Militarisierter Naturschutz in Afrika: Das zweifelhafte Geschäftsmodell von African Parks – Politik | ABC-Z
Die Vorstellung, schwarze Afrikaner seien unfähig, die ikonische Natur ihres Kontinents selbst zu schützen, reicht in die Kolonialzeit zurück. Als dann um 1960 ein Ende der Fremdherrschaft absehbar wurde, fürchteten westliche Naturschützer, dass die neuen Herrschenden die Nationalparks verfallen lassen würden. Um die vermeintlich bevorstehende Ausrottung von Afrikas Wildtieren zu verhindern, tummelten sich bald diverse private Naturschutzorganisationen auf dem Kontinent. Zwar erwiesen sich ihre Ängste als Hirngespinste. Aber dass sie ihr Geld durch afrikanische Behörden schleusen und mühsame Lobbyarbeit betreiben mussten, missfiel vielen Naturschützern. Auch der Glaube, dass das System ohne externe Eingriffe rasch kollabieren könnte, blieb, und so begannen sie nach immer mehr Einfluss zu streben. Heute wollen einige Organisationen staatliche Behörden bei der Verwaltung von Nationalparks nicht mehr nur unterstützen, sondern ganz ersetzen.
Dies ist auch das Geschäftsmodell der Nichtregierungsorganisation African Parks. Um die Jahrtausendwende gegründet und anfangs maßgeblich finanziert vom niederländischen Industriellen Paul van Vlissingen, verwaltet die Organisation heute 22 Schutzgebiete in zwölf afrikanischen Ländern. Zusammen erstrecken sie sich über eine Fläche, die fünfmal so groß ist wie die Niederlande. An die Stelle des 2006 verstorbenen van Vlissingen sind inzwischen andere Milliardäre getreten. Hinzu kommt westliches Steuergeld, auch deutsches. African Parks sieht sich als „einzige stabilisierende Kraft“ in den „am schlechtesten erschlossenen Regionen Afrikas“. Die Ranger der Organisation sind dementsprechend oft hochgradig militarisiert. Zudem reklamiert man einen pragmatischen Geschäftssinn für sich: Naturschutz als Business. Nur so könnten Schutzgebiete langfristig erhalten werden.
Die Organisation fühlt sich von Kritik nur angegriffen
Der niederländische Investigativjournalist Olivier van Beemen wollte wissen, wie sich die Herrschaft von African Parks auf die lokale Bevölkerung auswirkt und wie erfolgreich das Geschäftsmodell der Organisation ist, das zunehmend Nachahmer findet. Außerhalb seiner Heimat ist van Beemen bisher vor allem durch seine Recherchen über das Geschäftsgebaren des Brauereigiganten Heineken in Afrika bekannt geworden. Sein neues Buch „Im Namen der Tiere“ ist nun das Porträt einer Nichtregierungsorganisation, die unbedingt die Nummer eins auf ihrem Gebiet werden will. Mehr als drei Jahre hat er daran recherchiert, befragte Hunderte Menschen, trieb interne Dokumente auf und unternahm mehrere Reisen in die Umgebung von Nationalparks.
Naturschutz in Afrika ist eine verzwickte Angelegenheit. Um Reservate für Wildtiere zu schaffen, verdrängten koloniale und nationale Regierungen die Aktivitäten von Jägern und Sammlern, Bauern und Hirten. Mitunter jahrzehntelange Konflikte waren die Folge. Noch heute finden Vertreibungen statt. In den Medien aber dominieren weiterhin Afrika-Klischees: majestätische Herden, heldenhafte Ranger, barbarische Wilderer. Seit einigen Jahren bekommt dieses Bild nun zunehmend Risse. Immer wieder erschienen Berichte über Menschenrechtsverletzungen durch militarisierte Ranger, die arme Dorfbewohner drangsalierten. Auch internationale Naturschutzorganisationen gerieten in die Kritik.
Vermarktung der Parks für weiße, reiche Kunden?
Die Organisation African Parks gilt manchen Beobachtern als Vorreiter der Militarisierung. Schon früher stand sie wegen ihres repressiven Umgangs mit der lokalen Bevölkerung in der Kritik. Nun hat van Beemen weitere schwere Vorwürfe von Betroffenen zusammengetragen. Der Autor entwirft das Bild einer Organisation, die im Belagerungsmodus agiert. In den von ihr verwalteten Parks scheint sie sich von Feinden umzingelt zu sehen, gegenüber neuen Impulsen zeigt sie sich verschlossen. Zwar gebe es viele Mitarbeiter, die sich mit Leidenschaft für ihre Mission und auch für die Gemeinden rund um die Parks einsetzten, so van Beemen, aber der Führung von African Parks gehe es vor allem um Macht und Kontrolle. Mit dieser Macht wolle die Organisation die ihr unterstellten ländlichen Räume so umgestalten, dass sie dem westlichen Mythos einer unberührten afrikanischen Natur entsprechen – und sie so an eine reiche, überwiegend weiße Kundschaft vermarkten. Die lokale Bevölkerung störe dabei und gerate somit immer wieder ins Hintertreffen.
Hochmut und Starrsinn, berichtet van Beemen, gehörten regelrecht zur DNA von African Parks. Nichts illustriert diese Melange besser als die Karriere eines führenden europäischen Mitarbeiters. 2016 beschließt dieser, seinen afrikanischen Rangern im kongolesischen Garamba-Nationalpark zeigen zu müssen, wie man effektiv gegen Wilderer vorgeht, bei denen es sich anscheinend um südsudanesische Soldaten handelt. Er selbst: ein Zivilist ohne militärischen Hintergrund. Am Ende des Himmelfahrtskommandos sind drei kongolesische Ranger tot. Doch der verantwortliche weiße Hasardeur wird nicht etwa geschasst. Er wird zum Helden erklärt, steigt laut van Beemen in den folgenden Jahren zu einer Schlüsselfigur der Organisation auf. Externer Kontrolle oder gar echter Rechenschaft, so legen es seine Recherchen nahe, versucht sich African Parks zu entziehen. Jedem prüfenden Blick von außen begegnet die Organisation mit Paranoia; steckt sie Kritik ein, schlägt sie um sich. Denn African Parks macht keine Fehler, glaubt zumindest African Parks. Van Beemen dokumentiert dies ausführlich anhand seiner eigenen Interaktionen mit Management und Presseabteilung. Seine Beharrlichkeit verdient Respekt. Umso bedauerlicher ist es, dass die Geldgeber der Organisation gar nicht oder lediglich mit Worthülsen auf seine Enthüllungen reagierten.
„Im Namen der Tiere“ ist ein wichtiges Buch, auch weil die Aktivitäten von Nichtregierungsorganisationen in der Öffentlichkeit zu selten kritisch hinterfragt werden. Immerhin geht es doch um eine gute Sache, heißt es ja. Die Ergebnisse seiner mühseligen Recherchen präsentiert van Beemen in Form eines gut erzählten Pageturners. Das ist aber auch seine Schwäche. Während der Autor in 38 Kapiteln auf nicht einmal 300 Seiten von einer Anekdote zur nächsten eilt, bleibt die Einordnung auf der Strecke. So erscheint der Fall African Parks mitunter isoliert. Dabei gibt es unzählige kritische sozialwissenschaftliche Studien, die sich den oft komplizierten Beziehungen afrikanischer Schutzgebiete zu den Menschen in ihrer Umgebung widmen. Sie diskutieren die Militarisierung des Naturschutzes und seine Gewaltdynamiken ebenso wie die zahllosen Versuche, Schutzgebiete irgendwie profitabel zu machen und entrechtete Menschen mit ihnen zu versöhnen.
Van Beemen streift diese größeren Zusammenhänge zwar, doch eine intensivere Auseinandersetzung mit ihnen und der Blick über African Parks hinaus hätten deutlicher machen können, inwieweit gewisse Probleme der Organisation den Naturschutzsektor in Afrika als Ganzes plagen. Aus einer historischen Perspektive erscheint African Parks nämlich in allerlei Aspekten lediglich als eine weitere Organisation unter vielen, die seit mehr als sechzig Jahren die im Kern stets gleichen Praktiken und Ideen als innovativ zu verkaufen versuchen.
Jan-Niklas Kniewel ist Historiker an der Universität Bern. Zuletzt erschien von ihm eine Studie über die Geschichte des Naturschutzes im postkolonialen Kongo im Journal of Contemporary History.