Bezirke

Klinik in Ebersberg: Kranken Kindern hilft jetzt “Doktor Wall-E” – Ebersberg | ABC-Z

Für Eltern gibt es wohl nichts Schlimmeres, als wenn das eigene Kind plötzlich schwer krank wird oder sich erheblich verletzt. Dann schalten Mama und Papa in den Notfallmodus – doch eine Entscheidung ist manchmal gar nicht so leicht zu fällen: Wo gibt es möglichst schnell möglichst kompetente Hilfe? Vor allem auf dem Land sind die Wege in die nächste Kinderklinik nämlich oft weit, die Wartezeiten dort eventuell dann noch mal lang. Was also tun?

In Ebersberg zum Beispiel ist, egal in welche Richtung, zur nächsten Kinderklinik mit einer Stunde Fahrtzeit zu rechnen. Deshalb melden sich in der Notaufnahme des örtlichen Krankenhauses gar nicht so selten Familien an, obwohl es dort gar keine pädiatrischen, also auf Kinder und Jugendliche spezialisierten Fachärzte gibt. Allein im Jahr 2024 wurden mehr als 3000 Patienten unter 18 Jahren in der Ebersberger Notaufnahme versorgt – das sind zehn Prozent aller Fälle. „Und die meisten davon sind sogar deutlich unter zehn Jahren“, sagt Viktoria Bogner-Flatz, Chefärztin der Notaufnahme.

Assistenzärztin Franziska Huber (links) und Chefärztin Viktoria Bogner-Flatz werden bei der Behandlung einer junge Patientin von Kinderchirurg Mark Malota am Bildschirm unterstützt. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Klar ist aber: Kinder sind keine kleinen Erwachsenen. Um sie altersgerecht behandeln zu können, braucht es eine besondere Expertise. Und hier kommt nun „Wall-E“ ins Spiel, ein neuer, digitaler Helfer, der die Ebersberger Notaufnahme seit Anfang des Jahres auf innovative Weise unterstützt. Über diesen Roboter nämlich können die Ärztinnen und Ärzte direkten Kontakt herstellen zu den Kollegen vom Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin in München. Dieses ist eine Kooperation der München Klinik (MüK) mit dem TUM Universitätsklinikum – und auf Kindernotfallversorgung der höchsten Stufe spezialisiert.

Dank des Projekts „TelEmergency Kids“ kommen diese Spezialistinnen und Spezialisten quasi per Knopfdruck nach Ebersberg. Wall-E verfügt über einen Bildschirm, Lautsprecher und vor allem eine hochauflösende Kamera, die sich per Maus oder Joystick in alle Richtungen bewegen lässt. An diesem Vormittag ist es Mark Malota, Kinderchirurg und Notfallmediziner, der am anderen Ende der Leitung in Schwabing sitzt und die Funktionsweise von Wall-E begeistert vorführt.

Dank Zoom entgeht dem Mediziner nicht das kleinste Detail

Über den Roboter bekommt der Mediziner in München alles mit, was in dem kleinen Raum vor sich geht. Vor allem kann er sich ein authentisches Bild vom Gesamtzustand des jungen Patienten machen und dank enormer Zoomleistung der Kamera auch kleinste Details begutachten. Sind die Augen gerötet? Welche Ausprägung hat ein Ausschlag? Wie genau hört sich der Husten an? „Und jetzt bitte mal die Zunge weit rausstrecken!“ Sogar Laborergebnisse oder Röntgenbilder auf dem Ebersberger Computer könnte Malota in Augenschein nehmen und in seine Diagnose einbeziehen. „Es ist, als wäre er anwesend“, versichert Bogner-Flatz mit Blick auf den Schwabinger Kollegen am Bildschirm.

Und wie wird die Unterstützung aus der Ferne organisiert? Im Bedarfsfall bittet die Ebersberger Notaufnahme einfach per Telefon um ein digitales Konsil. Gemeinsam mit den pädiatrischen Kollegen aus München und den Eltern wird dann entschieden, wie es mit dem jungen Patienten weitergeht. Ob eine sofortige Verlegung in eine Kinderklinik notwendig ist? Oder ob eine Behandlung vor Ort beziehungsweise eine ambulante Weiterbetreuung ausreicht?

„Wir Ärzte sind das analoge Arbeiten ja seit Jahrhunderten gewöhnt“, sagt Malota, „insofern ist die Telemedizin natürlich ein wahnsinnig großer Schritt, an den wir uns erst mal gewöhnen müssen.“ Und auch seine Ebersberger Kollegin betont, dass man zunächst ganz ergebnisoffen an das digitale Projekt herangegangen sei. „Die Frage war: Kommen wir über diesen Kanal wirklich zu guten Ergebnissen, zu Diagnosen und Entscheidungen, die wir verantworten können?“

Die Antwort fällt aber nun, nach einem knappen Jahr, eindeutig aus: Ja, die Kooperation TelEmergency Kids habe sich in jeder Hinsicht bewährt und sei in ihrer Effizienz ein großer Gewinn, sagen die beiden Mediziner. Und zwar für alle Seiten. Für Eltern und Kinder biete es einen echten Komfort: Ihnen würden im Notfall lange Fahrten, Wartezeiten und Stress erspart. Sie bekämen schnell eine verlässliche Diagnose und, wenn möglich, eine wohnortnahe Behandlung. Und wenn doch eine Verlegung nach Schwabing notwendig sei, so Malota, gehe dort alles schneller, „weil die erste Begutachtung ja bereits geschehen ist“.

In der Ebersberger Ambulanz scheint man „Doktor Wall-E“ schon ziemlich ins Herz geschlossen zu haben, das legt zumindest diese Zeichnung nahe.
In der Ebersberger Ambulanz scheint man „Doktor Wall-E“ schon ziemlich ins Herz geschlossen zu haben, das legt zumindest diese Zeichnung nahe. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Die hoch spezialisierten Kindernotaufnahmen wiederum werden entlastet, weil die weniger komplizierten Fälle eben bereits in Ebersberg Hilfe finden. „So kommen unsere Ressourcen verstärkt denen zugute, die sie dringend brauchen“, sagt der Kinderchirurg aus Schwabing. Und die Ebersberger können sich dank Wall-E über zusätzliche Expertise und fachlichen Austausch freuen. „Bei so einer Kooperation lernt man ja auch immer was dazu“, sagt Bogner-Flatz. Die enge, vertrauensvolle Zusammenarbeit habe inzwischen sogar zur Folge, dass immer seltener digitale Konsile notwendig seien. „Weil wir uns und unsere Kompetenzen mittlerweile so gut kennen, reicht es oft, sich kurz ganz altmodisch per Telefon zu besprechen“, erzählt die Chefin der Ebersberger Notaufnahme.

Kein Wunder also, dass TelEmergency Kids kürzlich von der Deutschen Gesellschaft für Telemedizin mit einem zweiten Preis ausgezeichnet worden ist. Das Modellprojekt zeige, wie telemedizinische Netzwerke helfen könnten, Versorgungslücken zu schließen. „Es schafft eine Blaupause für eine flächendeckende, digitale Vernetzung, die bundesweit Schule machen kann.“

„TelEmergency Kids“ ist eine neue Kooperation, die allen Beteiligten zugute kommt.
„TelEmergency Kids“ ist eine neue Kooperation, die allen Beteiligten zugute kommt. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Daran glauben auch Bogner-Flatz und Malota: Angesichts schrumpfender Ressourcen im gesamten Gesundheitsbereich liege in der digitalen Vernetzung vermutlich die Zukunft. „Denkbar wären alle möglichen Einsatzfelder beziehungsweise Fachrichtungen“, sagt die Ebersberger Notfallmedizinerin, „von der Dermatologie über den Augenarzt bis zur Psychiatrie.“ Am Klinikum Ebersberg München Ost zum Beispiel gibt es bereits seit Längerem eine telemedizinische Kooperation bei Schlaganfällen, neu hinzugekommen ist nun ein weiteres, bayernweites Modellprojekt:  „TelEmergency Baby“ macht eine Notfallversorgung von Neugeborenen im Kreißsaal mit der Unterstützung von Neonatologen der München Klinik möglich.

Und wir reagieren die betroffenen Familien auf innovative digitale Angebote? Bei den Eltern kämen die zusätzliche Expertise und der zeitsparende Service natürlich sehr gut an, sagt Bogner-Flatz. Die jungen Patienten allerdings nähmen die zugeschalteten Mediziner meist gar nicht wahr, sondern seien auf die Ärztinnen und Ärzte im Raum fokussiert. „Zumal da ja oft starke Schmerzen oder große Wunden im Spiel sind.“ Doch auch solche herausfordernden Situationen habe Wall-E bisher stets souverän gemeistert.

Back to top button