Metoo auf Borkum: Gewalt gegen Frauen als Brauch | ABC-Z
San Francisco. Jedes Jahr wird Frauen auf der Insel Borkum der Hintern versohlt. Es sind keine arabischen Clans unterwegs. Ein Fall deutscher Leitkultur.
Über den „Klaasohm“ redet man nicht. Nicht auf Borkum, schon gar nicht mit Journalisten vom Festland. Damit der Feiertag der Insel erhalten bleibe, „muss der Bekanntheitsgrad gering gehalten werden“, bittet der Verein „Borkumer Jungens“, anno 1830. Keine Fotos, keine Videos, keine O-Töne, keine Einträge in sozialen Netzwerken.
Ein NDR-Fernsehteam hat sich daran nicht gehalten. Seit der Ausstrahlung von „Frauen schlagen als Volksfest“ in dieser Woche beim Magazin „Panorama“ tobt im Netz die Empörung. Der Sturm der Entrüstung über das wilde Fest nimmt kein Ende.
„Ich bin einfach nur geschockt“, gesteht ein User auf Instagram. „Dieser Brauch ist so absolut widerlich“, schreibt eine Frau, die vier Jahre auf der Insel gelebt hat. „Beklemmend, beschämend, bedrückend“, sagt eine Zeugin im Film.
Buchstäblich eine Insellösung
Bald ist es wieder so weit, in der Nacht vom 5. auf den 6. Dezember. Dann macht der Verein unter seinen Mitgliedern die sieben Männer aus, die schaurig verkleidet durch die Straßen ziehen und jede Frau einfangen und mit Kuhhörnern versohlen. Genauer gesagt: Sechs „Klaasohm“ und ein „Wiefke“, der den großen „Klaasohm“ begleitet. So will es die Tradition. Im Zeitalter von „MeeToo“ irgendwie schräg – buchstäblich eine Insellösung.
Es ist eine alte Tradition. Auf der Insel wissen sie, dass ihr Fest aus der Zeit gefallen ist. Die „Tourist-Information“ auf Borkum macht dafür keine Werbung.
Das NDR-Team, das dazu recherchiert hat, stieß auf eine Mauer des Schweigens: Bürgermeister, Polizei, Lokalzeitung – sie alle wollten nicht darüber reden. Nicht mal die Gleichstellungsbeauftragte. Andere gaben Interviews, zogen aber hinterher ihre Zusagen zurück. Man sei „selten mit so vielen Absagen konfrontiert worden“, so das TV-Team.
„Nicht wirklich gewalttätig“
Dafür kommen ein paar Frauen zu Wort, die über blaue Flecken und „Megaschmerzen“ berichten, „ich habe richtig geweint“. Es wird nämlich nicht spielerisch, sondern richtig zugeschlagen.
Andere wundern sich im Nachhinein, warum sie sich versohlen ließen, warum sie aus Spaß mitgemacht und es als „Katz-und-Maus“-Spiel empfunden haben. „Warum müssen wir das mit uns machen lassen? Und aus welchem Grund findet man das gut?“, fragt eine „Leonie“.
Gute Frage. Dem Fest kann sich frau nämlich entziehen und an dem Abend nicht auf die Straße gehen. In Wahrheit kommen viele Borkumer vom Festland extra zu „Klaasohm“ auf ihre Insel.
Ein Passant erzählt, man werde „nicht wirklich gewalttätig“. Das Fest werde zwar oft kritisch hinterfragt, „die Insulaner haben weniger ein Problem damit“.
Ein reiner Männertag
Sogar ein Ethnologe kommt im Film zu Wort. Über die Eingeborenen sagt Thomas Hauschild, man kenne sich, man vertraue sich, und die Identität der Borkumer müsse eingeübt werden. Warum Frauen dafür verprügelt werden, wusste er auch nicht so recht.
Eine alte Frau erzählt, die Männer würden mit der Tradition aufwachsen, „das ist ein reiner Männertag.“ Torben, der früher selber mal ein „Klaasohm“ war, erzählt vom unglaublichen Glück, „man ist der Größte an diesem Abend“. Genauer gesagt: der Mann. Gefeiert wird Borkumerer Selbstbewusstsein und männliche Hierarchie.
Piratenpartei: „No-Go-Gebiet“
Außerhalb der Insel wird die Tradition massiv in Frage gestellt. Die Piratenpartei NRW twittert, an diesem 5. Dezember sei Borkum „No-Go-Gebiet“ für Frauen.
#Borkum – leider an einem bestimmten Tag ein #NoGo-Gebiet für #Frauen!
Dort gibt es einen nur aus Männern bestehenden Verein, der eigens darauf trainiert ist, am 5.12. Frauen zu verprügeln. #Klaasohm!https://t.co/dkq5rzSWof#GewaltGegenFrauen #OrangeTheWorld #Frauenschläger— Piratenpartei NRW 🏳️🌈🧡 (@PiratenNRW) 28. November 2024
Auf einem Instragram-Account sind fast 7.000 Kommentare, überwiegend Kritik. Eine Userin auf X, „Ysann“, findet die Aufregung hingegen übertrieben. „Das bisschen Frauen schlagen auf #Borkum macht es doch darum nicht am 5.12. zur No-Go-Ara.“