Mehrgenerationenhaus in Grafing geplant – Ebersberg | ABC-Z
Klaus Beslmüller, der Zeit seines Berufslebens als Architekt gearbeitet hat, hätte es sich auch ganz einfach machen können. Einfach das ganze Grundstück auf den Immobilienmarkt werfen und vom Erlös in der Toskana oder irgendwo ums Mittelmeer ein schönes Häuschen kaufen. Aber nein. Beslmüller und seine Frau Sissi möchten nicht wegziehen. „Ich bin vor 61 Jahren in diesem Haus geboren. Ich will in Grafing bleiben.“ Doch nicht wie einst seine Mutter: allein in dem Riesenhaus in der Lagerhausstraße 4. Deshalb war es mit ein bisschen umbauen und renovieren eben nicht getan.
Seit Jahren schon tragen die Beslmüller-Eltern die Idee eines Grafinger Mehrgenerationenhauses in ihren Köpfen herum. Die Pläne waren schnell gezeichnet, das Neubauprojekt durchgerechnet. Aber es gab Behörden, die womöglich den Sinn und Zweck einer solchen Hausgemeinschaft nicht so recht verstanden. Jedenfalls mussten die Beslmüllers ihre Pläne erstmal auf Eis legen.
Neun Wohnungen in bester Lage sollen es werden, alle barrierefrei
Im zweiten Anlauf jedoch liefen die Dinge besser. Deshalb steht jetzt in der Lagerhausstraße 4, von der aus es ein Katzensprung zum Marktplatz, zum Spielplatz, zur Apotheke oder zum Stadtbahnhof ist, kein großes Haus mehr. Es klafft dort eine riesige Baugrube. Wer einen Blick reinwirft, sieht, dass unten bereits die Bodenplatte liegt.
Auf sie werden die Beslmüllers – Eltern, Töchter, Schwiegersohn – ihr Mehrgenerationenhaus stellen, drei Stockwerke plus Dach. Die Miete wollen die Bauherren am Marktpreis für gut ausgestattete Grafinger Neubauwohnungen anlehnen. „Das Projekt muss am Ende eine schwarze Null tragen, mehr wollen wir nicht“, versichert Beslmüller.
:Darf’s ein bisschen mehr sein?
Trotz Dauerkrise der Wirtschaft und am Bau entsteht im Landkreis Ebersberg immer mehr bebaute Fläche. Besonders ein Bereich wächst deutlich.
59 bis 112 Quadratmeter weisen die Pläne für die neun Wohnungen aus, verteilt sind diese jeweils auf zwei, drei oder vier Zimmer. „Kein Investoren-Billigbau, aber auch kein Marmorbad. Und alles mit Fußbodenheizung und freilich barrierefrei“, erklärt Beslmüller. Einen Gemeinschaftsraum soll es auch geben, zudem einen Garten für alle Bewohnerinnen und Bewohner.
Arg viel mehr Worte braucht der Grafinger Architekt zur Baubeschreibung nicht. Die soziale Ebene ist ihm viel wichtiger. „Wenn die Eltern einkaufen gehen müssen, aber die Kinder partout nicht mitwollen, dann kann zum Beispiel der Nachbar kurz auf die Kinder aufpassen – und die Eltern bringen ihm halt vielleicht im Gegenzug was aus dem Supermarkt mit.“ So stellt Beslmüller sich das Geben und Nehmen in dem Haus vor.
Es gibt bereits erste Interessenten, die in der Lagerhausstraße 4 einziehen wollen
Ganz zwanglos soll es bei allem zugehen, das künftig in der „L4“, dem Kürzel für die Lagerhausstraße 4, passiert. Mal eine Runde Schafkopfen, gemeinsam garteln, kochen oder WM schauen. „Manche werden vielleicht mehr Zeit im Gemeinschaftsraum verbringen, andere wieder weniger. Das ist total in Ordnung. Aber wir wollen alle ein bisserl aufeinander achten.“ Überhaupt, die Leute. „Die müssen natürlich zusammenpassen, ähnliche Vorstellungen vom Zusammenleben haben“, sagt Beslmüller. „Wir wollen da keine Kommune aufmachen, keine WG gründen und auch kein Haus für einsame Herzen. Wir wollen halt gemeinsam leben.“
:Nachholbedarf beim Wohnungsbau
Das Pestel-Institut legt eine neue Analyse für den Landkreis Ebersberg vor. Demnach müssten pro Jahr 910 Wohnungen zusätzlich entstehen. Dabei gäbe es eigentlich genügend Leerstand.
Einige Interessenten haben sich laut dem Bauherren schon für das Projekt gemeldet, jemand aus der Schweiz sogar, jemand anderes aus der Gegend von Hannover. „Wir setzen uns zusammen, lernen uns kennen, schauen, ob wir zusammenpassen, ob die Vorstellungen die gleichen sind“, sagt Beslmüller. Natürlich, nicht jeder wolle so vergleichsweise eng mit seinen Vermietern leben. „Anderen ist es dagegen durchaus recht, dass da jemand die Hand auf dem Projekt hat und irgendwo auch fürs große Ganze in der Verantwortung steht.“ Eile herrscht aber erst einmal nicht. Die Einzüge sind für Sommer 2026 geplant.
Und bis dahin? „Gerade bin ich sowas von entspannt“, sagt Beslmüller und grinst. „Die Bodenplatte ist verlegt. Der Wasserstand war niedrig, die Temperatur nicht zu kalt und nicht zu warm, kein Wind, kein Regen.“ Das Fundament des Hauses ist also schon geglückt – wenn das mal kein gutes Omen ist.