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Germering/Puchheim: Aus für die gebundene Ganztagsschule – Fürstenfeldbruck | ABC-Z

Die aktuelle sechste Klasse ist die letzte ihrer Art – die letzte gebundene Ganztagsklasse an der Realschule Unterpfaffenhofen in der Stadt Germering. Vom kommenden Schuljahr an wird es das Angebot nicht mehr geben, schon in diesem Schuljahr wächst keine Ganztagsklasse als fünfte Klasse nach. An der Realschule Puchheim gibt es schon seit vergangenem Schuljahr keine gebundenen Ganztagsklassen mehr. Begründung allerorten: mangelnde Nachfrage.

„Das ist total traurig“, sagt Jana Hillmann. Sie ist die Zweite Konrektorin der Realschule Unterpfaffenhofen (RSU) und hat die Ganztagsklassen vor zwölf Jahren zusammen mit dem damaligen Schulleiter Christoph Breuer eingeführt. Der Begriff gebundener Ganztag bedeutet, dass Unterricht und andere Aktivitäten wie Hausaufgaben- und Übungszeiten, Musik, Sport und Kunst über den Tag verteilt abwechselnd auf dem Stundenplan stehen. Man nennt diese Unterrichtsform rhythmisiert. Phasen der Konzentration und Entspannung sollen sich abwechseln. Die Kinder sind an jedem Nachmittag in der Schule, einzig am Freitag endet der Unterricht auch für die Ganztagskinder früher.

Experten zufolge erzielen Kinder und Jugendliche, die regelmäßig an guten Ganztagsangeboten teilnehmen, bessere Lernerfolge. So teilt es die Bertelsmann-Stiftung mit, die das Thema Ganztagsschule seit vielen Jahren mit Studien begleitet. „Insbesondere gebundene Ganztagsschulen ermöglichen individuelle Förderung und eröffnen mehr Lernchancen für die Schüler“, heißt es auf der Homepage der Stiftung. Bildungsungerechtigkeiten ließen sich auf diese Art und Weise besser ausgleichen.

An der Realschule Unterpfaffenhofen hatten sie genau das versucht und zum Schuljahr 2013/14 erstmals eine gebundene Ganztagsklasse eingeführt – als Bläserklasse. Jede Schülerin und jeder Schüler dieser fünften Klasse erlernte ein Blasinstrument. Man wollte ganz bewusst eine besondere Idee hinter der Ganztagsklasse verankern, erinnert sich Jana Hillmann: „Uns war wichtig, dass die Kinder nicht nur versorgt sind.“

In der Folgezeit etablierte sich der gebundene Ganztagsunterricht an der Schule mit je einer fünften und einer sechsten Klasse. Die Nachfrage nach den Plätzen war unterschiedlich hoch. Es waren Jahre dabei, „in denen die Klassen überlaufen waren“, und Jahre, „da war es nicht ganz einfach, die Klasse vollzukriegen“, sagt Hillmann. Die Mindestzahl für eine Klasse waren 16 Schülerinnen und Schüler, die Höchstzahl 26.

Jana Hillmann, Zweite Konrektorin an der Realschule Unterpfaffenhofen, hat die Einführung der gebundenen Ganztagsschule von Anfang an begleitet. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Doch zuletzt stagnierte das Interesse der Eltern. Problem sei, dass die gebundenen Ganztagsklassen ein verpflichtendes Unterrichtsprogramm haben. „Man hat da keine Freiheit, beispielsweise für den Geburtstag der Oma am Nachmittag“, sagt Hillmann. Die offene Variante der Ganztagsschule mit Nachmittagsbetreuung ist flexibler. Zwar müssen sich die Eltern auch dafür per Vertrag anmelden, aber es können auch nur einzelne Nachmittage gebucht werden. Vanessa Braun, Elternbeirätin an der RSU, sagt der SZ: „Schade, dass es die Bläserklasse künftig nicht mehr gibt“. Der Abschied sei auch für den Elternbeirat überraschend gekommen.

In Puchheim ist die Entwicklung ähnlich. „Der Bedarf ist nicht da“, weiß Schulleiterin Christine Heimann. Im Vorjahr gab es drei Anmeldungen für die gebundene Klasse, heuer nur eine. Man habe eigens noch „die Werbetrommel dafür gerührt“ – ohne Ergebnis. Auch in Puchheim bevorzugen die Eltern den offenen Ganztag. 111 Kinder in vier jahrgangsübergreifenden Gruppen nehmen in diesem Schuljahr daran teil, von Montag- bis Donnerstagnachmittag. Um 16.15 Uhr ist Schluss. Träger des Nachmittagsprogramms ist nicht die Schule, sondern die Nachbarschaftshilfe Puchheim. An der Realschule Unterpfaffenhofen sind derzeit 73 Kinder in zwei Gruppen für den offenen Nachmittag angemeldet.

Der offene Ganztag hat sich durchgesetzt

Die offene Ganztagsschule mit Mittagessen und Betreuungsangeboten gab es parallel zu den gebundenen Klassen auch bisher schon. An den insgesamt vier Realschulen im Landkreis und an allen sieben Gymnasien im Landkreis Fürstenfeldbruck gibt es nun nur noch das offene Ganztagsmodell, fast tausend Kinder werden auf diese Weise betreut. An den Gymnasien gab es nur in Gröbenzell vor acht Jahren den Versuch, das gebundene Modell einzuführen. Es scheiterte schon damals an mangelndem Interesse. Gebundenen Ganztag gibt es noch an sechs Grund- und fünf Mittelschulen sowie an den beiden sonderpädagogischen Förderzentren.

Die Pädagogen, die die gebundene Ganztagsschule eingerichtet haben, bedauern ihr Verschwinden. Aus pädagogisch-didaktischer Sicht könne sie das nicht verstehen, sagt Christine Heimann, die schon lange an der Realschule Puchheim unterrichtet und die Einführung der Ganztagsklassen unter ihrem Vorgänger als Schulleiter, dem vor anderthalb Jahren verstorbenen Herbert Glautz, mitgeprägt hat. Denn in der gebundenen Form seien eben auch Lehrkräfte zum Beispiel bei der Hausaufgabenbetreuung eingebunden.

Jana Hillmann hat beobachtet, dass die gebundenen Ganztagsklassen in ganz besonderer Form zusammenwachsen. Sie seien an der Realschule Unterpfaffenhofen auch die einzigen gewesen, die einen eigenen Klassenraum hatten. In Unterpfaffenhofen hatten die Ganztagsschüler mit dem Schwerpunkt eines Blasinstruments besonders viel Musikunterricht, was an einem halben Schultag ansonsten nicht unterzubringen wäre. Allerdings mussten die Eltern dafür auch 45 Euro pro Monat entrichten.

Das Verschwinden der gebundenen Ganztagsklassen bringt den Schulen indes auch eine organisatorische Erleichterung. Denn diese Klassen waren zum normalen Regelunterricht stets ein Zusatzangebot, das parallel organisiert werden musste. Jana Hillmann bedauert das Ende trotzdem: „Ich habe das mit Herzblut gemacht.“

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