Mike and The Mechanics begeistern in Frankfurt | ABC-Z

Noch einmal ausgiebig in den Jugenderinnerungen schwelgen? Kann man mit alten Freunden. Oder aber, wenn man die Musik aus der Zeit hört und das Kopfkino in Gang setzt. Wie viele der Besucher in der ausverkauften Frankfurter Alten Oper beim Mitklatschen, im Takt wippen und dezent mit den Hüften schwingen wohl an frühere Zeiten denken?
Eine attraktive Dame in einem schicken bunten Hosenanzug ganz sicher. Nach dem fulminanten Auftakt „A Beggar On A Beach Of Gold“ sagt sie begeistert zu ihrem männlichen Begleiter: „Da fühle ich mich unmittelbar wieder als Teenager“.
Als idealer Koordinator und Katalysator für den kollektiven Nostalgietrip erweist sich Mike Rutherford. Schon parallel zum Erfolg der Artrock-Formation Genesis hatte der britische Gitarrist, Bassist und Komponist 1985 sein ebenfalls global populäres Parallelprojekt Mike & The Mechanics aus der Taufe.
Sohn von Phil Collins am Schlagzeug
Nach sechsjähriger Zäsur reaktivierte Rutherford seine Mechaniker 2010 in runderneuerter Besetzung: Andrew Roachford und Tim Howar übernahmen den Job der einstigen Vokalisten Paul Carrack und Paul Young. An Sologitarre und Bass agiert seither Anthony Drennan. Multiinstrumentalist Luke Juby bedient die Keyboards, wechselt auch mal an den Bass und kann zudem ganz ausgezeichnet pfeifen. Als besonderer Clou für die zahllosen Anhänger von Genesis im Auditorium erweist sich diesmal indes der Schlagzeuger: Nicholas Collins, genannt Nic, der 24 Lenze junge Sohn von Phil Collins.
Rutherford mit Krücke
Wer rastet, der rostet, lautet das Credo des Multimillionärs und passionierten Polospielers Rutherford. Trotz gesundheitlicher Einschränkung begibt sich der ruhelose 74 Jahre alte Künstler auf umfangreiche Welttournee. Wegen eines vor Monaten erlittenen Hüftbruchs bewegt sich der hoch gewachsene Rutherford im eleganten Anzug mit einer Krücke ins Rampenlicht.
Der Show tut das keinen Abbruch: Im Angebot von Mike & The Mechanics, die ihr Vierzigjähriges feiern, findet sich ein kompakter Auszug aus neun Studioalben. Darunter auch die noch heute öfter im hiesigen Radio gespielten Charthits „Silent Running (On Dangerous Ground)“, „The Living Years“, „Over My Shoulder“, „Word Of Mouth“ und „All I Need Is A Miracle“.
Es sind alles kleine Pop-Meisterwerke mit hohem Ohrwurmfaktor. Textsicher stimmt die Besucherschar mit ein. Im Reißverschlussverfahren wechseln sich E-Pianist Andrew Roachford mit seinem ausgeprägten Soultimbre sowie der stark im Rock verankerte Tim Howar als Sangessolisten ab. Im Gespann mit Luke Juby, der auch für die digitalen Streicher und sonstige Zutaten verantwortlich ist, gelingen die perfekt mehrstimmigen Passagen.
Generell legt das Sextett bei seinem stilistischen Rundumschlag aus Pop, Soul, Funk und Artrock wert auf virtuose Präzision. Ein wohliges Raunen durchströmt die Alte Oper, wenn die wenigen Genesis-Originale anklingen: „Land Of Confusion“, seinerzeit auf die Reagan-Administration gemünzt, passt auch in der Trump-Ära. Als Tanzanimation erweist sich der selbstironische Rocker „I Can’t Dance“. Weitere Genesis-Perlen integrieren sich in einem ausführlichen Medley.
Nahtlos ins Konzept passen auch die neuen Songs „Song For You Song For Me“ und „East And West Of The Sun“. Roachford glänzt sowohl bei seinem souligen Solotitel „Cuddly Toy“ als auch beim hymnischen „The Living Years“. Darin verwandelt Rutherford subtil die unausgesprochenen Worte und den ungelösten Zwist zwischen ihm und seinem verstorbenen Vater in Musik.