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Merz belässt es erneut bei Drohungen – Politik | ABC-Z

Die Bundesregierung hat intensiv über die israelische Kriegsführung im Gazastreifen beraten, schreckt vor konkreten Schritten trotz großer Verärgerung aber weiter zurück. Nach einer rund zweieinhalbstündigen Sitzung des Sicherheitskabinetts warnte Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) die israelische Regierung am Montag vor möglichen Konsequenzen, sollte sich die humanitäre Situation der Zivilbevölkerung im Gazastreifen nicht bald verbessern.

Israel müsse die „katastrophale, humanitäre Situation in Gaza sofort umfassend und nachhaltig verbessern“, sagte Merz in Berlin. Er forderte die israelische Regierung auf, „der leidenden Zivilbevölkerung schnell sicher und ausreichend humanitäre und medizinische Hilfe“ zukommen zu lassen. Sollte dies nicht geschehen, behalte sich die Bundesregierung vor, „Maßnahmen im Lichte der Ereignisse“ laufend anzupassen. Welche Maßnahmen das genau sein sollen, ließ Merz offen. Konkrete Konsequenzen seien in der Sitzung nicht vorgeschlagen worden. Man habe aber „überlegt, welche Möglichkeiten es gegebenenfalls gibt“.

Aus der SPD-Bundesfraktion kamen vergangene Woche Forderungen nach einem Stopp des Exports von Waffen, die völkerrechtswidrig eingesetzt werden, an die israelische Regierung sowie die Aussetzung des Assoziierungsabkommens zwischen der EU und Israel. Auf die Frage, ob diese Schritte für die Bundesregierung denkbar wären, sagte der Kanzler, dass man sich solche Schritte vorbehalte. Merz wollte nach einem Gespräch am Sonntag noch am Abend erneut mit dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu telefonieren.

Friedrich Merz hat Netanjahu bereits mit Konsequenzen gedroht, sollte sich die humanitäre Lage nicht verbessern

Nach Angaben der Bundesregierung hatte Merz am Sonntag von Netanjahu gefordert, der hungernden Zivilbevölkerung im Gazastreifen die dringend notwendige humanitäre Hilfe zukommen zu lassen. „Den von der israelischen Regierung angekündigten Maßnahmen müssten nun rasch substanzielle weitere Schritte folgen“, teilte Regierungssprecher Stefan Kornelius mit. In dem Telefonat habe der Kanzler „auch zum Ausdruck gebracht, dass die Bundesregierung bereit ist, den Druck zu erhöhen, wenn Fortschritte ausbleiben“.

In den vergangenen Wochen hat der Bundeskanzler seinen Ton gegenüber der israelischen Regierung deutlich verschärft – Konsequenzen blieben jedoch bislang aus. Bereits im Mai wurde seine rhetorische Kursverschiebung in einer Regierungserklärung erkennbar. Zwar sicherte Merz der israelischen Regierung in dieser Rede seine uneingeschränkte Solidarität zu, forderte jedoch zugleich alle Beteiligten auf, eine humanitäre Katastrophe in Gaza zu verhindern. Kurz darauf sorgte der Bundeskanzler auf der Digitalkonferenz re:publica für Schlagzeilen, als er scharfe Kritik an der Kriegsführung Israels übte. Er verstehe „offen gestanden nicht mehr, mit welchem Ziel“ das Land vorgehe. Der massive Schaden für die Zivilbevölkerung lasse sich nicht mehr mit der Bekämpfung der terroristischen Hamas rechtfertigen.

Vergangene Woche forderte Merz die israelische Regierung auf, „die massiven militärischen Interventionen zu stoppen, einen Waffenstillstand zu ermöglichen und vor allem die humanitäre Hilfe für die Bevölkerung dort zu ermöglichen“. Zudem sagte Merz, er nehme für sich in Anspruch, einer der Ersten gewesen zu sein, „der in aller Deutlichkeit auch in Deutschland gesagt hat, dass die Zustände dort nicht länger hinnehmbar sind“. Aus Regierungskreisen war zuletzt eine wachsende Frustration über das israelische Vorgehen im Gazastreifen zu vernehmen. Die Bundesregierung, sagte Regierungssprecher Kornelius am Freitag, sei „bereit, den Druck zu erhöhen, wenn Fortschritte ausbleiben“.

Deutschland wird sich an einer Luftbrücke mit Hilfsgütern für die Menschen in Gaza beteiligen

Das klingt deutlich anders als die Worte des Bundeskanzlers zu Beginn seiner Amtszeit, als er dem israelischen Premierminister – trotz internationalen Haftbefehls – zusicherte, man werde „Mittel und Wege finden“, damit dieser die Bundesrepublik besuchen „und auch wieder verlassen kann, ohne dass er in Deutschland festgenommen worden ist“. Die Vorstellung, „dass ein israelischer Ministerpräsident die Bundesrepublik Deutschland nicht besuchen kann“, halte er für abwegig, erklärte der Bundeskanzler noch vor einigen Monaten. Doch inzwischen klingt auch hier ein anderer Ton an. In einem Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung wich er der Frage aus, ob Ministerpräsident Netanjahu trotz Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofes nach Deutschland reisen könne. Diese werde man beantworten, wenn sie sich stellt. Netanjahu habe „im Augenblick andere Dinge zu tun, als Staatsbesuche zu unternehmen“, sagte Merz.

Die Situation für die Zivilbevölkerung in dem schmalen Küstenstreifen ist katastrophal. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) warnte zuletzt vor einer tödlichen Hungerkrise, Hilfsorganisationen berichten von fehlendem Trinkwasser und mangelhafter medizinischer Versorgung. Am Wochenende hat Israel als Reaktion auf internationale Kritik an der humanitären Lage im Gazastreifen die Blockade nach Gaza gelockert und humanitäre Hilfe in den schmalen Küstenstreifen zugelassen.

Zwischen 10 und 20 Uhr soll täglich eine „taktische Pause der militärischen Aktivitäten für humanitäre Zwecke“ stattfinden, um UN-Konvois die sichere Lieferung von Hilfsgütern zu ermöglichen. Das Palästinenserhilfswerk UNRWA forderte auf der Social-Media-Plattform X, die Öffnung aller Grenzübergänge in den Gazastreifen. Notwendig sei eine „Flut“ an Hilfslieferungen, um eine Verschärfung der Hungerkrise unter der Bevölkerung in dem abgeriegelten Küstenstreifen zu verhindern.

In Berlin sagte Friedrich Merz, dass die am Sonntag eingeleiteten Maßnahmen ein wichtiger erster Schritt seien, dem zeitnah weitere folgen müssten. Um den Menschen im Gazastreifen zu helfen, habe die Bundesregierung außerdem entschieden, gemeinsam mit Jordanien eine Luftbrücke für Hilfsgüter für den Gazastreifen aufzubauen. Dies sei zwar nur „eine ganz kleine Hilfe“ für die Menschen, aber ein Beitrag, den die Regierung leisten wolle. Zudem werde Bundesaußenminister Johann Wadephul (CDU) voraussichtlich noch in dieser Woche nach Israel reisen – womöglich gemeinsam mit seinen Kollegen aus Großbritannien und Frankreich.

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