmen vom obersten Gericht unterstützt wird. Mehr noch: Die Wettbewerbshüter in Brüssel und Washington verfolgen einen ähnlichen Weg. Der Druck auf Google wächst.
Der Internetkonzern Google hat am Dienstag in letzter Instanz ein wichtiges Wettbewerbsverfahren gegen die Europäische Union verloren. Der Europäische Gerichtshof hat entschieden, dass die von den Wettbewerbshütern der EU im Jahr 2017 verhängte Milliardenstrafe gegen den Konzern rechtskräftig ist, dass Google also die damals verhängte Geldbuße von 2,4 Milliarden Euro tatsächlich zahlen muss.
Damit hat der EuGH die Einschätzung der Kommission bestätigt, dass Google vor acht Jahren seine marktbeherrschende Stellung missbrauchte, indem der Konzern seinen eigenen Shopping-Dienst bei der Online-Suche gezielt bevorzugt hat.
Das Urteil reiht sich ein in eine ganze Reihe von juristischen Schlappen, die der Konzern aktuell auf beiden Seiten des Atlantiks einstecken muss. Im August hatte der Konzern bereits ein wichtiges Wettbewerbsverfahren in den USA verloren, weitere Verfahren laufen. Googles jahrelange Taktik, die Grenzen des Wettbewerbsrechts auszureizen und zu überdehnen, erweist sich inzwischen als Boomerang: Der Druck der Wettbewerbshüter auf den Konzern ist so hoch gestiegen, dass selbst eine Zerschlagung des Konzerns nicht länger völlig unrealistisch ist.
Für europäische Firmen ist das Urteil wichtig, da das Gericht damit einen Präzedenzfall schafft, der etwa bei Schadensersatzklagen oder weiteren Verfahren in ähnlich gelagerten Fällen durchaus relevant ist.
Vor allem aber zeigt das Gericht mit dieser Entscheidung und einem weiteren zeitgleichen Urteil gegen den iPhone-Konzern Apple zu einer 13 Milliarden Euro schweren Steuernachzahlung, dass das Gericht die Wettbewerbseinschätzungen der Kommission teilt und diese in ihren Entscheidungen unterstützt.
Für Googles Rechtsanwälte, die Wettbewerbsentscheidungen angesichts der enormen Strafen naturgemäß bis zur letzten Instanz durchfechten, ist das eine schlechte Nachricht. Bereits in der kommenden Woche droht ihnen die nächste Schlappe: Da entscheidet das Gericht über eine weitere Strafe aus dem Jahr 2019 in Höhe von 1,49 Milliarden Euro aus dem Wettbewerbsverfahren gegen Googles AdSense-Technologie.
Man sei „enttäuscht“ über das Urteil, kommentierte Google knapp. Der Konzern hatte seine Produktsuche bereits 2017 angepasst, um weitere Folgestrafen zu vermeiden, und zeigt seitdem konkurrierende Preisvergleichs-Websites an.
Die Urteile markieren zudem den Schlusspunkt unter ein Verfahren, das Wettbewerbshüter global in ihren Einschätzungen der Techkonzerne beeinflusst hat. „Dieser Fall brachte einen entscheidenden Wandel in der Regulierung und Wahrnehmung digitaler Unternehmen“, kommentierte EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager das Urteil am Dienstag. „Vor diesem Fall herrschte die Meinung vor, dass digitale Unternehmen frei agieren dürfen.“
Zweites Verfahren in den USA, neben dem in der EU
Inzwischen hat sich die Position der Netzkonzerne und insbesondere Googles im Streit um den freien Wettbewerb im Netz deutlich verschlechtert. Zwar bewirkte Googles erfolgreiche Verzögerungstaktik, dass der Konzern erst jetzt die vollen Konsequenzen der Entscheidung von 2017 tragen muss.
Doch gleichzeitig hat auch die EU reagiert – und mit dem Digital Markets Act und dem Digital Services Act zwei Gesetze geschaffen, die künftige Wettbewerbsverfahren deutlich verkürzen sollen.
Vor allem aber hat das Vorbild der EU dafür gesorgt, dass der Konzern auch in seinem Heimatmarkt erheblich unter Druck geraten ist. Denn seit den Entscheidungen in Europa blicken auch Wettbewerbshüter in den USA strenger auf die Internet-Riesen unter ihrer Aufsicht.
Aktuell laufen in den USA gleich zwei Verfahren gegen Google. Bei dem Ersten hatte ein US-Bundesgericht im District of Columbia unter Richter Amit Mehta im August entschieden, dass Google illegale Praktiken angewendet hatte, um seiner Internetsuche zu ihrer Fast-Monopolstellung im Markt zu verhelfen. Nun will sich Mehta bis kommendes Jahr Zeit nehmen, um das Strafmaß festzulegen. Im Extremfall könnte bereits in diesem Verfahren die Zerschlagung von Google entschieden werden, sagten Vertreter des US-Justizministeriums gegenüber US-Medien.
Zudem eröffnete am Montag ein Gericht im US-Bundesstaat Virginia ein weiteres Verfahren gegen Google, diesmal ist – wie auch schon in der EU – Googles Werbenetzwerk im Visier der Regulierer. Die Wettbewerbshüter der US-Regierung fordern, dass Google seine AdSense-Plattform im Netz verkaufen muss. Die Plattform gilt als wichtigste Cashcow des Unternehmens, mit ihr vermarktet Google Werbeplätze auf Internetseiten außerhalb des eigenen Imperiums aus Suche, YouTube oder Maps.
Der Konzern bietet sich als Intermediär zwischen den werbenden Unternehmen einerseits und den Webseitenbetreibern andererseits an. Dank AdSense können die Kunden bei Google direkt Zielgruppen buchen – wo die Werbung anschließend angezeigt wird, entscheidet Google. Mit der Technologie hat Google sich laut dem anklagenden Justizministerium einen Marktanteil von über 90 Prozent erarbeitet.
Das allein ist noch nicht illegal – doch in dem Verfahren wollen die Wettbewerbshüter beweisen, dass Google sowohl die Werbekunden als auch die Webseitenbetreiber benachteiligt hat. Zum einen habe Google durch den geschickten Kauf von Konkurrenten seine Plattform alternativlos gemacht. Zum anderen habe der Konzern die Preisfindung auf der Plattform manipuliert, um den eigenen Umsatz zu steigern.
Google selbst streitet die Vorwürfe ab. Doch angesichts der aktuellen Stimmung gegen den Konzern könnten die Konzern-Anwälte es schwer haben, sich wirkungsvoll zu verteidigen. Denn auch diesmal können die US-Behörden die EU als Vorbild hinzuziehen. Ein Verfahren zum selben Thema hat Margrethe Vestager bereits im Juni 2023 gestartet – die Anklagevorwürfe ähneln sich sehr. Auch das Verfahren in der EU läuft noch und könnte am Ende zu einem ähnlichen Schluss führen: Auch die EU fordert eine Aufspaltung von Googles Werbegeschäft.
Benedikt Fuest ist Wirtschaftskorrespondent für Innovation, Netzwelt und IT.