Michael (81) braucht „Trigger, um etwas zu wahrnehmen“ | ABC-Z

Von außen betrachtet wirkt Michael Linder wie ein Musterbeispiel der westdeutschen Nachkriegsgeneration: hanseatisch geprägt, beruflich erfolgreich bis in internationale Spitzenpositionen, Familienvater, Ehrenamtler. Ein Mann, der mit 81 Jahren noch Saxofonunterricht nimmt und im Mehrgenerationenhaus eine Schreibwerkstatt leitet. Alles deutet auf ein Leben mit stabilem Fundament hin. Doch hinter der Fassade verbirgt sich eine andere Geschichte – Linders Schattenseite: Gefühlskälte, auslöst durch Kindheitserfahrungen.
Michael Linder selbst wird erst Jahrzehnte später klar, dass seine Psyche nach den frühen Erfahrungen beschlossen habe, dichtzumachen. Seine Haltung damals, so sagt er: „Ich werde nie wieder zulassen, dass jemand meine unschuldigen Gefühle verletzt.“ Es ist eine Therapeutin, die ihm die Augen öffnet.
Kind der Nachkriegszeit: Michael Linder erlebte früh Haltlosigkeit
Linders Geschichte beginnt im August 1944, mitten im Zweiten Weltkrieg. Seine Mutter stammt aus einem großbürgerlichen Elternhaus und ist gerade 27 Jahre alt. Der Vater, ein Kaufmann aus Lübeck, ist zu dieser Zeit bereits an der Front und fällt noch im selben Jahr unter ungeklärten Umständen. Die junge Frau bleibt allein zurück. Ein uneheliches Kind gilt in jener Zeit als Schande, gar als Todsünde. Mutter und Kind werden abgewiesen. So beginnt für Michael Linder eine dreijährige Odyssee, die ihn fast das Leben kostet. Er muss zu Bekannten des Vaters nach Leipzig, wird aber schon bald weitergereicht – „durch viele Hände“, wie er sagt.
















